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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2013

Wohngebiet Bierstadt-Nord

2. Preis

Preisgeld: 23.000 EUR

DEWEY MULLER Partnerschaft mbB Architekten Stadtplaner

Architektur

Förder Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

1) Übergeordnete Idee

Das vorgefundene Muster der Feldwege und Ackerparzellen bildet das Grundgerüst des städtebaulichen Entwurfs. Auf diesem Landschaftsbild aufbauend, werden im Zuge der Siedlungserweiterung die Ackerbaufelder zu Wohnbaufeldern. Die beiden vorhandenen Streuobstwiesen werden als Relikte der bisherigen Kulturlandschaft in das neue Muster der Baufelder übernommen. Das Biotop im Westen, nördlich der geplanten Erschließung, verdeutlicht als Auftakt die grundlegende Gestaltungsidee. Die Integration von Kinderspiel im Bestand macht diese Orte im Alltag spielerisch erlebbar. Ebenso bleibt die von Norden nach Süden verlaufende natürliche Mulde erhalten und wird als zentraler Grünzug zum Rückgrat des künftigen Wohnquartiers.

2) Städtebauliche und freiraumplanerische Gestaltung und Einbindung

Dem Bild der vorhandenen Kulturlandschaft folgend, werden die Baufelder zu eigenständigen Nachbarschaften mit unterschiedlichen Wohnungstypologien entwickelt, vergleichbar mit der unterschiedlichen Nutzung landwirtschaftlicher Parzellen. Dabei nimmt die Dichte von der Mitte her zu den Rändern im Osten und Westen ab.

Die Einbindung in das bestehende Wohnumfeld und die landschaftliche Umgebung ist vielfältig. Der zentrale Grünzug weitet sich nach Süden zwischen Wittenberger und Eisenacher Straße und bezieht den angrenzenden Wohnungsbestand mit ein. Die Haupterschließungen von Süden (Eisenacher Straße) und von Westen (Anschluss B455) münden in den neuen zentralen Platz, der zur gemeinsamen Mitte wird. Um den Platz konzentriert sich der größere Teil der Geschosswohnungen. Hier halten auch die Buslinien, die zukünftig ins Gebiet führen sollen.

Die nach Süden orientierten Erdgeschosszonen am Platz bieten Potenzial für öffentliche Nutzungen (Bürgertreff, Café, Altenstube usw.) sowie Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote, die auch von der schon ansässigen Bewohnerschaft genutzt werden können – so wie umgekehrt die bestehenden Infrastrukturen für die Bewohner des neuen Quartiers gut erreichbar sind. Im Südosten des Plangebiets, unmittelbar angrenzend an das bestehende Wohngebiet, bilden beidseits der Eisenacher Straße die Angebote für Jugendaktivitäten und die Kindertagesstätte ein weiteres wichtiges Scharnier zwischen Bestand und Neubaugebiet.

Der zentrale Grünzug ist das verbindende Element und bietet Erholungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen. Bei der Wahl der Pflanzen wurde darauf geachtet, dass diese nicht den Kaltluftfluss behindern, damit einer weiteren Erwärmung des Bierstädter Klimas entgegengewirkt wird. Durch das Regenwasserkonzept kann der Grünzug frei von großflächigen Regenwasserrückhaltebecken gehalten werden, um den Anwohnern mehr nutzbaren Freiraum zur Verfügung zu stellen. An zentralen Orten, im Bereich der westlichen Streuobstwiese, südlich im Grünzug sowie am Rand des Grünzugs werden Retentionsflächen als wechselfeuchte Rudelstandorte ausgebildet, welche den ländlichen Charakter unterstreichen.

3) Quartiersbildung

Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Feldwege markieren vier Quartiere:

Das Quartier im Westen mit drei Nachbarschaften aus Reihen- und Doppelhäusern und mit Geschosswohnungen im Übergang zu den bestehenden Mehrfamilienhäusern:
Den Schwerpunkt bildet kostengünstiges Familienwohnen mit dezentralem Parken.

