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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Wohnungsbau auf dem ehemaligen Areal der Vinzenz-Pallotti-Schule in Friedberg (Bayern)

Blick auf den Anger

Blick auf den Anger

1. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

NUWELA Büro für Städtebau und Landschaftsarchitektur

Stadtplanung / Städtebau, Landschaftsarchitektur

Westner Schührer Zöhrer Architekten und Stadtplaner PartGmbB

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Städtebauliches Gesamtkonzept
ein lebendiges Wohnquartier mit ergänzenden Nutzungen für vielfältige Lebensentwürfe

Mit der geplanten Maßnahme der Quartiersentwicklung auf dem ehemaligen Areal der Vinzenz-Pallotti-Schule ergibt sich für die Stadt Friedberg die Chance, ein kompaktes Wohnquartier mit wertvollen und strukturreichen Freiräumen samt ergänzenden Nutzungen zu entwickeln. Das Areal besticht durch eine außerordentliche Lagegunst: Neben der Nähe zum Stadtkern (Versorgungseinrichtungen, Kultur und Gastronomie) und dem unmittelbaren Zugang in die umgebende freie Landschaft (Freizeit und Erholung) ist auch der Bahnhof Friedberg mit vielfältigen Mobilitätsangeboten in wenigen Minuten fußläufig erreichbar.
Dementsprechend entsteht ein Quartier, das neue Arten und Formen des verdichteten Wohnens, des Arbeitens und des Zusammenkommens mit klassischen Konzepten kombiniert; ein Referenzbeispiel für den Siedlungsum- und -weiterbau hin zu kompakteren Strukturen, die neben der ökologisch-nachhaltigen Verpflichtung zur Flächeneinsparung vor allem Mehrwerte an öffentlichem Raum, kurzen Wegen, sozialen Treffpunkten, Möglichkeiten zur Teilhabe und wohnortnahen Arbeitens bieten.
Der vorliegende Entwurf schafft unabhängig und flexibel entwickelbare Baufelder, die mit einem Mix an typologischen Bausteinen vielfältigsten Wohnansprüchen hochqualitativen Wohnraum sowie ruhige, offen gestaltete Gartenhöfe anbieten. (Siehe Abb. ‚Konzept grüne Gartenhöfe‘) Die Baufelder gruppieren sich spannungsvoll um das lebendige Herzstück des Quartiers: die vielfältige und adressbildende Mitte um den Anger samt kleineren Treffpunkten mit aktiven Erdgeschosslagen. (Siehe Abb. ‚Konzept öffentliche Quartiersmitte‘)

Freiraum
Grüne Rückzugsorte, gemeinsame Gartenhöfe und eine belebte Mitte

Ziel des Entwurfs ist es, im Einklang mit den baulichen Setzungen einen strukturreichen Freiraum mit vielfältigen Aneignungs- und Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen, der gleichzeitig durch seine intensive Durchgrünung und den geringen Versiegelungsgrad höchsten Ansprüchen an Ökologie und Nachhaltigkeit genügt. Prägende Elemente des Freiraumgerüsts sind allen voran die zentrale, öffentliche Mitte um den grünen Anger. Die Mitte ist von sämtlichen Baufeldern aus gut erreichbar und schließt an wichtige Anknüpfungspunkte im umgebenden Kontext an und lädt auch die Umgebung zur Teilhabe ein. Die robuste Grünfläche bietet Raum zum Spielen, Toben, Sporttreiben und Treffen. Rund um den Pavillon entsteht eine aneigenbare Fläche als niederschwelliger Treffpunkt. Obstbäume säumen die Mitte. An gut adressierten baulichen Ecksituationen bespielen aktive Erdgeschossnutzungen (bspw. Co-Working, Nachbarschaftstreff/-cafe oder mobility-sharing Angebote) den öffentlichen Raum.
Die gärtnerisch geprägten, vom motorisierten Verkehr frei gehaltenen (Wohn-)Höfe bieten optimale Voraussetzungen für ein naturnah gestaltetes Wohnumfeld. Hier entstehen Orte des Rückzugs und der Privatheit gleichermaßen wie halböffentliche Gemeinschaftsbereiche für Kinderspiel und nachbarschaftlichen Austausch. Dabei kann durch einen weitgehenden Erhalt bestehender Vegetation ein von Anfang an durchgrüntes Quartier garantiert werden.

