Einladungswettbewerb | 02/2025
Wohn- und Bürobebauung Franz-Josef-Strauß-Allee in Bonn
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Vogelperspektive
3. Preis
Preisgeld: 20.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Tragwerksplanung, Brandschutzplanung, Bauphysik
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Ausgangssituation und Zielsetzung
Das Wettbewerbsgebiet ist von markanten Gegensätzen geprägt: verkehrliche Infrastruktur, anbaufreie Zonen, kleinteilige Wohnbebauung und ein ausgedehnter Baumbestand treffen hier aufeinander. Ziel des Entwurfs ist es, diese Elemente zu einem harmonischen und zukunftsfähigen Quartier zu vereinen, das den Anforderungen an Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Funktionalität gerecht wird.
Leitfragen des Entwurfs
Drei zentrale Fragen leiten den Entwurfsprozess:
- Erhalt des prägenden Baumbestands – Wie können die wertvollen Grünstrukturen bewahrt und gleichzeitig eine sensible bauliche Entwicklung ermöglicht werden?
- Schaffung von Synergien zwischen Wohnen und Arbeiten – Wie lässt sich ein eigenständiges Milieu schaffen, das beide Nutzungen optimal miteinander verknüpft?
- Verträgliche Dichte – Wie kann eine wirtschaftliche und nachhaltige Bebauungsstruktur erreicht werden, die sich harmonisch in die bestehende Nachbarschaft einfügt?
Konzeptuelle Lösungen
Unsere Antworten auf diese Fragen werden in fünf zentralen Konzept-Schritten zusammengefasst:
- Einrücken: Das Zurücksetzen der Baukörper von der Hauptverkehrsstraße schafft Raum für einen puffernden Grünstreifen. Dieser dient als visuelle und akustische Barriere und bietet zugleich Möglichkeiten für urbane Biodiversität.
- Zwei Seiten: Das Konzept trennt und verbindet zugleich. Zur Allee hin entstehen repräsentative Fassaden und Eingänge, während die Quartiersinnenseiten geschützte und ruhige Aufenthaltsräume bieten. Dies schafft eine klare Dualität, die den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird.
- Höfe und Mulden: Zentral gelegene Höfe bieten Gemeinschaftsflächen und sozialen Austausch, während Grüne Mulden die Vernetzung des Grünraums darstellen.
- Lebendiges Quartier: Eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeitangeboten schafft ein vielseitiges Quartier.
- Topografie: Die natürliche Topografie des Geländes wird in das Entwurfskonzept integriert, um Höhenunterschiede funktional und gestalterisch zu nutzen.
Zusammenfassung
Der Entwurf setzt auf eine harmonische Integration in die bestehende Nachbarschaft, den Erhalt wertvoller Grünstrukturen und die Schaffung eines lebendigen Quartiers. Funktionale Synergien, differenzierte Dichte und nachhaltige Mobilitätskonzepte bilden die Grundlage für ein zukunftsfähiges Ensemble, das Vielseitigkeit zwischen Allee und Nachbarschaft vereint.
Baumbestand und Baufluchten
Durch die Orientierung an den ehemaligen Baufluchten der Bundesgarage und ein weiteres Zurückspringen in besonders engen Bereichen bleibt der charakteristische Baumbestand entlang der Franz-Josef-Strauß-Allee vollständig erhalten. Diese Herangehensweise respektiert die bestehende Vegetation als wichtigen Bestandteil des Quartierscharakters und bewahrt die ökologischen Qualitäten des Standorts.
Gliederung in zwei Seiten
Die Bebauung wird in eine geschlossene und eine offene Seite unterteilt: Die geschlossene Bebauung entlang der Hauptverkehrsstraße schützt das Quartier vor Verkehrslärm und schafft eine klare städtebauliche Kante zur Straße. Die offene Bebauung im rückwärtigen Bereich reagiert sensibel auf die angrenzenden Grünräume und die kleinteilige Struktur der Nachbarschaft.
Nachbarschaftshöfe und Mulden
Zwischen den beiden Baukörpern entstehen drei Nachbarschaftshöfe, die sich zu den grünen Mulden orientieren. Diese Mulden bieten nicht nur Raum für Baumpflanzungen, sondern tragen durch ihre Retentionsfunktion aktiv zur Klimaanpassung und Nachhaltigkeit bei. Integrierte Zisternen ermöglichen eine Regenwassernutzung und reduzieren den Versiegelungsgrad.
Mikro-Urbanität
Eine erdgeschossige Kantine im ersten Hofraum verbindet Büro- und Wohnbebauung. Ergänzt durch kleinteilige Gewerbeflächen entsteht eine belebte Erdgeschosszone, die Austausch und Interaktion fördert. Zusätzlich werden Gemeinschaftstreffs in den Gebäuden geschaffen, etwa für Co-Working, Nachbarschaftstreffen oder Veranstaltungen. Open-Air-Konferenzflächen bieten Raum für Austausch und Workshops im Freien. Spiel-, Sport- und Erholungsbereiche im Außenraum runden das Angebot ab. Fitnessgeräte, kleine Sportplätze, Spielplätze und Ruhebereiche fördern Begegnung und stärken die Quartiersgemeinschaft.
