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Offener Wettbewerb | 04/2018

Universität Erfurt - Forschungsneubau „Weltbeziehungen“

Max-Weber-Allee Bibliotheksplatz

Max-Weber-Allee Bibliotheksplatz

Anerkennung

vautz mang architekten bda

Architektur

LUZ Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Transsolar Energietechnik GmbH

TGA-Fachplanung

Furche Geiger Zimmermann Tragwerksplaner GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Leitidee

Die neuen Gebäude schreiben die bestehende Hofstruktur fort unter Weiterentwicklung der vorhandenen Maßstäblichkeit und Formensprache:
die öffentlichen Bereiche bilden den Hof mit innen und außen vielfältigen Durchwegungen und Aufenthaltsorten, der Turm der Denkzellen ist durchzogen von einem spannungsvollen Wandelweg interner Kommunikationsräume und Ausblicke.


Die Stadt und die Universität – Städtebauliche Einfügung

Erfurt ist geprägt von der flachen Topografie des weiten Geratals in das sich die Stadt einbettet.
Die verschiedenen Stadtteile, von der Innenstadt bis zu den Plattenbausiedlungen am Stadtrand, sind jeweils definiert und gekennzeichnet durch eine Verdichtung von Hochpunkten, die von den umliegenden Hügeln und beim Durchqueren der Stadt wirken und sichtbar werden.
Zwei neue Hochpunkte verdichten im Sinne dieses städtebaulichen Grundmotivs die beiden bereits vorhandenen Hochpunkte der Universitäts- und Klinikumhochhäuser zu einer neuen Silhouette des Universitätsviertels innerhalb des vorhandenen städtebaulichen Maßstabs.

Das Universitätsareal besteht aus einer Abfolge und Addition verschiedener begrünter Höfe, ähnlich etwa klassisch-angelsächsischer Campusanlagen. Diese Höfe werden aus Gebäuden in sehr abwechslungsreicher Höhen- und Volumenentwicklung gebildet.
Einige der Höfe an den Rändern des Areals öffnen sich als dreiseitige Anlagen zu den angrenzenden Stadtquartieren oder dem Landschaftsraum.
Die neuen Gebäude bilden eine Fortschreibung der bestehenden Hofstruktur unter Weiterentwicklung der vorhandenen Maßstäblichkeit und Formensprache. Die Hofanlage öffnet sich nach Süden zur Baumwiese.


Das Haus – ruhige Zellen, ein Philosophenweg und Öffentlichkeit

Die Formensprache knüpft an die zeichenhaft wirkenden Gebäude der 60er-Jahre-Moderne an, die Teile des Universitätsareals prägen und entwickelt sie in zeitgenössischer Weise und mit aktuellen Materialien und Bautechniken weiter.
Die Gebäudeform reagiert auf die skulptural-solitären Gesten der beiden Neubauprojekte im Bereich der südlichen Erweiterung.
Das neue Gebäudeensemble bindet diese derzeit als Solitäre wirkenden Gebäude in die Hofstruktur der Campusanlage und die spannungsvolle Maßstäblichkeit der Bestandsbebauung ein.
Die Fassaden und der Baukörper machen die unterschiedlichen Bereiche und deren Anforderungen und Nutzungen von außen erfahrbar und in Teilen erlebbar.
Die Denkzellen als extrem introvertierte und individuelle Einheiten bilden den Hauptbestandteil des Gebäudes. Sie sind zu einem hohen Haus zusammengefasst und durchzogen von einem Wandelweg über die Ebenen des Gebäudes, in dem verschiedenste Kommunikationsorte und wechselnde Ausblicke einen abwechslungsreichen Weg bilden.
Die sehr kleinteilige Struktur des Raumprogramms der Denkzellen generiert dabei ein feingliedriges, und in seiner schmalen Proportionierung ungewöhnliches Gebäude.
Die skulptural-räumlich strukturierten Fassaden mit Denk-Erkern aus Metallpaneel-Fertigteilen zeigen diese Orte des Denkens, ebenso wie sich die offeneren Kommunikationsbereiche dazwischen abzeichnen.
Unter diesem der Reflexions- und der internen Kommunikation vorbehaltenen Bereich bilden die öffentlichen Nutzungen zwei Seiten des neuen Hofs. Sie bilden dabei innen und außen vielfältige öffentliche Durchwegungen und Aufenthaltsorte.
Die Erdgeschosszone wird dabei Teil des öffentlichen Raums und macht den Philosophenhof zu einem Ort des gemeinsamen Campuslebens und der internen und externen Kommunikation des Kollegs.
Im ersten Obergeschoss sind dabei die Räume spezifischer und eindeutiger auf die Lehre und Kommunikation der Forschungsthemen der Bereiche ausgerichtet.