Nachhaltigkeitsansatz
grün-blaue Infrastruktur im Freiraum, geringe Versiegelung und das Bekenntnis zum Holzbau

Der städtebauliche Vorschlag verfolgt ein nachhaltiges Gesamtkonzept, das vom strukturreichen und naturnahen Grünraum über die kompakte, flächensparende Erschliessung bis hin zum Gebäude samt Energiegewinnung reicht.
Dezentral im Quartier angeordnete Feuchtstandorte rüsten die Nachbarschaft für zukünftige und aktuelle Anforderungen im Umgang mit anfallendem Niederschlagswasser. Bei Starkregenereignissen bietet der Angerbereich durch die topografische Absenkung von 0,5m ein zusätzliches Wasserrückhaltevolumen von 500 m3. Sämtliche Beläge werden wasserdurchlässig ausgebildet.
Die flach geneigten Satteldächer werden mit integrierten PV-Modulen vorgeschlagen. Optional kann über die im Untergeschoss der Quartiersgarage angeordnete Energiezentrale ein lokales Netzwerk etabliert werden. Anfallendes Niederschlagswasser der Dachflächen wird in Zisternen gesammelt und als Brauchwasser wiederverwendet. Die Gebäude bieten durchgehend optimale Voraussetzung für Holzbauweise.

Erschließung und Verkehr
ein weitgehend autofreies Quartier

Das Quartier wird von der Wiffertshauser Straße im Norden und der Singerstraße im Süden erschlossen. Die verkehrsberuhigte (‚shared space‘) Quartiersstraße durchquert das Areal von Nord nach Süd. Quartiersintern wird der Langsamverkehr priorisiert und möglicher Schleichverkehr durch die Verkehrsführung am Anger verhindert. An den Zufahrten wird der ruhende Verkehr in Quartiersgaragen / Mobilitätshub abgefangen, wodurch ein weitgehend autofreies Quartier entsteht. Zur Mitte hin erhalten die Garagen ein aktives Erdgeschoß, bspw. durch eine Fahrradwerkstatt inkl. Lastenfahrrad-sharing. Über die zentralen Bereiche erfolgt eine gut orientierbare und effiziente Adressbildung. Die Wohnhöfe bleiben komplett vom Verkehr befreit und können entsprechend intensiv durchgrünt werden.

Typologien und Baukultureller Ansatz ‚Einfach Bauen‘
nachhaltiges, flächensparendes Bauen mit dem Fokus auf gemeinschaftlichen Freiräumen

Der Entwurf schlägt eine einfache Auswahl unterschiedlicher Satteldachbauten von II bis III Geschossen, teilweise inklusive ausgebautem Dachgeschoss vor, die in der weiteren Planung ein hohes Maß an Resilienz garantieren. So können veränderte Bedarfe bspw. an Wohnformen- und -größen bei Beibehaltung des städtebaulichen Grundgerüsts gut integriert werden.
Das vielfältige Wohnangebot wird über kompakte 3- bis 4-Spänner erschlossen. Die Quartiersgaragen werden als Holzbau vorgeschlagen. Als Referenz kann hier das Holzparkhaus in Bad Aibling von Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH herangezogen werden.
Das Quartier bietet in der weiteren Entwicklung die Chance, Vorbildcharakter für gutes und nachhaltiges Bauen zu erlangen. Die städtebaulichen Kubaturen sind einfach strukturiert, wodurch beste Voraussetzungen für Holzbauweise und Einfaches Bauen geschaffen werden. In Kubatur und Dachform fügt sich das Quartier selbstverständlich in den umgebenden Kontext ein und schafft doch einen angemessenen Vorschlag zur Verdichtung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept wird durch einen attraktiven und gut dimensionierten Anger geprägt. Bedingt durch seine Nord-Süd-Ausrichtung ist er als baumüberstandene Klimainsel auf kurzem Wege erreichbar und nimmt die wesentlichen Funktionen des öffentlichen Raums auf – einen Quartiersplatz, Spielflächen, Bürgergarten und Treffpunkt. Unversiegelt und abgesenkt dient der Anger auch der Retention, ist klimaanpassungsfähig und -wirksam. Die zentrale Quartiersstraße führt an diesem multivalenten Freiraum vorbei und verbindet die jeweils am nördlichen und südlichen Ende angeordneten Quartiersgaragen.

