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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2008

Umbau und Sanierung der Deutschen Botschaft Wien

3. Preis

F29 Architekten

Architektur

Hüßing Architekten

Architektur

Atelier Loidl

Landschaftsarchitektur

Technisches Büro Freunschlag

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der neue Zugang für Alle

Rolf Gutbrods deutlichste Reminiszenz an ein traditionelles Botschaftsgebäude ist die den ganzen Vorgarten einnehmende Zufahrt zum früheren Haupteingang. Die über das ursprüngliche Geländeniveau herausragende Rampenanlage und das weit in den Vorgarten reichende Vordach inszenierten die Eingangsituation der deutschen Botschaft in Wien. Der etwas zu klein geratene Windfang, die Materialisierung der Anlage – Beton und Asphalt, und vor allem der direkt angrenzende öffentliche Straßenraum relativierten sofort ein eventuell beim Betrachter aufkommenden herrschaftlichen Eindruck.

Stellt man sich die Situation in den 1960’er Jahren vor, als Eingang und Zufahrt wahrscheinlich von Mitarbeiter und Besucher stark frequentiert war, und Passanten ohne störende Zaunanlage und niedriger Vegetation das Botschaftsgebäude noch unmittelbar sehen und vielleicht sogar an dieses herantreten konnten, so kann man (sich) die subtilen Qualitäten der Architektur Gutbrods sich heute noch gut vorstellen. Aus heutiger Sicht unverständliche Detailausbildungen, wie zum Beispiel die am Übergang zwischen Foyer und Vorgarten auf gesamter Länge angeordneten Blumenkästen, werden unter diesen Bedingungen erst verständlich. Sie bildeten eine Barriere, die Grenze zwischen öffentlichen Vorbereich und dem Inneren der Botschaft, ohne Blickbeziehungen zu verhindern. Das Innenleben der Botschaft konnte gesehen werden, ohne dass ein direkter Zugang gewährt wurde.

Aufgrund der sich wesentlich geänderten Sicherheitssituation ist der damalige Zugang mit dem zu vor beschriebenen Haupteingang an der Südseite von Haus III und dem Lieferanteneingang entlang von Haus I heute ins Gegenteil gekehrt. Der räumlich beengte, dunkle Lieferanteneingang – neben der Tiefgarageneinfahrt gelegen- dient heute als Haupteingang der Botschaft. Der ehemalige Zugang wird eigentlich nur noch einmal im Jahr, zu den Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit genutzt. Diese unbefriedigende Entréesituation setzt sich im Inneren des Hauses fort, da man nicht im räumlich großzügigen Bereich von Haus III, sondern in einer beengten Flursituation des Funktionstraktes der Häuser I und II, das Gebäude betritt.

Der Vorschlag zum Umbau und Sanierung der Deutschen Botschaft in Wien setzt an dieser Fehlentwicklung an und versucht mit einem neuen Eingang, an einer neuen Stelle, heutige Sicherheitseinrichtungen (-standards) mit dem öffentlichen, repräsentativen Charakter eines Botschaftsgebäudes zu vereinen. Die kompositorischen Qualitäten des Gutbrod’schen Gebäudeensemble sind besonders an der süd-westlichen Grundstücksecke erlebbar. Die horizontale Ausdehnung von Haus III und die schmale, hoch aufstrebende Stirnseite von Haus II bilden an dieser Stelle ein ausgewogenes, spannungsvolles Erscheinungsbild das die unterschiedlich gestalteten Gebäudeteile zu einem Ensemble vereint. Eine für alle zu passierende Eingangsschleuse ist sinnfälliger Weise dort an der Jauregasse / Ecke Metternichgasse in Zusammenhang mit der grundstücksumlaufenden Sicherheitseinfriedung angelegt. Hier betreten alle Besucher, sowohl die Visastelle als auch die der beiden Botschaften – mit dem Auto oder zu Fuß- das Gelände der Botschaft. Durch den Erhalt der bestehenden Platanen und Linden integrieren sich das Pförtnerhäuschen und die Außenschleuse in das Bild einer grünen Grenze zwischen Straßenraum und Botschaft, ohne besonders in Erscheinung zu treten. Die Architektur der Botschaft bleibt durch den transparenten Baumschleier sichtbar und verbindet sich mit dem Außenraum zu einem markanten Ensemble, dass sich in das dichtbebaute Diplomaten-Quartier besonders einfügt. Dahinter liegt der neue Platz der Botschaft.





Der gesicherte Botschaftsplatz

Die wichtigste Veränderung ist das zusätzliche Herausstellen eines repräsentativen Vorplatzes an der Metternichgasse unter Wahrung des dortigen Baumbestandes. Am neuen Haupteingang entsteht ein prägnantes Entree für alle Besucher und Botschaftsmitarbeiter, dass sich als neue Visitenkarte der Deutschen Botschaft in Wien versteht. Über die helle, leicht geneigte, Platzfläche sind sowohl der Haupteingang, die nördliche Visastelle und die folgende Tiefgarageneinfahrt zu erreichen. Die Platzsituation entspricht in ihrer großzügigen Repräsentanz den ursprünglichen Entwurfsabsichten und bietet aus unserer Sicht den Vorteil, den umlaufenden Gartenraum von störenden Erschließungsfunktionen zu befreien.

Der Platz nutzt die Höhenentwicklung des Gutbrod’schen Botschaftsgebäudes aus, um ein unkontrollierten Zugang zum inneren Sicherheitsbereich des Hauses für nicht berechtigte Personen zu unterbinden. Gutbrods Entscheidung, das Erdgeschossniveau etwa 2 Meter über Straßenniveau anzuheben, führt dazu, dass dieser Platz sich etwa auf dem Niveau der Tiefgarage befindet. Der Platz wird zu Haus I hin um weitere 90 Zentimeter abgesenkt, so dass dieser nun zur Visastelle hin leicht abfällt. Die angrenzenden Platzkanten auf diesem Niveau werden zu einem neuen gestalteten Basement aufgewertet. In diesem mit geschuppten Bronzeplatten bekleideten Sockel, sind alle Zu- und Ausgänge zur Botschaft ( Haupteingang, Visastelle, Tiefgaragenzufahrt und -ausgang ) integriert. Die Vegetation und die Sichtschutzelemente im Luftgeschoss unter Haus II können entfernt werden, da durch das Absenken des Platzes und durch die Integration einer Brüstung auf dem Basement eine nicht zu überwindende Höhe von ca. 3 Meter vom Platz aus entsteht.

Zum öffentlichen Straßenraum im Süden und Osten der Botschaft hin präsentiert sich der Garten, unter dem lichten Blätterdach des Baumbestandes, als weitläufige Gräser- und Staudenlandschaft. Das Raster der freistehenden Stützen des Gebäudes wird in den Vorgartenbereichen durch ein feines Lineament aus hellen Plattenbändern aufgenommen und legt sich ornamenthaft in das ansonsten naturhafte Gartenbild. Über dieses Ornament verbinden sich Eingangsplatz und umlaufender Gartenraum zu einem gemeinsamen und großzügigen Ganzen.


Der freie Plan auf Gartenebene

Vom Botschaftsplatz erreicht man barrierefrei den neuen Haupteingang an der Südwestecke von Haus II. Der Eingang erstreckt sich räumlich über zwei unterschiedliche Niveaus. Er verbindet das neue Basement mit dem großzügigen Foyer des gutbrodschen Erdgeschosses. Dieser spannungsvolle Wechsel von räumlicher Verdichtung und Weitläufigkeit, die den Terrassenhof und den Garten auf der oberen Ebene mit einschließt, wird mit dem neuen Eingang bewusst inszeniert.

Vom Platz kommend passiert man die Innenschleuse, um in das Innere der Botschaft zu gelangen. Die Mitarbeiter der Botschaft können dann über das neue Treppenhaus bzw. Lift direkt alle Etagen der Häuser erreichen. Mitarbeiter der Visastelle gehen über das Basement im Untergeschoss direkt zu ihrem Arbeitsplatz, ohne den inneren Sicherheitsbereich verlassen zu müssen. Botschaftsangehörige der anderen Abteilungen können in den oberen Etagen nun über die barrierefrei vernetzen Flure zu allen Zimmern gelangen. Besucher und hochrangige Gäste schreiten nach dem Verlassen der nur mit Glaswänden eingehausten Schleuse auf die neue Treppe zu. Diese, über die gesamte Breite von Haus III sich erstreckenden Treppe, führt direkt in das Zentrum des Botschaftsgebäudes. Am unteren Auftritt räumlich noch beidseitig von zwei massiven Wänden eingefasst weitet sich der Raum je weiter man nach oben schreitet. Oben angekommen ist es möglich in jede Richtung nach Draußen zu blicken und das gesamte Botschaftsgelände zu überblicken.

Der Terrassenhof zur Linken, der Vorgarten zur Rechten und zurückblickend, über das Basement hinweg, zum Botschaftsplatz.

Der von Gutbrod gestaltete Innenraum im Erdgeschoss wird nicht verändert und nur im denkmalpflegerischen Sinne behandelt. Einzige Ausnahme ist die Integration von Unterflurkonvektoren zur Verbesserung der Behaglichkeit dort. Anschließend an den Versammlungsraum in Haus III werden dort Toiletten und eine Garderobe im Zwischengeschoss vorgeschlagen, die bei größeren Empfängen durch die Besucher genutzt werden können.