Das Quartier am Grünzug mit verschiedenen Typologien besonderer Wohnformen:
Aufgrund der Nähe zum zentralen Grünzug sind die privaten Freiflächen reduziert. Die Westseite des Grünzugs bilden Wohnhöfe auf angehobenen Schollen, die Ostseite wird von Parkvillen mit Maisonettewohnungen bzw. „Stadthäusern“ mit eigenem Hauseingang sowie mit Garten und Dachterrasse gefasst.

Das Quartier im Zentrum mit der Kindertagesstätte und mit den Geschosswohnungen, öffentlichen Nutzungen sowie Nahversorgungs- und Dienstleistungsangeboten am
zentralen Platz: Der Geschosswohnungsbau wird von Reihenhäusern arrondiert. Weitere besondere Einfamilienhausformen gruppieren sich um die bestehende Streuobstwiese.

Das Quartier im Osten mit vier Nachbarschaften aus Reihen- und Doppelhäusern sowie freistehenden Einfamilienhäusern: Aufgrund der Unterbringung der Stellplätze in Tiefgaragen werden die Wohnwege zu autofreien Spielbereichen.

Jedes dieser Quartiere weist eine ausgewogene Mischung unterschiedlicher Grundstücksgrößen, Wohnformen und entsprechender Zielgruppen auf, setzt aber auch eigene Schwerpunkte.

4) Gebäude- und Wohnungstypologie

Die Verteilung der verschiedenen Wohnformen folgt drei Prinzipien:

- Besondere Wohnformen werden zu den öffentlichen Freiräumen orientiert.
- Klassische Wohnformen prägen die Ränder des Gebiets.
- Verdichtung mit Geschosswohnungsbau am zentralen Platz und im Übergang zum Bestand.

Die Grundtypologie des neuen Wohngebiets besteht aus Reihenhäusern, Doppelhäusern und einem Anteil freistehender Einfamilienhäuser. Sie prägt die Quartiere im Westen und im Osten. In dem westlichen Quartier parken die privaten PKW auf den Grundstücken und auf Sammelstellplätzen. In dem östlichen Quartier sind gemeinschaftliche Tiefgaragen geplant, die sich gut in die Hanglage des Gebiets einfügen und wirtschaftlich herstellen lassen. Die Vorteile für den öffentlichen Raum und für die Nutzung der privaten Freiflächen liegen auf der Hand. Dennoch sind im Hinblick auf unterschiedliche Zielgruppen und Kosten beide Möglichkeiten dargestellt.

Die Typologie am östlichen Rand des Grünzugs und an der vorhandenen Obstwiese besteht aus freistehenden Parkvillen mit je 4 Wohneinheiten. Die Einheiten sind als „Stadthäuser“ konzipiert, die jeweils ihren eigenen Eingang von außen haben und über einen eigenen Garten oder eine Dachterrasse verfügen. Je 2 bis 3 Parkvillen teilen sich eine Tiefgarage. Diese Hausgruppen eignen sich auch für eine Realisierung durch Baugemeinschaften, da sie sehr flexibel im Hinblick auf individuelle Wohnungsgrößen und Wohnungszuschnitte sind.

Am westlichen Rand des Grünzugs bilden Reihen- und Doppelhäuser mehrere Wohnhöfe, die wie Schollen in den Grünzug ragen. Die größeren Wohnhöfe haben jeweils eine Tiefgarage, bei den kleineren Höfen sind die Stellplätze oberirdisch auf dem Grundstück angeordnet. Auch einzelne Wohnhöfe eigenen sich gut für gemeinschaftliche Wohnprojekte.