Die Denkzellen – introvertiert und optimiert

Konzentriertes Arbeiten am Tisch, Nachdenken und Lesen im Sessel und schweifender Fernblick prägen die Denkzellen.
In den Raum eingearbeitete Holzmöbel bieten die erforderlichen Lager- und Organisationselemente und optimieren die Flächenausnutzung.
Das herausgeschobene und aus der Achse gedrehte Erkerelement mit integrierter Tischplatte schafft zusätzlich Raum, unterstützt die Privatheit und gibt jeder Person und ihrer Arbeit einen eigenen Rahmen.
Vor den Türen befinden sich individuelle magnetische Whiteboardflächen zur internen Darstellungen von Gedanken, Ideen und als Kommunikationsanstoß. Die Aufweitungen in den Fluren durch das Herausdrehen der Doppelräume schaffen Platz für informellen Austausch.


Der Aussenraum – Kommunikation und Entspannung

Der Hof wird durch verschiedene Kommunikations-, Entspannungs- und Kontemplationsorte sozial aktiviert:
Leise knirschender Kies, duftende Kräuter im Topfgarten, Seerosen und Kirschblüten, Nadelgeruch des Pinienwäldchen lassen die besondere Atmosphäre des Ortes entstehen.
In einem Feld mit dichtem Riesen-Chinaschilf verbirgt sich ein zum Himmel offener Raum – das Schilf lässt im Winter das Laub fallen und bleibt als vertikal-transparentes Element stehen, nach Rückschnitt im Frühjahr wird das Wachstum erlebbar, bis im Sommer die raumbildende Höhe wieder erreicht ist.
Das Feld ist in der Zeit bis zur Errichtung des weiteren Gebäudes größer und mit mehr Innenräumen ausgebildet, als veränderliche Raumkante des Hofes.
Großformatige Betonplatten bilden barrierefreie Wege im Kies.


Das Tragwerk – einfach und wirtschaftlich

Das Hochhaus ist mit einem einfachen wirtschaftlichen Tragraster von 5,00 auf 7,00 m konstruiert.
Das 1. Obergeschoss dient mit den als Träger wirkenden Außenwänden und Brüstungen als Abfanggeschoss, das die Kräfte in die scheinbar unabhängig von einer Tragstruktur im Erdgeschoss angeordneten Stahlbetonkerne einleitet.
Dadurch wird der vollständig durchlässig und frei eingeteilt wirkende, fließende Verbindungsraum zu den Präsentationsnutzungen und dem Hof ermöglicht.


Das Klima - hohe Effizienz und hoher Komfort

Durch eine gute Wärmedämmung der opaken Fassaden und mit einer sehr guten Verglasungsqualität (Dreifach-Wärmeschutzverglasung mit hoher Transmission für sichtbares Licht) werden Transmissionswärmeverluste reduziert, passiv solare Gewinne maximiert und die Tageslichtnutzung optimiert.
Bewegliche außenliegende Sonnenschutzeinrichtungen, in den Bürobereichen mit Tageslichtlenkung, sorgen für guten sommerlichen Wärmeschutz.
Besprechungsräume erhalten eine mechanische Lüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung und zugfreien Quellluftauslässen.
Für die Einzelbüros wird eine natürliche Fensterlüftung vorgeschlagen, die dem jeweiligen Nutzer individuelle Eingriffsmöglichkeiten gibt. Durch die Anordnung der Klappen und Spaltlüftungsöffnungen ist eine sommerliche Nachtluftauskühlung möglich (Regenschutz) und der winterliche Mindestluftaustausch gewährleistet.
Flächenheizung bzw. –kühlung über eine Bauteilaktivierung führt zu einem hohen Nutzerkomfort und, aufgrund der jeweiligen Temperaturniveaus, gleichzeitig zu einer hohen Energieeffizienz. Zusätzliche Heiz-/Kühldeckenpanels, erlauben einen individuelle Temperaturanpassung an die jeweiligen Nutzeranforderungen im Heiz- und Kühlfall.
Zur Wärmeversorgung wird eine Wärmepumpe vorgeschlagen, die den vorhanden Eisspeicher als Wärmequelle nutzt und die bei dem notwendigen niedrigen Temperaturniveau mit sehr hohen Jahresarbeitszahlen betrieben werden kann. Die sommerliche Bauteilkühlung soll hauptsächlich als freie Kühlung aus dem Eisspeicher erfolgen.
Photovoltaikmodule auf dem Dach erzeugen den Strom für die Wärmepumpe.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Einbindung in die Umgebung

