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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Wohnungsbau auf dem ehemaligen Areal der Vinzenz-Pallotti-Schule in Friedberg (Bayern)

Blick auf den Quartiersplatz

Blick auf den Quartiersplatz

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

amsl – architektur miriam stümpfl

Stadtplanung / Städtebau

03 Arch. GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Blank Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Langer Anger

Das Konzept der Nachbarschaft als soziales Rückgrat einer Gesellschaft rückt wieder zunehmend in den Fokus. Die Zukunft des Wohnens wird nicht nur durch architektonische Innovationen geprägt sein, sondern auch durch die Art und Weise, wie wir miteinander interagieren und Gemeinschaften bilden. Die traditionelle Vorstellung von Nachbarschaft, geprägt durch Zäune und Mauern, verändert sich. Statt isolierter Wohnblöcke und Einfamilienhaussiedlungen, zeichnet sich, auch um dem zunehmenden Flächenverbrauch entgegenzuwirken, eine Renaissance des verdichteten Wohnens ab, die auch im suburbanen Raum angekommen ist.
Der Entwurf „Langer Anger“ zielt auf diese Nachbarschaftsbildung ab.
Die Schaffung von bezahlbaren Wohnräumen ist dabei heutzutage von großer Bedeutung. Gleichzeitig sollten bei Neuplanungen die Gestaltung und Planung einen Mehrwert für alle Beteiligten und über das Quartier hinaus schaffen. Der Freiraum, der essenziell für Mensch, Tier und Natur ist, spielt dabei eine zentrale Rolle.
Eine ausgewogene Balance zwischen verdichtetem Wohnen und natürlicher Umgebung wird vorgeschlagen. Das neue Quartier vermittelt mit der vorgeschlagenen Körnung zwischen umliegenden Wohnzeilen und Einfamilienhaussiedlungen. Durch die Setzung der Baukörper entsteht ein vielschichtiges Gefüge aus einer Raumabfolge von Quartierseingang - Anger - Hof – Laube - Wohnungseingangstüre – Grünraum.
Der Entwurf bietet ein zukunftsweisendes Konzept und schafft ein lebenswertes und nachhaltiges Quartier, das den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird.

Das teilweise viergeschossige Wohnhaus soll den neuen Stadteingang, kommend von Wiffertshausen markieren. Gegenüberliegend des Friedhofs und Parks wird die neue Nord-Süd Verbindung des Landschaftsraums betont. Zwischen Stadteingangshaus und Quartiersgarage befindet sich der nördliche Eingang ins neue Quartier. Ein langer Anger verknüpft vier Nachbarschaften miteinander und ist sowohl Erschließungsraum von Nord nach Süd als auch ein Ort der Begegnung.
Die vier Nachbarschaften sind eingebettet in einen Grünraum, welcher Rückzugsort und Naherholung auch für die umliegenden Wohnquartieren bietet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schlägt als grundlegende städtebauliche Idee die Anordnung von vier Gebäudegruppen um je einen Wohnhof vor. Ein Mehrfamilienhaus und eine Quartiersgarage sind entlang der Wiffertshauser Straße geplant. Die Gebäudegruppen sind östlich und westlich durch breite Grünflächen von der Umgebungsbebauung abgerückt und in „Schmetterlingsform“ zueinander positioniert. Sie schaffen so ein eingeständiges Quartier mit Abstand zur umliegenden Bebauung und einer eigenen Identität. Das Preisgericht bewertet die Bebauung als umgebungsverträglich. Die Gruppierung um einen Hof unterstützt die Bildung einer Hausgemeinschaft. Die teilweise Nord-Ost-Ausrichtung der Wohnbereiche der Wohnungen wird jedoch kritisch gesehen. Eine Weiterentwicklung im Zuge der weiteren Planung erscheint aufgrund der starken Entwurfsidee ohne typologische Variation nur bedingt möglich.

Die drei- bis viergeschossigen Gebäude werden von Laubengängen mit nur einem Erschließungskern pro Gebäudepaar erschlossen, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt. Die Gebäude sind in Modulbauweise vorgeschlagen und die Grundrisse daher langfristig flexibel. Die Anforderung der Anzahl der Wohnungen ist knapp erfüllt. Die Laubengänge bzw. Erschließungsbrücken können als Gemeinschaftsflächen genutzt werden. Die privaten Freiflächen der Wohnungen orientieren sich nach außen, was einerseits die belebte Nutzung der Innenzonen und andererseits das ruhige Wohnen nach außen ermöglicht. Die Belichtung zwischen den Gebäudepaaren erscheint jedoch aufgrund des geringen Abstands der Baukörper und der Brücken zwischen den Laubengängen nicht optimal. Ebenfalls werden die Aufenthaltsqualität und Atmosphäre im Erdgeschoss unter den Laubengängen kontrovers diskutiert.

