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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Umgestaltung der Fußgängerzone in Marl-Hüls

2. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Situation
Die im Jahre 1976 entstandene Fußgängerzone der Stadt Marl bildet das Rückgrat für die Hülser Geschäftslage. Die Freiraumgestaltung ist jedoch nicht mehr zeitgemäß und weist wenig Aufenthaltsqualität auf. Die geplante Demontage der vorhandenen Arkaden bietet eine außerordentliche Gelegenheit den öffentlichen Raum zu einer zeitgemäßen Fußgängerzone umzugestalten.

Konzept
Das Entwurfskonzept lässt sich von der Vision des Stadtplaners Philipp Rappaport inspirieren, der für Marl schon im Jahr 1922 die Vision als eine ,Stadt im Grünen’ entwickelte. Die Umgestaltung sieht eine Durchgrünung der Fußgängerzone vor, wobei eine Balance zwischen flexibler Nutzbarkeit und ökologischem Anspruch angestrebt wird. Die einzige Fußgängerzone der Stadt sollte auch eine identitätsstiftende Gestalt erhalten. Die prägnante geometrische Form der Neugestaltung könnte als ,Landschaftskunst’ bezeichnet werden, die nicht nur die Fußgängerzone besonders heraussticht, sondern auch die Bedeutung der Kunst in Marl widerspiegelt. Geprägt durch eine Abfolge der kreisförmigen Felder in verschiedenen Größen und Farben, könnte die Kunst im Alltag betrachtet, erlebt und genutzt werden.

