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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2023

Umbau und Erweiterung der Dechant-Wessing-Grundschule in Warendorf-Hoetmar

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

studio blau sieben

Architektur

EiSat GmbH, Engineered Structures

Tragwerksplanung

brandplus GmbH

Brandschutzplanung

Katrin Helmbold l ArchitekturModellbau

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebau und Baukörper 
Städtebaulich wird die Anlage der Dechant-Wessing-Schule nahezu erhalten. Vielmehr wird das räumliche Potenzial des südlichen Riegels untersucht. Durch das Erweitern in vertikaler und horizontaler Richtung wird die ehemals klassische Flurschule zu einem kompakten Volumen, das auch das Unterrichten in zeitgenössischen Lernformen innerhalb einer Clusterstruktur ermöglicht und zudem über eine neue Maßstäblichkeit die neue räumliche Mitte der Schulanlage generiert. Wie ein großer Hut legt sich die Dachaufstockung auf den Sockel und vereint die zuvor ungleichen Bestandsriegel. Die ausdrucksstarke Dachform verleiht dem Gebäude eine gewisse Eigenständigkeit und steht zugleich in einem spannungsvollen Verhältnis zum denkmalgeschützten Bestandsgebäude. Im Inneren entsteht ein neues räumliches Gefüge, das nicht nur die beiden Bestandsbauten miteinander verbindet, sondern auch eine neue Adresse der Schule ausbildet. Von Weitem sichtbar markiert das unterschnittene Gebäudevolumen den neuen Haupteingang.  

Funktionskonzept
Aufgrund der für einen Schulbau ungeeigneten Grundrisse und einer fehlenden Anbindbarkeit des nördlichen denkmalgeschützten Bauteils wird vorgeschlagen diesen wie historisch vorgesehen als Wohnungsbau zu nutzen und ggf. zu vermieten. Im südlichen Teil des Denkmals werden alle Funktionen rund um den Ganztag und die Übermittagsbetreuung wie in einem eigenen Haus positioniert. Das denkmalgeschützte Gebäude wird also räumlich fast unverändert weitergenutzt. Der erweiterte südliche Riegel beherbergt im Obergeschoss den gesamten Unterrichtsbereich in Form zweier Lerncluster, im Erdgeschoss die Verwaltung sowie im Neubau offenere Nutzungen wie Mensa und Bibliothek und im Unterschoss nach wie vor Technik, Lager, Hausmeisterräume und die Aula. Letztere ist nun zweigeschossig konzipiert, um diesem repräsentativen Raum akustisch, funktional und räumlich gerecht zu werden. 

Architektonisches Konzept
Behutsam auf den Bestand eingehend werden Gänge miteinander verknüpft und Kontinuitäten gesucht. Zudem werden zahlreiche attraktive Sichtverbindungen geschaffen, um einerseits einen Durchblick vom östlichen Eingangshof zum westlichen neu gestalteten Freiraum zu schaffen, andererseits um vielfältige und überraschende Bezüge zwischen Bestand und Neubau herzustellen. Eine großzügige Treppe führt in die Lerncluster im Obergeschoss und bindet zugleich die im Untergeschoss gelegene Aula über eine repräsentative Geste an. Blickbezüge aus den durch den Bestand bedingten verschiedenen Höhenniveaus erzeugen ein komplexes Raumgefühl, in dem Kinder eine Vielfalt an Maßstäben erfahren können. Die Treppe selbst ist zugleich eine Sitzlandschaft und kann auf vielseitige Art und Weise angeeignet werden - ob als erweiterte Sitzfläche für die Bibliothek, Pause oder auch für einen Vortrag.  

Konstruktion und Brandschutz
Während die Sockelzone als Stahlbetonkonstruktion mit vorgehängtem Klinker die Massivität der Bestandsgebäude weiterführt, wird die Dachaufstockung als leichte Holzkonstruktion konzipiert. Die vier Cluster sind jeweils unter 400m2 groß und verfügen über mehrere Fluchtmöglichkeiten: eine von innen sowie von jedem Klassenzimmer aus direkt auf den umlaufenden Rettungsbalkon. Der südliche Bestand und der Anbau im Erdgeschoss werden so unterteilt, dass sich auch hier clusterähnliche Nutzungsstrukturen ergeben. Ein Rettungsweg führt über die zentrale Halle, der andere durch den großen Windfang zur grünen Pause. Im denkmalgeschützten Bestand werden zwei Clusterstrukturen jeweils in Erdgeschoss und Obergeschoss organisiert, auch hier führen zwei Fluchtwege nach außen. Die Wohnungen sind anleiterbar.