Die Verkehrserschließung des KFZ findet über eine Quartiersgarage im Norden und zwei Tiefgaragen (Nord + Süd) statt, wobei die Quartiersgarage nicht über die Erschließungsstraße, sondern über eine zusätzliche Zufahrt an die Wiffertshauser Straße angebunden ist. Dies ermöglicht die Gestaltung qualitativ hochwertiger Freiräume. Die Anbindung für den Fuß- bzw. Radverkehr ist im Westen an den Philipp-Happacher-Weg geplant. Die interne Quartiersstraße ist für Sonderverkehre vorgesehen und autofrei gehalten. Im Bereich der Bauminseln sind die Fahrbahnen teilweise zu schmal. Die Anzahl der Pkw-Stellplätze ist ausreichend bemessen, jedoch werden zu wenig Stellplätze im Süden des Quartiers angeboten. Die Anzahl an Fahrradstellplätzen ist bei weitem nicht ausreichend. Die Lkw-Erschließung für die Wertstoffinsel und die Energiezentrale ist nicht behandelt.

Entlang der lärmemittierenden Wiffertshauser Straße ist im Nordwesten ein parallel zur Straße angeordnetes Wohngebäude mit einer nach Norden ausgelagerten Erschließungszone vorgesehen. Damit ist der Schallschutz geeignet gelöst. Östlich der Erschließungsstraße bildet die Quartiersgarage eine passende Puffernutzung und Abschirmung zur Straße.

Die Arbeit weist einen sehr hohen Anteil an Grünflächen auf. Insbesondere die großzügigen Grün-Pufferzonen zur Nachbarbebauung sowie die wenig unterbauten Freiflächen, die die Pflanzung von Großbäumen zulassen, wurden vom Preisgericht positiv bewertet. Die Gemeinschaftshöfe lassen leider eine tiefergehende Gestaltungsidee vermissen, was aufgrund der Kernidee des Entwurfes nicht nachvollziehbar ist. Den Höfen sind jeweils kleinere Spielbereiche zugewiesen, die Fläche der Spielplätze ist jedoch insgesamt zu gering.

Das Konzept der Regenrückhaltung arbeitet mit vielen Mulden im Bereich der privaten Freiflächen, welche gut über das Gebiet hinweg verteilt sind. Es werden durchgehend begrünte Flachdächer, teilweise mit Photovoltaik – vorgesehen, die ebenfalls als Retentionsraum dienen. Die Gebäude sind sehr kompakt gestaltet.

Der Quartiersplatz liegt zentral im Gebiet im Kreuzungspunkt von Grünanger und „langem Anger“, ist jedoch städtebaulich wenig gefasst und prägnant. Es ist davon auszugehen, dass er im Vergleich zu den Wohnhöfen wenig Gewicht einnehmen wird. Der „Lange Anger“ wird vom MIV weitgehend freigehalten, weist auch aufgrund seines mäandrierenden Verlaufs eine hohe Aufenthaltsqualität auf und ist gleichzeitig für Sonderverkehre durchfahrbar. Durch die Situierung der Quartiersgarage im Norden sind die Wege im Gebiet teilweise sehr lang, insbesondere zu Bauabschnitt 2. Auch die Wege der Kurzparker an den Höfen zum Gebäudeeingang erscheinen eher weit.

Aufgrund der eigenständigen, eher am Bedarf zeitgenössischer Wohngenossenschaften ausgerichteten Typologie ist das Gebiet hinsichtlich seiner Struktur und Räume langfristig festgelegt. Spielräume für eine Anpassung an Bedarfsänderungen werden wenig gesehen. Die Idee der gemeinschaftlichen Wohnhöfe kann als innovatives Wohnkonzept gewertet werden. Das Preisgericht stellt sich allerdings die Frage, ob Quartierscharakter und Wohnqualitäten für eine vielfältige Quartiersgemeinschaft geeignet sind.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Arbeit mit der Idee der Wohnhöfe einen starken und ambitionierten Entwurfsgedanken vorbringt. Die spätere Wohnsituation der Bewohnenden wurde gut durchdacht. Es wurde hoher Wert auf die Differenzierung der verschiedenen Aufenthaltsbereiche gelegt. Durch die vielfältigen Gebäudestellungen entstehen an den Randbereichen des Quartiers spannende Räume und eine klare Abgrenzung zur Umgebungsbebauung. In Bezug auf die Quartiersmitte lässt der wohntypologische Entwurf städtebauliche Qualität vermissen und das Preisgericht diskutierte die Frage der Verträglichkeit für den Standort. Durch die Anordnung der Gebäudegruppen in Kombination mit einem städtebaulichen schwachen Quartiersplatz liegt der Fokus des Entwurfes mehr auf der Qualität des Wohnens in der Gemeinschaft als auf der Qualität des gesamten Quartiers.
Schwarzplan

Schwarzplan

Lageplan

Lageplan

Erdgeschossplan

Erdgeschossplan

Regelgeschoss

Regelgeschoss

Nachbarschaft

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Modell

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