Entwurf
Grüner Salon
Die Fußgängerzone wird als ein ,Grüner Salon‘ konzipiert, der auf die künftigen Anforderungen ausgerichtet ist und zur Verbesserung des Stadtklimas beiträgt. Durch eine hochwertige Freiraumgestaltung entsteht hier ein zentraler Anziehungspunkt, an dem Menschen jeden Alters zusammenkommen. Ein pulsierender Ort, an dem Lebendigkeit entsteht und der zum Verweilen einlädt.
Die Positionierung der kreisförmigen Felder berücksichtigt die Fußgängerbewegung, schafft fließende Räume und ermöglicht gleichzeitig den Zugang für die Feuerwehr sowie große Versammlungen bei Veranstaltungen, wie dem Hülser Weinfest. Die Abfolge unterschiedlicher, spannungsvoller Felder mit Wasserspiel, Sitzbänke, Pflanzbeete, Kinder Spielfläche und Brunnen ermöglicht vielfältige Nutzungen. Locker stehende Bäume überstellen die Felder und schaffen beschattete Rückzugsorte.
Eingangsbereiche
Die Eingangsbereiche zur Fußgängerzone werden durch Wasserelemente akzentuiert. Einladend und großzügig präsentiert sich ein neues Fontänenfeld im Süden. Im Norden setzt ein Brunnen die Statue von Auguste Victoria in Szene und tritt als Pendant zu dem Fontänenfeld hervor. Ergänzt durch Sitzelemente sowie Gräser‐ und Staudenpflanzungen entstehen qualitätsvolle Eingangsbereiche zum Grünen Salon.
Materialkonzept
Die Fußgängerzone erhält einen einheitlichen hellen, graubeigen changierenden Betonplattenbelag. Die punktuellen Kinderspielflächen aus der wassergebundenen Wegedecke liegen harmonisch auf der befestigten Fläche. Um die trennende Wirkung der Straße aufzuheben und eine sichere Querung für Fußgänger zu gewährleisten, werden die Übergänge an der Hülstraße und der Victoriastraße mit einem durchgängigen Teppich aus kleinteiligeren Plattenformat betont.
Pflanzkonzept
Durch die aufgelockerte Positionierung der Klimabäume (z.B. Sophora japonica), die besonders hitzeund trockenheitsresistant sind, entfaltet sich die Fußgängerzone zu einem begrünten Raum. Die Stauden‐ und Gräser Pflanzungen, die Lebensraum für innerstädtische Bienen‐ und Insektenansiedlung bieten, sorgen für eine jahreszeitliche Dynamik im grünen Salon.
Entwässerung
Eine Entwässerungsrinne der Mitte der Fußgängerzone leitet Niederschlagswasser in Baumrigolen, entlastet dadurch das Kanalnetz und reduziert das Risiko der Überschwemmung. Das Wasser kann dort entweder versickern oder wird zwischengespeichert und funktioniert nach dem Prinzip der Schwammstadt. Der Baum nimmt Wasser auf, welches dann über die Blätter verdunstet. Dabei entsteht Verdunstungskälte, welche wirksam das Stadtklima kühlt. Die Leitungen werden größtenteils an ihren jetzigen Stellen beibehalten und in wenigen Bereichen z.B. in den Eingangszonen angepasst.
Beleuchtung
Der Fußgängerzone wird mit abgehängten Leuchten ausgeleuchtet, die sich zwischen den Fassaden aufspannt. Die besondere Atmosphäre des ‚Grünen Salons‘ wird über eine Anstrahlung der Baumkrone nächtlich inszeniert. Die Eingangsbereiche erhalten eine besondere Lichtinszenierung, indem das Fontänenfeld und die Auguste Victoria Statue sowie die Sitzelemente mit Effektbeleuchtung ausgeleuchtet werden. Sämtliche Lichtelemente werden insektenfreundlich mit Lichtintensitäten kleiner/ gleich 2800K ausgestattet.
Ausstattungskonzept
Ausstattungselemente werden unter der frei angeordneten Einzelbäumen untergebracht. Die Sitzelementen befinden sich neben den Spiel‐ und Wasserelementen und laden die Fußgänger zum Verweilen ein. Entsprechend der runden Geometrie werden die Sitzelemente rund und mal mit und mal ohne Rückenlehne gestaltet. Die Fahrradstellplätze und Abfallbehälter sind dezentral im Planungsgebiet verortet.
Ideenteil Trogemannstraße
Das Konzept sieht die Entstehung einer lebendigen Fußgängerverbindung mit einer Vielzahl von Spielund Aufenthaltsmöglichkeiten vor. Der einheitliche Bodenbelag der Fußgängerzone geht nahtlos in die Trogemannstraße über. In Anlehnung an die Gestaltung des Grünen Salons wird dieser Bereich mit kreisförmigen Grün‐ und Spielflächen bespielt. Die Amberbäume auf der Südseite der Trogemannstraße bleiben erhalten, werden aber mit größeren Baumscheiben versehen. Die abgehängten Leuchten unterstützt in den Abend‐ und Nachtstunden die angestrebte Verbindung‐ und Lenkungsfunktion vom Marktplatz zum Kaufland.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser konzipieren die umgestaltete Fußgängerzone als ‚Grünen Salon‘, in dem durch den Abbruch der Arkaden Raum für großzügige Baumpflanzungen, Spiel und Aufenthaltsbereiche entsteht. Diese kreisförmigen Flächen und Einbauten sind in lockeren Gruppen entlang der westlichen Straßenseite angeordnet. Die Arbeit bietet die Chance, dem Straßenraum ein neues, zeitgemäßes Gesicht zu geben. Das asymmetrische Straßenprofil wird allerdings auch kritisch diskutiert, da die angrenzende Bebauung, die Erdgeschossnutzungen und auch die Besonnung keine so starke Differenzierung nahelegen. Auch die Akzeptanz durch die Anlieger erscheint durch diese Setzung fraglich: die Vorbereiche auf der westlichen Seite sind durch Einbauten und Pflanzflächen in ihrer Nutzung und Aneignung durch Einzelhandel und Gastronomie eingeschränkt, die östliche Seite wirkt dagegen eher undifferenziert. Es entsteht eine räumliche Festlegung, die flexible Nutzungsoptionen in der Zukunft eher verbaut. Die klimatische Verbesserung des Stadtraums durch die zahlreichen Baumpflanzungen wird gewürdigt; das Entwässerungskonzept bleibt dagegen schematisch und kann in den Plänen nicht nachvollzogen werden. Auch die Fällung der nördlichen Baumreihe in der Trogemannstraße wird aus stadtklimatischen Gründen kritisch gesehen. Die durchgehende Pflasterung von Hauskante zu Hauskante schafft einen großzügigen Raumeindruck, wirkt jedoch beim Gestaltungsvorschlag zum südlichen Eingangsbereich eher undifferenziert. Der Fahrbereich wird gegenüber der Platzfläche nicht abgesetzt, was in der Regel zu nachträglichen Maßnahmen wie Poller o.ä. führt. Insgesamt bietet die Arbeit einen eigenständigen, modernen Gestaltungsansatz, der jedoch in Teilen etwas formal wirkt.