Nichtoffener Wettbewerb | 02/2020
Wohnen und Arbeiten in Moritzhöfen, Bayreuth
©StudioVlayStreeruwitz
Platzbucht am südlichen Hofmäander an der Leibnizstraße, 1. Bauabschnitt
2. Preis
Preisgeld: 11.000 EUR
Architektur, Stadtplanung / Städtebau
Erläuterungstext
GENIUS LOCI: WOHNEN UND GEWERBE IM BUMERANG
Das städtebauliche Potenzial der besonderen Lage des Areals im Bumerang des Leit- und Impulsprojekts Röhrenkaserne ist Ausgangspunkt für einen Genius Loci, der ein qualitätsvolles Miteinander von Wohnen und Gewerbe aus den Qualitäten des Standorts heraus entwickelt.
BUG ZWISCHEN URBAN UND GRÜN
Das trianguläre Areal fungiert als Bug, an dessen Nordspitze sich zwei unterschiedliche „Ströme“ nach Süden verzweigen: der grüne Ast der Peter-Rosegger-Strasse im Osten, der direkt an den attraktiven Aubacher Grünzug anknüpft; der städtische Ast der L.-Thoma-Straße im Westen, die zentrale Südverbindung im „Entwicklungs-Bumerang“.
„BEST OF“: BESONDERES PUZZLE-TEIL IM BUMERANG
Die einmalige Gelegenheit, ein gesamtes Puzzle-Stück im Bumerang koordiniert zu entwickeln, wird genutzt: das „Best Of“ der beeindruckenden, jedoch zugleich fragmentierten Vielfalt auf den umliegenden Puzzleteilen wird zu einem signifikanten Ensemble, einem neuen Miteinander zusammengefügt.
TYPOLOGISCHE SYNTHESE
Die hinter der bunten Koexistenz von Typologien und Nutzungen verborgenen Qualitäten werden synthetisch verarbeitet: Punkt- Riegel- und Hoftypen verschmelzen zu einem durchlässigen Ensemble aus offenen Hofmäandern und dem signifikanten Dreizinnenhaus an der Ludwig-Thoma-Straße. Städtebauliche Kohärenz mit Akzentsetzungen: Leithöhe 13 Meter (4 Geschosse) mit punktuellen Höhenakzenten bis max. 25 Meter.
NACHBARSCHAFTSTREFF IM OSTEN, STADTTREFF IM WESTEN!
Grüne Brücke mit Nachbarschaftsnutzungen
Die Peter-Rosegger-Straße wird als „grüne Brücke“ zwischen Rathenaustraße und dem historischen Grünzug am Aubach aktiviert. Die Längsparker weichen einem Fuß- und Radweg, die Mauer wird an 2 Stellen unterbrochen (großzügige Entrees in das Areal). Für Quartiersleben sorgen die hier angelagerten Nachbarschaftsnutzungen: Familien- und Quartierstreff mit KiTa, eine kleine Quartiersbühne sowie Einrichtungen für Kinder- und Jugendspiel.
Urbane Adresse an der Ludwig-Thoma Straße
Das Dreizinnenhaus bildet einen kontrapunktischen Abschluss nach Westen: ein straßenbegleitender Hybrid aus Park-, Gewerbe- und Wohnhaus mit kleinteiligen urbanen Nutzungen im Erdgeschoss, sowie einer attraktiven Passage mit Bushaltestelle und einer Bäckerei.
NUTZUNGSKONZEPT
Der städtebaulichen Differenzierung folgend – grüner Pol an der Peter-Rosegger-Straße, urbaner Pol an der Ludwig-Thoma-Straße – liegen die Quartiersnutzungen an der Peter-Rosegger-Straße im Erdgeschoss der Hof-Mäander (KiTa, Familien- und Quartierszentrum), während sich die Gewerbenutzungen und die Parkgarage im Dreizinnenhaus an der Ludwig-Thoma-Straße befinden: Verwaltungsgebäude, kleinteiliges Gewerbe im Erdgeschoss des Parkhauses (Bäckerei) und Wohnriegels im südlichen Bereichs. Angeregt wird eine Verlegung der Bushaltestelle in dem Erdgeschoss des Parkhauses, der hier durch das Split-Level-System der Garage überhöht ist.
ERSTER BAUABSCHNITT
Im Erdgeschoss an der Leibnizstraße wird das Einstreuen kleinteiliger Gewerbeeinheiten (z.B. Mikrobüros, Quartiersladen, Kleinhandwerk) vorgeschlagen. Sie sollen zu Belebung der Straße beitragen.