Nachhaltigkeit
Das kompakte Volumen verspricht eine ökonomische Ausführung und wird sich zudem langfristig positiv auf die Energiebilanz auswirken. Der umlaufende Laubengang bietet neben den allgemeinen Vorteilen wie sommerlichem Wärmeschutz, Brandschutz und Witterungsschutz für die Holzfassade die Möglichkeit von jedem Unterrichtsraum direkt ins Freie zu gelangen. Ein weiterer Vorteil der neuen Struktur für die Unterrichtsbereiche ist die Flexibilität und Möglichkeit einer späteren Änderung. Die Materialwahl Holz verspricht eine Reduzierung der grauen Energie bei der Herstellung sowie eine pädagogisch zukunftsweisende Anmutung der Räumlichkeiten.

Landschaft
Die Außenräume - der Eingangshof, die Grüne Pause und die Sportflächen – werden im Wesentlichen erhalten. Das eher öffentliche und großmaßstäbliche Freiraumangebot wird erweitert durch eine konzentriertere schulinterne Außenfläche im Westen, die Mensaterrasse, einer sich durch die topografische Stufung entstehenden Freiklasse sowie einen Schulgarten.


Mitwirkende: Marie Hauck, Michael Wagner
Tragwerk: EiSat GmbH
Brandschutz: brandplus GmbH
Modell: Helmbold Modellbau

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch die Erweiterung des Bestandsgebäudes aus den 50er-Jahren im Grundriss und in der Höhe entsteht ein im Erscheinungsbild völlig neuer, solitärartiger Baukörper südlich des denkmalgeschützten Bauteil 1.
Mit seiner beinahe skulptural wirkenden Dachfigur, die einen typologischen Bezug zu landwirtschaftlichen Funktionsgebäuden aufweist, fügt sich das großmaßstäbliche Volumen selbstbewusst, und dennoch verträglich in das städtebauliche Umfeld ein.
Der eingeschossige Übergang stellt aus denkmalpflegerischer Sicht einen angemessenen Anschluss an das benachbarte Baudenkmal her. Die annähernde Freistellung des Baudenkmals stärkt dieses in seiner Wirkung gut. Der neue Haupteingang wird folgerichtig in der Flucht des Baudenkmals, an der Schnittstelle zwischen den Bauteilen situiert. Die Möglichkeit eines wettergeschützten Außenbereiches vor dem Eingang durch den angebotenen Unterschnitt wird begrüßt, die Dimension, und die damit verbundene Verschattung, wird jedoch als grenzwertig groß bewertet.
Der barrierefreie Übergang in den Altbau, sowie die Funktionen des Erdgeschosses wie Ganztagsbereich, Verwaltung, Speiseraum und Außenterrasse sind von hier aus schlüssig entwickelt. Ebenso der Übergang in den Klassentrakt des ersten Obergeschosses, der über eine großzügige Treppen- und Sitzstufenanlage hergestellt wird. Die hier vorgeschlagene Clusterstruktur mit den gut proportionierten Klassenräumen wird im Grundsatz positiv bewertet, die angebotenen Clustermitten erscheinen dem Nutzer jedoch als zu klein dimensioniert.
Die Lösung der notwendigen Entfluchtung des Klassentraktes mithilfe außen liegender Treppen und einer umlaufenden Loggia schafft zusätzlich einen nutzbaren Außenraum im ersten Obergeschoss, aus Nutzersicht bestehen jedoch gleichzeitig Bedenken hinsichtlich einer möglichen missbräuchlichen Nutzung.
Die Distanz zwischen den Räumen der OGS und den Klassenfamilien wird aus organisatorischer Sicht als zu groß angesehen. Die überraschende Idee der Verfasser, die bestehende Aula durch Rückbau der Geschossdecke aus doppelgeschossigem Raum aufzuwerten, und gleichzeitig Blickbezüge zum Erdgeschoss herzustellen, wäre zwar mit erheblichem Aufwand verbunden, wird aber dennoch positiv betrachtet.
Durch die kompakte Bauweise, und den Verzicht auf Fluchttreppenhäuser kann eine angemessene Wirtschaftlichkeit in Betrieb und Erstellung erwartet werden.
Der bauliche Übergang zum Baudenkmal wird durch die Reduzierung auf die Erdgeschossebene als denkmalverträglich angesehen. Die Eingriffe in die innere Struktur des Baudenkmals sind moderat, verunklaren diese aber in Teilbereichen.
Auch wenn die Gestaltung der Fassaden mit drei unterschiedlichen Materialien aus Sicht der Jury nicht vollständig überzeugen kann, stellt der Entwurf mit seiner klaren Haltung einen wertvollen Beitrag zur Lösung der gestellten Bauaufgabe dar.
Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Obergeschoss

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B

Schnitt C-C

Schnitt C-C

Schnitt D-D

Schnitt D-D

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt