Award / Auszeichnung | 10/2023
ZV Bauherr:innenpreis 2023
©Foto: Karin Nussbaumer
Wiederbelebung Altstadt Hohenems
Auszeichnung
Bauherren
Architektur
Architektur
Georg Bechter Architektur + Design
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh
Landschaftsarchitektur
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Verfasser
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Projektleitung
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Mitarbeit
Landschaftsarchitektur
Lichtplanung
Projektdaten
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Gebäudetyp:
Städtebauliche Projekte
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Projektgröße:
keine Angabe
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Status:
Realisiert
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Termine:
Baubeginn: 10/2014
Fertigstellung: 02/2025
Projektbeschreibung
Bis vor Kurzem hatte Hohenems eine strukturschwache, fast ausgestorbene Altstadt. Das hat sich geändert. Bereits seit 2013 hat der Vorarlberger Investor Markus Schadenbauer mit Unterstützung von Stadt und Denkmalbehörde begonnen, alte, desolate, leerstehende Häuser in der Ortsmitte zu kaufen, zu sanieren und mit neuem Leben zu befüllen – mit Wohnen, Arbeiten und Handelsgewerbe. Die Verwertung der Geschäftslokale wird sorgfältig kuratiert, bevorzugt werden Einzelunternehmen und Familienbetriebe. Bis Ende 2024 haben sich 50 neue Geschäfte angesiedelt, 165 Arbeitsplätze sowie 85 Wohnungen wurden geschaffen, weitere 115 Wohnungen befinden sich noch im Bau. Ergänzt wird die sukzessive Revitalisierung von einer Begegnungszone mit Brunnen, Gastgärten und neuem Bebauungsplan.
Die Marktstraße von Hohenems umfasst in erster Baulinie etwa vierzig aneinandergebaute Häuser mit historischer Bausubstanz sowie teilweise untergeordnete Gebäude in zweiter Baulinie, welche vor Beginn der Überlegungen nahezu durchgehend desolat waren. Ähnliches galt für die Harrachgasse. Eine massive Verkehrsbelastung der Innenstadt über viele Jahre führte dazu, dass nur mehr eine Handvoll Geschäfte sowie eine überschaubare Anzahl von Bewohnern in der Innenstadt verblieben sind. Erst die Entlastung durch die Verlegung der Landesstraße über die „Stadtspange“ und die Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt ermöglichte es, Überlegungen zur Wiederbelebung anzustellen.
Die vorhandenen Qualitäten der Innenstadt – deren mannigfaltige Geschichte noch ablesbar ist – sowie das nahezu vollständig erhaltene Ensemble und das hohe Verkaufspotential der Liegenschaften ermöglichte es, ein „Gesamtkonzept“ für die Marktstraße und in weiterer Folge für die Harrachgasse zu entwickeln. Schritt für Schritt konnten die Häuser privat erworben, denkmalschutzgerecht und hochwertig saniert bzw. maßvoll nachverdichtet werden.
Ebenso wie das Jüdische Viertel ist auch die Marktgasse nun eine Begegnungszone, deren Vorteile von Einheimischen wie Besuchern immer mehr geschätzt werden.
Interessante fuß- und fahrradläufige Durchgangssituationen als Querverbindungen zur Marktstraße konnten geschaffen werden. Teilweise verbaute und private Innenhöfe, sowie rückwärtige Gärten wurden neu gestaltet und öffentlich zugänglich gemacht.
Neben einem ausgewogenen und vielfältigen Nutzungsmix aus Einkaufen, Leben, Wohnen und Arbeiten ist das Schlüsselelement die Handelsnutzung der straßenseitigen Erdgeschosse mit hochwertigen, eigentümergeführten und aufeinander abgestimmten Ladenlokalen.
So hat sich die Hohenemser Innenstadt mittlerweile als eine Art „Gründerzentrum“ für Handel, Gastronomie und Dienstleistungen etabliert. Es wurden Läden wie ein Bioladen mit Café, eine Goldschmiedin, eine Floristin und ein Schreib- und Spielwarenladen angesiedelt.
Bei dem seit 2010 laufenden Projekt Marktstraße & Harrachgasse ging es in einer ersten Phase 2014-2018 um die Sanierung von fünf alten und anschließend um den Bau von zwei neuen Häusern, welche von Bernardo Bader geplant wurden. Sie bilden ein höchst heterogenes Ensemble, manche stehen mit dem Giebel, manche mit der Traufe zur Straße, unterschiedlichen Höhen und Fassaden-Texturen. Die des Hauses Marktstraße 31 ist reizvoll floral strukturiert, andere sind rau oder ganz glatt verputzt. In Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt nun in einer eleganten, schön aufeinander abgestimmten Farbigkeit anstatt der bisher knallig grellen.
Die beiden neuen Gebäude Harrachgasse 3 und 3a (Kinderbetreuung) sind mit 50 cm starken Ziegelsteinen gemauert und – ohne Wärmedämmung – mit Kalk verputzt. Das Satteldach ist mit Biberschwanzziegeln gedeckt, das flach geneigte Dach der Kinderbetreuung mit Kupfer. Die Gebäude Marktstraße 27, 29, 31 und 33 sowie Harrachgasse 5 wurden sensibel saniert. Im Eingang des Hauses Nr. 27 wurde etwa der grobe Natursteinboden genauso wie das wunderschöne Kreuzgratgewölbe aus der Entstehungszeit im frühen 17. Jahrhundert beibehalten, die steile hölzerne Stiege wurde neu gemacht. Die Dachstühle wurden teilweise neu ausgebaut, hofseitig wurden Loggien bzw. Balkone errichtet, was die Lebensqualität der Bewohner deutlich steigert.
Herausforderungen
Es mussten Investoren aber vor allem auch Unternehmer überzeugt und für die Entwicklung begeistert werden. Gerade die jungen Geschäftsinhaber mussten besonderen Mut aufbringen sich hier in der Innenstadt von Hohenems anzusiedeln, um ihre Geschäftsidee zu verwirklichen, wiewohl hier nahezu keine Frequenz vorhanden war. Um einen guten Nutzungsmix zu erhalten, war es auch immer wieder erforderlich Anmietungswünsche – wenn sie nicht ins Gesamtkonzept passten – abzulehnen.
Ganzheitliche Entwicklung
Der Umfang der Brache in der Altstadt von Hohenems war einerseits eine Chance hier einen Neuanfang zu setzen, jedoch überwog der allgemeine Zweifel in der Bevölkerung dass dies überhaupt noch möglich ist. Gerade diese niedrige Erwartungshaltung, die Verlegung des Durchzugsverkehrs sowie das Verkaufsinteresse der Liegenschaftseigentümer ermöglichte es, hier eine ganzheitliche Entwicklung in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt, der Stadt Hohenems, privaten Investoren und der Unterstützung von Ehrenamtlichen des Visionscafés voranzutreiben. Dabei galt der Ansiedlung von qualitativen, eigentümergeführten Geschäften – kuratiert über den gesamten Altstadtbereich - ein besonderes Augenmerk in der Entwicklung.“
Zusatzdaten Realisierung
2012 – 2022 (weitere Gebäude folgen)
Gesamtnutzfläche: ca. 7.200, davon ca. 4300 Wohnen und ca. 2.900 Gewerbe/Dienstleistung (inkl. Kleinkindbetreuung)
Baukosten: 40 Mio Euro
Vermietung/Verkauf: 90% Mieteinheiten, 10% Eigentum
Ensembleschutz
lt. Wikipedia: Harrachgasse 2,4,5,7 / Marktstraße 1 (barock),2 (Kern auf 1605 datiert), 5 (1777 abgebrannt, neu ab 1781 als Schulhaus errichtet); 4,6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 13, 14 (Jäger -Haus, nach Stadtbrand von 1777 neu errichtet); 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24 (beim Stadtbrand 1777 zerstört und über altem Keller wieder aufgebaut); 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31 (mit floralem Jugenstilgraffiti verziert); 32, 33,34, 28, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52-54, 56.
Weitere Entwicklung
Die ersten Geschäfte in der Radetzkystraße (z.B. Bäckerei Copain) werden im Oktober 2024 eröffnet, weitere Wohnungen zu Jahresbeginn 2025 bezogen. Weitere Schritte folgen.
Beurteilung durch das Preisgericht
„Wiederbelebung“ klingt dramatisch und tatsächlich war die Marktstraße in Hohenems das, was man eine „sterbende“ Straße nennt. Jahrzehntelanger Durchzugsverkehr hatte den öffentlichen Raum unwirtlich gemacht, Geschäfte machten der Reihe nach zu und Wohnen wollte hier lange niemand. Als schließlich die Landesstraße verlegt wurde, war die Basis für einen Neuanfang gesetzt, aber die Probleme lösten sich nicht von selbst. Es brauchte einen zugleich visionären und geduldigen Bauherrn, der in jedes Detail verliebt ist und dabei nie das große Ganze aus dem Blick verliert. Markus Schadenbauer, der Mastermind hinter der Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH, ist ein „Kümmerer“,wie jede Stadt, jeder Ort ihn sich nur wünschen kann. Mit Staunen und Freude verleihen wir ihm und der Stadt Hohenems den Bauherr:innenpreis .40 eng aneinander gebaute historische Gebäude umfasst die Marktstraße. Sie wurden in Dialog mit dem Denkmalamt saniert, Lücken wurden mit Neubauten ergänzt und auch in der zweiten Reihe wurde nachverdichtet. Zum Zug kam einhochkarätiges Feld von Vorarlberger und Tiroler Architekturbüros. Jedes Haus erstrahlt in altem Glanz oder neuer Schönheit und fügt sich doch in erster Linie in das Ensemble. Kein eitler Architekturzoo, sondern Bausteine für einlebendiges und spürbar wertbeständiges Stück Stadt. Selbstverständlich wurden nachhaltige Materialien verbaut. Die neu gestalteten Straßen- und Platzräume mit einer Begegnungszone bis in die Harrachgasse werden zu einemStadtgewebe aus geöffneten Höfen und Grünräumen erweitert. Hier lässt es sich nun trefflich wohnen, während die Erdgeschosszone vom Projektentwickler akribisch mit eigentümergeführten Geschäften kuratiert wird. Unterstützt wird die Transformation von vielfältigen Beteiligungs- und Vermittlungsprozessen. Marktstraße und Harrachgasse sind von Unorten zu Treffpunkten geworden. Die hohe architektonische Qualität in Vorarlberg wird allzu oft durch raumplanerische Defizite getrübt, wie das Ausmaß der Zersiedelung im Rheintal zeigt. Die Ortskernbelebung in Hohenems stemmt sich erfolgreich gegen Flächenverbrauch und Bodenversiegelung. Architektur und Städtebau schreiten Hand in Hand in eine nachhaltige Zukunft. Das kluge Weiterbauen von Bestand ist dabei der Schlüssel. Das schrittweise Vorgehen ermöglicht scheinbar Unmögliches. Langfristiges Sorgetragen sichert den Erfolg. Möge diese Strategie noch viele Erweiterungen in Hohenems und Nachahmungen allerorts finden!
©Stadt Hohenems
Schweizer Strasse
©Stadt Hohenems
Marktstrasse
©Stadt Hohenems
Marktstrasse
©Bernardo Bader Architekten u.a.