Topografie und Quartiersgarage
Der Höhenversprung im Gelände wird gezielt genutzt, um eine natürlich belüftete Quartiersgarage zu integrieren. Diese Lösung ist ressourcenschonend, wirtschaftlich und reduziert den sichtbaren Einfluss der technischen Infrastruktur auf das Quartier.
Rhythmisierung der Baumassen
Die horizontale und vertikale Gliederung der Baumassen schafft differenzierte Räume. Dabei wird darauf geachtet, keine parallelen Baufluchten mit der Nachbarbebauung entstehen zu lassen, um störende Blockwirkungen zu vermeiden. Die Rhythmisierung trägt zur Identitätsbildung und Orientierung im Quartier bei.
Autofreie Quartierserschließung
Die innere Erschließung erfolgt autofrei über ein Netz aus Sträßchen und Höfen. Fahrradabstellplätze in der Nähe der Hauseingänge und begrünte Wege schaffen ein angenehmes Wohnumfeld. Selbstverständlich sind die notwendigen Bewegungs- und Aufstellflächen für die Feuerwehr entwurflich integriert.
Erschließung und Infrastruktur
Die Franz-Josef-Strauß-Allee dient als Haupterschließung für motorisierten Individualverkehr sowie für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge. Eine Paketstation und Carsharing-Angebote fördern nachhaltige Mobilitätskonzepte und stärken die Alltagstauglichkeit des Quartiers.
Angemessene Adressbildung
Im Bereich der Büronutzung verbindet die Gestaltung die Höfe mit der Straßenseite. Eine repräsentative Gestaltung entlang der Franz-Josef-Strauß-Allee sorgt für eine adressbildende Wirkung und stärkt die Identität des Quartiers.
Realteilbarkeit
Die klare Trennung von Büro- und Wohnnutzungen in eigenständigen Bauteilen mit separaten Tiefgaragen und unabhängiger Ver- und Entsorgung garantiert Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Diese Realteilbarkeit ermöglicht eine nachhaltige und wirtschaftliche Entwicklung
Freiraumplanung
Die Landschaftsplanung für das Quartier integriert Elemente der bestehenden Umgebung und schafft neue Qualitäten für Bewohner und Nutzer:
- Vernetzung der Grünflächen: Bestehende Grünstrukturen werden integriert und durch neue, verbindende Grünachsen ergänzt, um ein zusammenhängendes ökologisches Netz zu schaffen.
- Grüne Mulden: Strategisch platzierte Mulden bieten nicht nur nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung, sondern schaffen auch attraktive Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität und reagieren auf die Nachbarbebauung
- Gemeinschaftshöfe: Zentral gelegene Höfe dienen als Treffpunkte und fördern die soziale Interaktion der Quartiersbewohner.
- Reduzierte Unterbauung: Eine minimierte Bodenversiegelung ermöglicht die Schaffung von Retentionsflächen und die Pflanzung größerer Bäume, die das Mikroklima positiv beeinflussen.
Geförderter Wohnungsbau
Der Entwurf sieht eine durchdachte Vielfalt an Wohntypologien vor, um die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen zu erfüllen.
- Geförderter Wohnungsbau: Ein wesentlicher Anteil der Wohneinheiten ist für sozialen Wohnungsbau vorgesehen, um eine heterogene und integrative Nachbarschaft zu fördern.
- Effiziente Erschließung: Die Verwendung der Vierspänner-Typologie sorgt für eine optimale Erschließung und trägt zur wirtschaftlichen Umsetzung bei.
- Einfache Kubatur: Die Baukörper sind in einer klaren und effizienten Formensprache gehalten, um die Baukosten zu minimieren und gleichzeitig eine hohe gestalterische Qualität zu erreichen.
- Orientierung nach Süden: Die Wohneinheiten sind vorwiegend nach Süden ausgerichtet, um optimale Lichtverhältnisse und eine hohe Wohnqualität zu gewährleisten.
Freifinanzierter Wohnungsbau
- Freifinanziertes Wohnen: Qualitätsvolle Wohnflächen werden im Park integriert und bieten gehobene Wohnqualität.
- Solitäre Baukörper: Die Baukörper stehen frei im Grünraum und ermöglichen eine intensive Verzahnung mit der Landschaft.
- Großzügige Loggien: Außenbezüge werden durch großzügige Loggien geschaffen, die eine hohe Aufenthaltsqualität bieten.
- Wohnungsmix: Ein durchdachter Mix aus großen und kleinen Wohnungen wird realisiert, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen.
Büro und Gewerbe
Die Gewerbeflächen sind flexibel gestaltbar und bieten Raum für verschiedene Nutzungen, von kleinen Start-ups bis hin zu etablierten Unternehmen.
- Büro als Entrée des Quartiers: Das Bürogebäude bildet den repräsentativen Zugang zum Quartier und vermittelt eine klare Adresse an der Franz-Josef-Strauß-Allee.
- Erschließung auf zwei Ebenen: Die Erschließung erfolgt sowohl im Erdgeschoss als auch über eine weitere Ebene, um die Zugänglichkeit und Nutzungsflexibilität zu maximieren.