An der Platzbucht der Leibnizerstraße (1. Bauabschnitt) wird die Einrichtung einer kleinen Gemeinschaftsküche vorgeschlagen. Sie kann von den Bewohner*innen für Geburtstagsfeste, Obsternte-Feiern, sowie andere nachbarschaftliche Veranstaltungen genutzt werden und trägt zur Belebung der Leibnizerstraße bei.
PARKHAUS
Städtebauliche integriert in das Dreizinnenhaus; Minimieren der Gebäudefront und des oberirdischen Volumens durch effizientes Split-Level-Parken (insgesamt 4 oberirdische Geschosse mit einem Untergeschoss) Bespielung des Daches mit Sportnutzungen; im Erdgeschoss am Durchgang und an der Straße kleinteiliges Gewerbe (u.a. Bäcker, Mobility Point); vertikales Grün an der Fassade;
WOHNKONZEPT – DER HOFMÄANDER ALS BIOTOP VIELFÄLTIGEN WOHNENS
Die Kombination aus Riegel- und Punkttypen bietet ein breites Spektrum an Wohnqualitäten, das durch strukturelle „Kniffe“ angereichert wird:
1. Starke Ecken – soziale Nachhaltigkeit durch „Lange-Bleiben-Können“
Auf die spezielle Ausbildung der Eckanschlüsse zwischen Punkt und Riegel wurde ganz besonders Wert gelegt. Präzise definierte „Eck-Ausnehmungen“ ermöglichen spezielle Wohntypen, die aufgrund ihres Zuschnitts besonders hohe Anpassbarkeit aufweisen. Mit einem Pluszimmer (belichteter Abstellraum) und einem teilbaren Wohnzimmer können die Wohnungen auf Veränderungen im Lebenszyklus reagieren und zwingen die Bewohner*innen nicht zu einem Umzug.
2. Clustern von groß und klein
In den Punkthäusern sind Kleineinheiten so eingestreut, dass sie entweder zusammenschaltbar sind, oder mit einer angrenzenden Wohneinheit einen Generationen-Cluster bilden können.
3. Spänner und Punkte
Die Spänner- und Punkttypologie ermöglicht quasi ausschließlich zwei- und mehrfach orientiertes Wohnen (hohe Wohnqualität mit Klimaresilienz durch Querlüftung). Zusätzlich wird die Bewerkstelligung des 2. Rettungsweges für die Feuerwehr erleichtert.
PRIVATE FREIRÄUME
Balkonbänder mit „Loggiabuchten“ als diskreter Freiraumfilter an der Leibnizstraße, versetzte Balkone an den Türmen gliedern die Höhe; Balkontürme auf Stahlstützen als kleine begehbare Gartenzimmer an der Westfassade des Hofes; Gärten für die Wohnungen im Erdgeschoss.
FASSADE / OBERFLÄCHEN / DÄCHER
Putzfassaden auf Ziegelwänden mit einer subtilen Unterscheidung der Oberflächenstruktur: Rauhputz bei den Punkten, feingekörnter Putz bei den Riegelelementen. Die Farbgebung unterstreicht dezent die haptische Differenzierung (etwas hellerer Farbton bei den Hochpunkten).
Teilbereiche der 4-geschoßigen Riegel sind für gemeinschaftliche Nutzungen begehbar (Terrassen mit Urban Gardening)), intensive Begrünung auf den Riegeldächern, extensive Begrünung auf den Hochpunkten mit der Möglichkeit, eine PV-Anlage nachzurüsten.
MOBILITÄT
Die Binnenräume sind vollständig vom Autoverkehr freigehalten. Die Besucher*innenstellplätze für das Verwaltungsgebäude liegen direkt an der Ostseite des Hauses, die Zufahrt für die KiTa liegt an der buchtförmigen Ausweitung der Peter-Rosegger-Straße, gleich neben der an den Quartiersplatz angrenzenden Quartiersbühne, die geforderten Stellplätze für das Wohnquartier liegen ebenso an buchtförmigen Ausweitungen der angrenzenden Straßenräume.
Die Wohngarage (Zufahrt Leibnizstraße) zieht sich als unter den Hofmäandern durch das Areal, sodass eine direkte Anbindung an die einzelnen Hofmäander sowie ein direkter Zugang zu den unterirdischen Einlagerungsräumen gegeben ist. Optional ist eine zweite Einfahrt an der Ludwig-Thomastraße möglich).