5) Erschließung

Die Eisenacher und Wittenberger Straße führen von Süden in das geplante Baugebiet. Sie bilden zusammen mit dem geplanten Anschluss an die Nauroder Straße (B455) den primären, zentralen Erschließungsring für die Neubebauung. Von dem zentralen Erschließungsring ausgehend werden nach Norden führend die drei inneren vorhandenen Feldwege zu Wohnstraßen als sekundäre Erschließung ausgebaut. Die tertiäre Erschließung bilden Wohnwege, die jeweils einer Nachbarschaft zugeordnet sind. Dementsprechend niedrig ist das Verkehrsaufkommen. Wo die Nachbarschaften über gemeinsame Tiefgaragen verfügen, dienen die Wohnwege nur der Anlieferung und können als autofreie Spielflächen gestaltet und genutzt werden. Am Ende weiten sich die Wege zu kleinen Plätzen auf, die weitere Identifikationspunkte für die Nachbarschaften bilden.

6) Grünvernetzung

Das Pflanzkonzept baut konsequent auf dem System der Kulturlandschaft auf und stützt das Erschließungskonzept. Die Nord-Süd-Achsen werden durch dicht bepflanzte Hainbuchenriegel betont, während sich die Ost-West verlaufenden Wohnwege durch die Verwendung der Mehlbeere markant abheben. Indem die Hainbuchenriegel über die Baugrenze hinweg in die Umgebung geführt werden entstehen weitere Verknüpfungen.



Innerhalb des Grünzugs wird durch die Verwendung von Kirschen, Äpfeln und Birnen ebenfalls das Bild einer Streuobstwiese vermittelt. Die Birnen, als auffälligste Baumart, markieren wichtige Punkte innerhalb des Grünzugs, während die Kirschen und Äpfel als Begleitgrün dienen.

Den Auftakt nach Norden bilden kleine Plätze als transitorische Räume, um den Übergang zwischen Siedlung und Landschaft zu verdeutlichen. An diesen Orten werden die Bestandsbäume erhalten und in das Konzept integriert. Die Abgrenzung zur freien Landschaft nach Norden erfolgt durch Obstwiesen.

7) Regenwasserrückhaltung

Anknüpfend an den Grundgedanken der entwässerungstechnischen Grundsatzplanung wird die Idee der semizentralen Regenwasserrückhaltung konsequent aufgegriffen und zu Ende gedacht. Vornehmlich unter den Straßen wird das Regenwasser in Rigolen und mittels Bodenaustausch versickerungsfähigen Schichten zugeführt. Dieses Konzept hat oberste Priorität. Dies hat die prinzipiellen Vorteile langfristiger Kostenersparnisse durch entfallene Anschlussgebühren, bietet einen Gewinn an nutzbarer Fläche im Grünzug, größere Verkehrssicherheit für Kinder und Jugendliche sowie eine Entlastung des Bierstädter Kanalnetzes. Falls spätere Untersuchungen dazu kommen sollten, dass selbst nach einem Bodenaustausch und durch das Anbinden der Rigole in tiefere Bodenschichten keine Versickerung möglich ist, können die Staukanäle als Regenrückhaltung verwendet und das Regenwasser zeitverzögert dem Kanalnetz zugeführt werden.

An den Rändern des Grünzugs und an zwei prägnanten Stellen wird als Zitat an das bestehende Landschaftsbild ein Teil des Wassers oberirdisch zurückgehalten. Neben ökologisch wertvollen Nischen in wechselfeuchten Bereichen ergibt sich so ein vermittelndes Element zwischen Siedlungsbereich und Kulturlandschaft.

8) Spielkonzept

Der zentrale Spiel- und Aufenthaltsbereich für Kinder und Jugendliche liegt im südlichen Zipfel des Grünzugs und ist so auch für Nutzer aus den angrenzenden Quartieren leicht erreichbar. Neben dem zentralen Spielbereich, mit Bolzplatz und Bauwagen, gibt es weitere Spielmöglichkeiten innerhalb des Quartiers auf den bestehenden Streuobstwiesen.

9) Stufenweise Realisierung

Es wird vorgeschlagen, die Maßnahme in der 1. Phase mit der Bebauung an der verlängerten Wittenberger Straße südlich der neuen Gebietszufahrt und mit der Bebauung um den zentralen Platz sowie an der verlängerten Eisenacher Straße zu beginnen. Somit wird schon zu Beginn die Beziehung zu dem bestehenden Wohngebiet hergestellt. Die beiden Bereiche können auch zeitversetzt, also unabhängig voneinander realisiert werden.