Östlich und westlich des Angers sind in kammartiger Struktur Gebäude angeordnet, die intimere, grüne Hofbereiche rahmen. Positiv bewertet wird die gut geplante Hierarchie der städtebaulichen Räume und die Abstufung vom öffentlichen Bereich in der Mitte zu den gemeinschaftlichen Wohnhöfen. In den Wohnhöfen ist eine durchdachte freiräumliche Binnengliederung (Private Freiflächen, Retentionsflächen, Gemeinschaftsbereiche / Spielplätze) vorhanden. Die Gebäudehöhen und die Gebäudestellung nehmen auf die umgebende Bebauung Rücksicht. Dabei werden auch Reihenhäuser angeboten, die eine positive Ergänzung des Wohnungsangebots darstellen und sich in die Umgebung einfügen.

Die verkehrliche Erschließung erfolgt über eine mittig entlang des Angers geführte Quartiersstraße, wobei der MIV bereits an den Zufahrten von zwei Quartiersgaragen und einer Tiefgarage abgefangen wird. Dadurch wird das Quartier sinnvoll vom MIV entlastet. Die angeordneten Wohnwege erscheinen für die erforderliche Gebäudeandienung durch Sonderverkehre ausreichend. Die Belange der Feuerwehr scheinen im städtebaulichen Konzept grundsätzlich berücksichtigt. Positiv ist hervorzuheben, dass bei den Wohnwegen Anschlüsse nach Ost und West vorgesehen sind.

Aufgrund der einfachen, beinahe banalen Gebäudekubaturen ist eine kostengünstige und wirtschaftliche Umsetzung möglich. Die geplanten Quartiersgaragen bieten darüber hinaus weitere Potentiale zum wirtschaftlichen Bauen. Noch unverständlich ist die Ausbildung der flach geneigten Satteldächer, die offenbar für die Belegung mit PV-Modulen angedacht wurden, jedoch nur bei der Ausbildung mit erhöhtem Kniestock und großen Gauben für einen Wohnnutzung geeignet sind. Durch die Reduzierung der Tiefgaragenflächen sind die Hofbereiche wenig versiegelt und eine Begrünung des Gebiets sowie die Regenwasserspeicherung gut umsetzbar.

An der Wiffertshauser Straße ist westlich der Erschließungsstraße eine zum Verkehrslärm geschlossene Bebauung mit Erschließungszonen auf der Nordseite vorgesehen. Damit können jedoch entsprechend der angedeuteten Wohnungsaufteilung vermutlich nicht alle schutzbedürftigen Aufenthaltsräume auf die lärmabgewandte Seite orientiert werden. Dieser Nachteil muss ggf. mit passiven Schallschutzmaßnahmen ausgeglichen werden. Östlich der Erschließungsstraße wurde dem Verkehrslärm durch geeignete Maßnahmen begegnet, da sich dort die Quartiersgarage und ein gegenüber der Straße zurückversetztes Wohngebäude in ausreichendem Abstand befinden. Das unmittelbare Aneinandergrenzen der beiden Quartiersgaragen an die Wohnbebauung ist kritisch zu sehen. In der Ausführung der Garagen ist auf ggf. erforderliche geschlossene Fassaden zu achten. Auch wird die Qualität der Adressbildung im Süden, insbesondere für die Reihenhäuser, aufgrund der Nähe der Quartiersgarage hinterfragt.

Die Anzahl der Pkw-Stellplätze reicht insgesamt aus, wobei auch die öffentlichen und Besucher-Stellplätze in den Quartiersgaragen nachgewiesen sind. Die Anzahl an Fahrrad-Stellplätzen ist deutlich zu gering. Die Lkw-Andienung weist im Widerspruch zu den in der Auslobung beschriebenen Anforderungen einen Lkw-Stellplatz entlang der Wiffertshauser Straße aus.

Die angedachten vier Bauabschnitte sind sinnvoll gewählt, obschon der 2. Bauabschnitt im nördlichen Bereich der Jugendverkehrsschule liegt. Die geplanten Gebäude und deren Hofstrukturen weisen eine flexible Grundstruktur auf, die für den weiteren Planungsverlauf positiv beurteilt wird. Gleichzeitig verlangt der Entwurf keine Architekturausbildung aus einem Guss, sondern kann auch gut verschiedene Architekturen aufnehmen. Dadurch erhält der Entwurf insgesamt eine solide Robustheit, die gewürdigt wird.
Lageplan

Lageplan

Gesamtkonzept

Gesamtkonzept

Leitidee

Leitidee

Schnitte

Schnitte

baulicher Kontext

baulicher Kontext

Detail Pallotti-Anger

Detail Pallotti-Anger