Nichtoffener Wettbewerb | 12/2024
Umbau Rupprecht-Haus in Gevelsberg
©Hascher Jehle Architektur
Außenperspektive
Anerkennung
Preisgeld: 16.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Architekturkonzept
Das Rupprecht-Haus als ikonographisches Architekturfragment der 60er Jahre erfährt durch die Revitalisierung vom ehemaligen Kaufhaus zum kommunikativen und offenen Treffpunkt der Stadtgesellschaft eine Transformation, die sich zeichenhaft nach außen spiegelt. Nicht der Rückbau bis auf den Rohbau und die völlige Neugestaltung der Fassade ist Konzept des Entwurfes, sondern eine minimalinvasive Transformation, bei der den vorhandenen Elementen der Architektur sowie der Geschichte des Orts neue Bedeutung beigemessen wird.
Die markanten vorgehängten Keramik-Waben bleiben erhalten, werden aber durch Kletterpflanzen, die in Trögen zwischen Primär- und vorgehängter Fassade wachsen, „erobert“ und zum lebendigen und grünen Zeichen der Umgestaltung. Die Primärfassade wird durch moderne Wärmeschutzfenster und eine Innendämmung auf einfache Weise ertüchtigt.
Grüne Stadt-Loggien ersetzen die spiegelnde Glasfassade des ehemaligen Konsumtempels und laden die Bürger und Besucher der Stadt zum Entdecken ein.
Die EG-Fassade öffnet sich großzügig und einladend zur Stadt, das Cafe an der Ecke springt zurück, sodass für eine Außenbestuhlung mehr Raum entsteht.
Im Inneren wird das Konzept der minimalen Eingriffe fortgesetzt. Neben dem Rückbau der Ausbauelemente wird als einzige Maßnahme das Treppenloch der bestehenden Rolltreppenanlage vergrößert, sodass ein über alle
Geschosse reichendes Volumen entsteht und alle Ebenen visuell miteinander verknüpft. Das erleichtert die Orientierung im Haus und bringt Tageslicht, als wichtiges Qualitätsmerkmal, in alle Ebenen.
Im Inneren werden vorhandene Oberflächen unverkleidet gezeigt, oder mit Recycling-Bauelementen kombiniert. Nicht die Wirkung edler Materialien steht im Vordergrund sondern der authentische Mix von Vorhandenem mit Ergänztem.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf platziert den Haupteingang städtebaulich richtig an der Kopfseite des Gebäudes als Zugang für alle Funktionsbereiche mit Ausnahme der Musikschule. Die Musikschule erhält einen separaten und wenig attraktiven Eingang im südlichen Bereich des Gebäudes an der Mauerstraße.
Die Kubatur des Bestandsgebäudes wird beibehalten und lediglich um ein rückwärtiges Staffelgeschoss für die Rooftop-Bar ergänzt. Die vorhandene Anlieferzone und Einfahrt in die Parkebenen an der Mauerstraße wird erhalten und um einen erdgeschossigen Abstellraum für Fahrräder ergänzt. Dadurch entwickelt sich eine starke Separierung der Eingänge der Musikschule und der übrigen Bereiche.
Durch zwei „Sonnentrichter“ werden Innenflächen mit Tageslicht versorgt. Der Innenhof im südlichen zweigeschossigen Bauteil versorgt als offener und begrünter Hof die kleineren Proberäume der Musikschule mit Tageslicht. Das große glasüberdeckte Atrium des fünfgeschossigen nördlichen Bauteils dient der Tageslichtversorgung und beinhaltet eine großzügige Treppenanlage - vom Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss. Dadurch wird der Eingangsbereich mit dem Café und Flächen für mögliche Pop-up-Stores im Erdgeschoss offen mit den Flächen der Heimatstube, der Ausstellungsfläche, einem Teil der Musikschule im ersten Obergeschoss, dem großen Veranstaltungsraum mit Bühnenbereich und Nebenflächen sowie Gruppen- und Schulungsräumen im 2. Obergeschoss mit der ersten Ebene der Bibliothek im 3. Obergeschoss verbunden.
Die beiden Bibliotheksebenen (3. + 4. Obergeschoss) werden durch eine zusätzliche Wendeltreppe verbunden. Die grundsätzliche Zonierung und Positionierung der Bücherei im 3. und 4. Obergeschoss sind gelungen. Problematisch sind die langen offenen Flächen im Atrium; der Geräuschpegel könnte kritisch für die erforderlichen Ruhezonen in der Bibliothek sein. Positiv wird die optionale Geschlossenheit der Nutzung bewertet. Der Bereich der Loggien an der Frontfassade ist sicherungstechnisch kritisch. Die Synergieeffekte von Bibliothek und Familienbüro sind durch die räumliche Zuordnung gewährleistet.
Die Aufteilung der Flächen für die Musikschule im südlichen Gebäudeteil und im ersten Obergeschoss des nördlichen Gebäudeteils wird funktional sehr kritisch bewertet. Trotz eines verbindenden Ganges entlang der westlichen Fassade, der räumlich abwechslungsreich gestaltet ist und Aufenthaltsflächen bietet, erscheint die Verbindung wenig attraktiv. Die Räume der Musikschul sind über verschiedene Gebäude-komplexe verteilt. Alle übrigen Funktionsbereiche sind schlüssig organisiert und die mögliche Abtrennung von öffentlichen Erschließungsflächen wird positiv bewertet. Ebenfalls positiv bewertet wird der eigene, von anderen Nutzenden unabhängiger Ein- und Ausgang für die Büroräume des Stadtarchivs sowie die unmittelbare Aufzugsverbindung. Auch die bestehende Parkplatzsituation im ersten Obergeschoss und auf dem Parkdeck wird beibehalten.
Die minimalinvasive Transformation des Konzepts beschränkt sich bezüglich des Eingriffs in die bestehende Bausubstanz auf eine Vergrößerung des bestehenden Deckenausschnitts der ehemaligen Rolltreppenanlage. Die bestehende Wetterschutzfassade wird ebenso erhalten wie die vorgehängte Wabenstruktur. Es wird eine Begrünung der Fassade vorgeschlagen, wobei die Wabenstruktur als Rankgerüst dienen soll. Die Bereiche der ehemaligen offen verglasten Ecken werden geschoss-weise als offene und begehbare Stadtloggien neu interpretiert.
Insgesamt lässt das nahezu vollständig erhaltene Fassadenbild eine attraktive und zukunftsorientierte Neuinterpretation als öffentlichkeits-wirksamer Stadtbaustein vermissen.
©Hascher Jehle Architektur
Blick in das neue Atrium
©Hascher Jehle Architektur
Lageplan
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Piktogramm
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EG
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OG
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