Möglichst frühzeitig – wenn nicht in der ersten, so doch in der 2. Phase – sollte der zentrale Grünzug angelegt werden. Dies trägt wesentlich zur Adressbildung und Attraktivität des neuen Wohngebiets schon während der Realisierung bei.

In der 3. Phase werden – gegebenenfalls auch zeitversetzt – für die Quartiere im Osten und im Zentrum die nördlichen Flächen entwickelt. Die 4. Phase umfasst das Quartier im Westen. Die Baustellenzufahrten der 3. und 4. Phase sollten über die Feldwege am östlichen und westlichen Rand des Plangebiets hergestellt werden, damit Beeinträchtigungen für die bereits realisierten Bauabschnitte möglichst gering bleiben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Figur geht sensibel mit den vorgefundenen Elementen und Richtungen des Standortes um. Die Breite der Baufelder und damit das Raster der Nord-Süd-Erschließung übernehmen den Rhythmus der Feldwege aus der alten Kulturlandschaft und verlängern sie auf diese Weise in das Gebiet und in den Ort. Kleine Entrée-Plätze verknüpfen am Nordrand die Landschaft mit der Siedlung mit einfachen räumlichen Mitteln.

Besonders überzeugen kann der dreieckig geformte Freiraum als Übergang zum Bestand. Das neue Gebiet wird so mit dem bestehenden Quartier im Süden über einen nutzbaren Freiraum verbunden. In Nachbarschaft der Kita entsteht ein Begegnungsbereich für die neuen und alten Bewohner. Die grüne Mitte selbst als neutrale frei bespielbare Wiesenfläche ohne größere Einbauten zu gestalten, wird ausdrücklich begrüßt. Kita und Bolzplatz liegen im Süden des Parks aber seitlich der Frischluftschneise richtig. Der neue Quartiersplatz, als Gelenk leicht gedreht zwischen den Quartieren, der gleichzeitig in die Eisenacher Straße und damit in den Ort verweist, wird vom Preisgericht als besonders gelungener städtebaulicher Beitrag gewürdigt.

Es werden vier Quartiere unterschiedlicher Prägung mit hoher Wohnqualität für unterschiedliche Wohnformen angeboten. Es gelingt, eine vielfältige Mischung von Wohnlagen, Dichten und Typologien zu schaffen, die hohe Qualität verspricht. Besonders die im Westen an die Grünfläche angrenzenden Wohnhöfe werden positiv bewertet.

Die Versickerung der Rigolen unter den Straßen ist nicht möglich. Geeignete Flächen für eine Ableitung des Regenwassers zu Rückhaltemulden in der Grünfläche wären jedoch vorhanden. Die Biotope bleiben erhalten und dienen der Adressbildung der Quartiere.

Die Dimensionierung des Profils der östlichen Straßenanbindung ist zu gering, gleiches gilt für die nur 6 m breiten Wohnwege. Beides wäre jedoch problemlos „heilbar“.

Positiv bewertet wird der vergleichsweise hohe Anteil an Nettobauland. Der große Anteil an Geschosswohnungsbau wird dagegen kritisch gesehen. Ebenso das Parken in Tiefgaragen als weitgehend durchgängiges Prinzip im östlichen Bereich.

Die Arbeit ist ausgesprochen präzise und detailliert durchgearbeitet. Der Entwurf ist einerseits städtebaulich schlüssig und überzeugt als anspruchsvolles Raumgefüge. Zugleich bleibt die Struktur andererseits robust und offen für spätere Veränderungen.
Gestaltungsplan

Gestaltungsplan

Blick von der Querstraße in Nordwestliche Richtung

Blick von der Querstraße in Nordwestliche Richtung

Vertiefungsbereich

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Typologiestudien

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Typoligiestudien

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