Entsprechend den ursprünglichen Planungen stellt der neu interpretierte Terrassenhof auch weiterhin eine Erweiterung des Foyers im Außenraum dar. Der zurückhaltend gestaltete Innenhof bildet mit seiner klaren Gliederung einen repräsentativen Rahmen für feierliche Empfänge und ermöglicht als ruhiger Rückzugsort das kurze Gespräch in der Pause.

Im Spiel der changierenden Natursteinplatten werden einzelne, filigrane Felsenbirnen (Amelanchier lamarckii) und Hartriegelsträucher (Cornus kousa) in Szene gesetzt und lassen den Lauf der Jahreszeiten ablesbar werden. Den nördlichen Abschluss des Hofes bildet ein längliches Wasserbecken entlang der eindrucksvollen ‚stehenden Gärten‘. Mit dem Element Wasser wird die Natur als Ereignis in den Hof geholt, spiegeln sich die vorbeiziehenden Wolken als Bild im Garten. In der Verlängerung des Ostflügels der ehemaligen Residenz schließt ein kleinkroniger Mirabellenhain (Prunus syriaca) den Hof zum Haus IV. Die weiße Blüte wird zum besonderen Ereignis im Frühjahr und das schattige Blätterdach bietet entspannten Aufenthalt im Sommer. Die gestalterische Prägnanz der Außenanlage schafft ein eigenständiges Gegenüber zur Architektur. Beides, Gebäude und Gartenraum, verbinden sich zu einem Ganzen und zielen auf ein poetisches Bild der ‚Natur der Stadt‘.


Die Funktionstrennung in den oberen Etagen

Verlässt man die zuvor beschriebene Eingangsebene erreicht man über die vorhandene einläufige Treppe das erste Obergeschoss in Haus III. Dieser repräsentative Raum wird von allen störenden Einbauten befreit und ist der Endpunkt des repräsentativen Weges vom Platz, durch das Basement über das luftige Erdgeschoss bis ins 1. Obergeschoss. Dort befinden sich die Bereiche der Botschafter mit den entsprechenden dazugehörigen Besprechungsräumen; die der OSZE-Vertretung in Haus III und die der diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Haus I und II. Denkbar ist dort ein zentraler Empfangstresen für beide Botschaften und ein großzügiger Wartebereich.

Entsprechend der im Raumprogramm genannten funktionalen Zusammenhängen und entsprechend der abnehmenden Frequentierung durch Besucher, sind die jeweiligen Räume geordnet. Bei der OSZE Vertretung unter weittestgehender Bewahrung der vorhanden Räume im 1. Obergeschoss und der Fassadenöffnungen. Bei der diplomatischen Vertretung werden auf der strukturellen Grundlage des einhüftigen Erschließungstypus die Räumlichkeiten neu geordnet. Verwaltung und Konsularwesen sind dort in Haus I, die übrigen Abteilungen im Haus II untergebracht.




Platten zu Riemchen (das Steinrecycling) und
Galerie Deutschland (der Motiv-Sonnenschutz)

Aufgrund der zuvor beschriebenen funktionalen Gliederung des Hauses und den unterschiedlichen Anforderungen aus dem Fassadengutachten ergeben sich zwei verschiedene Sanierungskonzepte der Fassaden für die Häuser I/II und das Hauses III. Wie im Gutachten empfohlen, lässt sich der Wärmeschutz der Außenwände des Hauses III durch eine 8 cm starke Dämmschicht im Zwischenraum zwischen innerer Stahlbetonwand und den äußeren, vorgehängter Gneisplatten realisieren. Dafür werden die Platten demontiert, eine Dämmung in der bis zu 14cm starken Luftschicht eingebracht und danach die Platten wieder befestigt. Notwendige Verblechungen, Geländer oder auch Türbekleidungen werden mit dem Metallwerkstoff Bronze ausgeführt. Um die Komposition aus Glas- und Natursteinflächen nicht zu stören, werden bewegliche Sonnenschutzelemente, wie die vorhandenen Raffstors oder auch innen angebrachter Vorhänge entfernt. Der notwendige Sonnenschutz der transparenten Flächen wird über eine in die Dreifachverglasung eingelegtes geflochtenes Gewebe aus Bronze-Drähten realisiert. Notwendige Verstärkungen der Fensterprofile können in einer Metall-Holzkonstruktion realisiert werden, ohne dass die Profilgrößen wesentlich verändert werden müssten.