Hoher Fahrradkomfort wird im Sinne eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes bereitgestellt. Vorgeschlagen werden kleine Mobilitätsstationen mit Lastenrad und Mikro-E-Mobilitätsangebot.
Im gesamten Quartier sind zumindest zwei Drittel der vorgeschriebenen Fahrradabstellplätze von außen gut zugänglich in das Erdgeschoss der Gebäude integriert (komfortable Erreichbarkeit). Der Rest wird oberirdisch in das Freiraumkonzept integriert. Im ersten Bauabschnitt wird die Integration einer kleinen Fahrradwerkstatt und die Bereitstellung eines Lastenrads vorgeschlagen.
FREIRAUMKONZEPT
Der Freiraum im „Triangle“ ist klar gegliedert. Neben der verkehrsdominierten Lage entlang der Ludwig-Thoma-Straße und der Peter-Rosegger-Straße schafft der Binnenraum besondere freiräumliche Qualitäten, die sich von außen nur erahnen lassen. Eine im Inneren des Bauplatzes eingebettete Durchwegung verbindet nicht nur die Höhenunterschiede miteinander, sondern auch den Norden und Süden des Quartiers, und damit sehr unterschiedliche atmosphärische Qualitäten. Ist der Norden geprägt durch einen hohen Öffentlichkeitsgrad (Sozialgericht, Hochgarage, Gewerbeflächen), besticht der Süden durch seinen ruhigen, durchgrünten und verspielten Charakter.
Dazwischen spannt sich das Ost-West gerichtete Belags/Platzband rund um das Quartiershaus. Das Belagsband im Schatten einer locker gepflanzten Allee wird zum Treffpunkt aller Generationen.
Brunnen, Wasserspiel und Nebeldüsen schaffen ein weiteres Nutzungsangebot und verbessern dabei zusätzlich das Mikroklima. Veranstaltungen im Quartiershaus können in den Freiraum erweitert werden.
Im Bereich des Sozialgerichts kann durch die Ausgliederung von Stellplätzen in die benachbarte Hochgarage, die Freiraumqualität deutlich erhöht werden. Dabei werden die Bestandsbäume und die Grünflächen weitgehend erhalten und durch ein neues Nutzungsangebot (Pausenangebot und Spielangebot) im Schatten der Großbäume ergänzt und vergrößert. Die geometrische Formensprache des Bestands wird beibehalten und nach Süden weitergeführt.
Der ruhige und durchgrünte Süden lebt von seinem kleinteiligen und ruhigen Charakter. Statt einer großen Spielfläche sind kleinere naturnahe Spielangebote in den Freiraum integriert. Ein heimisches und mehrstämmiges Gehölzangebot unterstützt den informellen und verspielten Charakter. Die Vielfältigen Freiraumsituationen laden den Bewohner ein, sich den Freiraum selbst zu erobern. Zahlreiche Aufenthaltsnischen unterstützen dabei individuelle Nutzungen.
Entlang der Peter-Rosegger-Straße bleibt in weiten Teilen die bestehende Mauer erhalten. Zwei Platzeinschnitte schaffen besondere Entrées in das Quartier. Eine verbesserte Aufenthalts- und Wohnqualität wird durch Entfall der Parkplatzreihe zu Gunsten eines Gehwegs erreicht.
Im Obergeschoss schafft eine Dachlandschaft eine zusätzliche Nutzungsebene. Auf dem Dach der Hochgarage steht ein Bewegungsangebot mit Sportflächen allen im Quartier wohnenden und tätigen zur Verfügung. Das Dach des benachbarten Gewerbebaus kann als Erweiterungsfläche für Besprechungen oder die Mittagspause genutzt werden. Die wohnbezogenen Dachgärten im Süden des Bauplatzes stärken die Hausgemeinschaft durch das gemeinschaftsbildende Angebot an „Urban Gardening“ und Kinderspielmöglichkeiten.
KONSTRUKTION
Tragende Außenwände aus Ziegel (z.B. ThermaPlan System), sowie tragende Längs- bzw. Kernwände bei den Punkt- und Riegelelementen ermöglichen langfristig eine hohe Adaptierbarkeit bei gleichzeitig wirtschaftlicher Bauweise (Deckenspannweiten zwischen 4,50 und 6,00 Meter / Elementdecken).