- Einladendes Foyer: Ein großzügiges Foyer an der Franz-Josef-Strauß-Allee schafft eine klare Orientierung und dient als hochwertiger Empfangsbereich.
- Zwei Nutzungseinheiten: Auf allen Geschossen sind zwei unabhängige Nutzungseinheiten darstellbar, um unterschiedliche Anforderungen der Nutzer abzudecken.
- Café im Erdgeschoss: Richtung Osten ist ein Café integriert, das als zentraler Anlaufpunkt für das Quartier dient und zur Belebung der Erdgeschosszone beiträgt.
Mobilität
Ein zentraler Mobilitätshub im Bürogebäude bietet ein vielfältiges Mobilitätsangebot für das Quartier. Carsharing und Bikesharing sowie eine Fahrradgarage und Umkleidemöglichkeiten werden angeboten. Die Möglichkeit der Vorfahrt an der Franz-Josef-Strauß-Allee schafft eine herausragende Adresse für das Quartier.
Konstruktion
Die Konstruktion basiert auf einer ressourcenschonenden Bauweise mit hohem Vorfertigungsgrad und flexiblen Tragwerkslösungen. Massivbauweise bei Wohngebäuden gewährleistet optimalen Schallschutz, während Bürogebäude als Stahlbetonskelettkonstruktionen mit Holz-Beton-Verbunddecken ausgeführt werden. Recycelte Materialien und reduzierte Aussteifungselemente fördern Nachhaltigkeit und Installationsfreiheit. Die Tiefgarage ist durch Stahlbetonunterzüge flexibel an die darüber liegende Bebauung angepasst.
Brandschutz
Der Brandschutz wird durch klare Anleiterungsmöglichkeiten, abgestimmte Rettungswege und feuerwehrgerechte Aufstellflächen gewährleistet. Die Tiefgarage ist als geschlossene Großgarage konzipiert, mit Sicherheitsschleusen gemäß SBauVO und maximalen Rettungsweglängen von 30 m. Zusätzliche bauliche und organisatorische Maßnahmen sichern die Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen.
Fazit
Der Entwurf vereint städtebauliche Qualität mit ökologischer Verantwortung und sozialer Vielfalt. Durch den Erhalt von Grünstrukturen, die Integration nachhaltiger Mobilitätskonzepte und eine durchdachte bauliche Rhythmisierung entsteht ein lebendiges Quartier, das sowohl den heutigen als auch den zukünftigen Anforderungen gerecht wird. Das Projekt dient als Modell für nachhaltige Architektur und integrative Stadtentwicklung.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit überzeugt durch eine sorgfältige städtebauliche Setzung, die eine maßstäbliche Integration in die Umgebung ermöglicht. Besonders die mäandrierende Figur zur Straße sowie die polygonalen Baukörper zur Langenbachstraße erzeugen eine interessante räumliche Dynamik. Die drei Solitäre, die sich nicht im direkten Gegenüber zur Langenbachstraße befinden, schaffen eine spannungsreiche Komposition.
Der Freiraum ist gelungen und überzeugt mit einer guten Besonnung, klar gegliederten Bereichen und einer hohen Aufenthaltsqualität im Binnenraum. Positiv hervorzuheben ist zudem die Möglichkeit, den Baumbestand durch die Anordnung der Baukörper weitgehend zu erhalten, insbesondere durch das Abrücken der mäandrierenden Baukörper von der Franz-Josef-Strauß-Allee.
Im Erdgeschoss wird die Figur geschlossen, hier ist nicht klar, ob alleine die städtebauliche Konfiguration den erforderlichen Lärmschutz sicherstellt. Die aufgelockerte Bebauung in den Obergeschossen stellt ein gelungenes Mittel zur Aufwertung dar, wenngleich hier die Schallthematik ebenfalls berücksichtigt werden müsste.
Die architektonische Durcharbeitung bleibt hinter den städtebaulichen Qualitäten zurück: Während die Fassade eine gute Haltung zeigt, wirkt der architektonische Ausdruck insgesamt wenig ausgereift. Die Grundrisse erscheinen solide, jedoch ist die Flächeneffizienz gering, insbesondere durch lange und schematisch wirkende Flure. Eine besondere Herausforderung stellt die fehlende technische Infrastruktur dar, da die Technikgeschosse nicht vorgesehen sind.
Die Tiefgarage ist mit zwei Zu- und Ausfahrten angelegt, wobei eine Ausfahrt auf die Rampe der Franz-Josef-Strauß-Allee nicht möglich ist.
Insgesamt handelt es sich um einen städtebaulich gelungenen Entwurf, der durch seine durchdachte Struktur, den sensibel gestalteten Freiraum und die maßvolle Integration in die Umgebung überzeugt. Die architektonische Qualität und die funktionale Effizienz der Grundrisse können jedoch nicht vollständig überzeugen.
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten
Lageplan
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Perspektive Entree
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Abgabeplan 01
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Abgabeplan 02
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Abgabeplan 03
©caspar./Schellenberg + Bäumler Architekten/Paul Trakies
Abgabeplan 04