Aufgrund dessen, dass die Standsicherheit der Kalksteinplatten am Haus I und II gemäß Gutachten nicht mehr gewährleistet ist, müssen diese demontiert und der gesamte Aufbau der Fassade erneuert werden. Im Sinne einer Kostenreduzierung schlagen wir vor, dass die demontierten Platten als Rohstoff der neuen Fassade verwendet werden. Die Platten werden gereinigt und dann zu kleinen Riemchen zersägt. Diese Riemchen werden auf Dämmplatten aufgeklebt und technisch wie ein modifiziertes Wärmedämmsystem an der Fassade befestigt. Ebenso wie an Haus III werden alle Raffstores, Vorhänge und Klimageräte demontiert und durch ein bewegliches Sonnenschutzsystem aus Faltelementen in einer Bronzelegierung ersetzt. Die Platten des Sonnenschutzes werden mit Hilfe von Laserfrästechnik perforiert. Die Perforation für jeden Laden wird individuell gestaltet. Es könnten zum Beispiel Silhouetten von Personen abstrahiert dargestellt werden, die der Funktion des Hauses – eine Vertretung der Deutschen zu sein, auch mit dem gewählten Motiv ausdruckt verleiht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Wirkung des Gebäudes auf den städtischen Raum wird verbessert. Das Gebäude bleibt zwar bis auf das neue Pförtnerhäuschen in den ursprünglichen Abmessungen erhalten, die vorhandene Protokollvorfahrt und das Vordach ent5fallen jedoch zugunsten von nur einer Einfahrt an der Süd-West-Ecke. Durch die Verlegung des Haupteingangs an die Gebäudeecke wird ein prägnantes Entree geschaffen. Der großzügige Vorplatz wird abgesenkt, so dass das bisherige Hochparterre zur "Belle Etage" wird. Der Durchblick in den Innenhof bleibt erhalten. Die Pass- und Visastelle wird über den Vorplatz mit leichtem Gefälle ebenerdig erschlossen. Die Führung des Pkw-Verkehrs über diesen Vorplatz und um den dort zurückgebauten Bauteil I erscheint unzweckmäßig und ist wohl dem Versuch einen Pförtner einzusparen geschuldet. Eine klare Besucherführung mit Trennung der einzelnen Besucherströme fehlt.Das Konzept der inneren Erschließung ist klar und übersichtlich. Der attraktive neue Eingang führt direkt in das repräsentative Foyer und weiter in den Botschafterbereich, dessen Anordnung um das gemeinsame Foyer großzügig ist. Die Grundrisse wirken klar und geordnet.

Durch Entfernen des Durchladeaufzugs zwischen Bauteil I und II ist die Barrierefreiheit nicht mehr gegeben; die neuen Rampen sind zu steil. Die Tiefgarage wird deutlich erweitert, allerdings ohne Zugewinn an Stellplätzen. Die Fassaden von Bauteil III bleiben prinzipiell erhalten, die von Bauteil I und II werden zurückgebaut, zu Riemchen zerschnitten, als Elemente neu verklebt und mit Fenstern des ursprünglichen Formats ergänzt. Der Sockel, der durch die Absenkung des Vorplatzes freigelegt wird, soll mit Bronzeplatten verkleidet werden. Damit wird ein neues Material eingeführt, das auch in den neuen Sonnenschutzelementen Verwendung findet.

Die Arbeit macht keine Angaben zur Grundsanierung der TGA. Ein umfassendes Energiekonzept im Zusammenhang mit Fassadendetails fehlt. Überschlägige Angaben zu Raumluftzuständen, z. B. zur Notwendigkeit der Kühlung der Büros, sind nicht dargestellt. Der auf EG-Niveau angehobene Innenhof ist flexibel nutzbar. Der in der Flucht von Bauteil III geplante Mirabellenhain bildet einen spannungsvollen Kontrast zur nun orthogonalen Platzfigur, verändert jedoch den Charakter des Innenhofs stark. Die Lage des üppig dimensionierten Wasserbeckens in Konkurrenz zur Palisadenwand wird kritisch gesehen. Wegen der geringen Erweiterungsflächen und des geringen Fensterflächenanteils, andererseits jedoch der aufwändigen Eingriffe in die Erschließung und der anspruchsvollen Fassadenumgestaltung liegt der Entwurf im mittleren Kostenbereich.

Der Entwurf zeugt vor allem in der inneren Erschließung und der Fassadengestaltung von einer eigenständigen Betrachtungsweise. Die Besonderheiten des Projekts werden von der Jury, trotz einiger Mängel, gewürdigt.
Deutsche Botschaft Wien- Plan 1

Deutsche Botschaft Wien- Plan 1

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Deutsche Botschaft Wien- Plan 2

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