GEBÄUDETECHNIK
Die Wärmeverteilung im Gebäude erfolgt über eine zentral gelegene Technikzentrale. Von hier aus erfolgt die Verteilung ins Gebäude auf Niedertemperaturbasis über Fußbodenheizung. Es wird in allen Räumen ausgenommen den Abstellräumen eine Fußbodenheizung ausgeführt. Die WCs, Vorräume, Flure werden zu einem Regelkreis zusammengefasst und Wohnküchen; Zimmer und weitere Aufenthaltsräume sind jeweils ein Regelkreis. Ebenfalls vom Nahwärmenetz aus erfolgt die Bereitstellung von Wärme für die Trinkwassererwärmung. Mittels Wohnungsstationen wird unter Berücksichtigung der Trinkwasserverordnung legionellenfreies Trinkwasser kalt und warm zur Verfügung gestellt.
Die durchgesteckten bzw. mehrfach orientierten Wohnungen sorgen für eine gute natürliche Querdurchlüftung. Zusätzlich wird ein einfaches, energiesparendes Lüftungs-System mit einem zentralen Lüftungsgerät auf dem Dach und feuchte- und luftmengenregelten Abluftelementen in den Wohnungen empfohlen. Auf diese Weise werden hohe Investitions- und Wartungskosten vermieden. Darüber hinaus ist – anders als bei dezentralen Lüftungselementen in den Wohnungen – mit einer hohen Akzeptanz der Bewohner zu rechnen.
Die Tiefgarage ist in Abstimmung mit dem Brandschutzkonzept natürlich belüftet (keine mechanische Lüftung). Die Möglichkeit einer Eigenstromversorgung (Errichtung von PV Anlagen) wird durch das Bereitstellen von Schächten vorbereitet, um eine spätere Nachrüstung zu ermöglichen (insbesondere hinsichtlich der Option einer künftigen Nutzung der Fußbodenheizung als Kühlung durch ein Wärmetauschsystem).
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Quartiersplatz, als breite Traverse zwischen Ludwig-Thoma-Straße und Peter-Rosegger-Straße kann kaum überzeugen, da die räumliche Fassung zu wünschen übrig lässt und nur wenig gestalterische Aussagen gemacht wurden. Positiv bewertet wird die detailliert herausgearbeitete und differenzierte Freifläche, die den südlichen Bereich der Wohnbebauung durchfließt. Hier werden ansprechende Räume und Rückzugsbereiche mit attraktiver Atmosphäre geschaffen. Positiv stellt sich die spannungsvolle Höhenstaffelung der Baukörper dar.
Überzeugend ist die Öffnung des Quartiers mit Grün- und Freibereich hin zur Peter-Rosegger-Straße und mit der gegenüberliegenden Bestandsbebauung. Der Hochpunkt als nördlicher Abschluss der Wohnbebauung in der Nähe des Gerichtsgebäudes wird kritisch gesehen.
Die Qualität der Freianlagen wird durch autofreie Durchwegung unterstrichen. Ungeklärt ist die Tiefgaragenzufahrt von der Ludwig-Thoma-Straße. Eine Realisierung des 4. Bauabschnittes ist derzeit nicht absehbar. Mithin fehlt auf Sicht ein guter Abschluss an der Ecke Ludwig-Thoma-Straße/Leibnizstraße.
Die Erschließung der Wohnungen ist effizient. Die Grundrisse sind durchdacht organisiert. Die zum Teil großen Abstellflächen/-bereiche überzeugen jedoch nicht.
Das Preisgericht lobt einen spannenden Zugang zum Thema Quartiersentwicklung. Es gelingt eine eigenständige Lösung, die inspiriert, aber in verschiedenen Punkten Fragen aufwirft.
©Carla Lo Landschaftsarchitektur & VLST
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buchtförmige Ausweitungen tragen zur Belebung der Leibnizstraße bei - Balkonband mit Loggien schafft geschützte Freiräume
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Modell
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Die Puzzleteile des Bumerangs
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Wohnungs und Nutzungseinheiten
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Lageplan
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Erdgeschoß Vertiefungsbereich Bauabschnitt 1
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Obergeschoß Vertiefungsbereich Bauabschnitt 1
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Schnitt
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Schnitt
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Fassade Schnittansicht
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BUG AM BUMERANG Plakat 1
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BUG AM BUMERANG Plakat 2
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BUG AM BUMERANG Plakat 3