Der Entwurf setzt eindeutige Schwerpunkte in der vertikalen und horizontalen Ausrichtung und orientiert sich damit an der zeichenhaft-orientierten 60er-Jahre Moderne, die Teile des Universitätscampus prägen. Er nimmt damit eine Kompletttypologie der klassische Moderne auf, akzentuiert und interpretiert gekonnt neu.
Es wird ein klarer Hochpunkt mit Denkzellen sowie einen Flachbau mit Foyer- und Seminarräumen gesetzt. Die Nutzung ist dabei sehr klar ablesbar.
Die beiden Gebäude bilden einen Hof, der sich nach Süden öffnet und vielfältige geschützte Aufenthaltsangebote bietet. Dieser ist wie selbstverständlich durch die Aufständerung des 9-Geschossers an den Platz vor der Universitätsbibliothek angebunden.
Der Endpunkt der Max-Weber-Allee als Hauptachse wir durch den 9-geschossigen Riegel signifikant akzentuiert. In seiner Nord-Südausrichtung komplettiert der Baukörper überzeugend die Hochpunkte im Nahumfeld.
Die Lage der optionalen Erweiterungsfläche wird jedoch hinterfragt.


Gestalterische und funktionale Qualität

Das Gebäude schafft in seiner städtebaulichen Figur und Ausformulierung einen hohen Wiedererkennungseffekt. Es spielt mit den Kontrasten von engen Denkzellen, fast klösterlich anmutend, und offenen Strukturen. Es setzt eindeutige Schwerpunkte, sowohl in der funktionalen als auch in der gestalterischen Ausformulierung. Die Fassadengestaltung mit den angebotenen Denkerkern wird gewürdigt, kann das Preisgericht jedoch nicht gänzlich überzeugen.
Die Leitidee von weltoffenen Begegnungsräumen und introvertierten Denkzellen wird sehr positiv bewertet, allerdings werden die Verbindungsräume/Schwellenräume vermisst.
Die Erdgeschosssituation weist zudem funktionale Defizite auf, da man erst in das 1. OG muss, um Ansprechpartner zu finden.
Die Präsentations- und Begegnungsbereiche im Flachbau scheinen unbelebt zu bleiben, da keine Verbindung zu den Denkzellen stattfindet. Die Anbindung der Sekretariate zum Tagungsbereich wird vermisst.
Die vorgeschlagenen fest eingebauten Möbel erlauben wenig Flexibilität in der Arbeitsplatzgestaltung und werden diskutiert, ebenso die äußert niedrige Raumhöhen in den Denkzellen.
Der Aufenthaltsbereich im 5. OG und die sich somit ergebende räumliche Öffnung wird sehr begrüßt.


Wirtschaftlichkeit

Das Projekt liegt deutlich über dem vorgegeben Kostenrahmen. Es gilt die Hochhausrichtlinie, wodurch zusätzliche Kosten zu erwarten sind.
Das Raumprogramm ist nicht vollständig nachgewiesen.


Fazit

Der Entwurf wurde im Preisgericht kontrovers diskutiert.
Er stellt jedoch insgesamt einen sehr eigenständigen Entwurfsansatz dar, verfolgt eine klare Architekturhaltung mit einem hohen Wiedererkennungswert und setzt gekonnt Schwerpunkte, die die Stadtsilhouette von Erfurt bereichern.
Städtebauliches Konzept

Städtebauliches Konzept

Ansicht West - Bibliotheksvorplatz

Ansicht West - Bibliotheksvorplatz

Ansicht Nord - Max-Weber-Allee

Ansicht Nord - Max-Weber-Allee

Schnitt - Philosophenweg

Schnitt - Philosophenweg

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschosse 01 und 02

Obergeschosse 01 und 02

Obergeschosse 03 - 05

Obergeschosse 03 - 05

Obergeschosse 06 - 08

Obergeschosse 06 - 08

Ansicht Ost - Philosophenhof

Ansicht Ost - Philosophenhof

Fassadendetails

Fassadendetails

Kollegforum

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