Das Corona-Virus hat sich den Weg auch in die Architekturbranche gebahnt, wenn auch mit Verzögerung gegenüber anderen Branchen. Auch Planungsbüros blicken mittlerweile sorgenvoll in die Zukunft. Die gute Nachricht: Viele Büros können derzeit noch von einem „Auftragspolster“ zehren. Und überraschend viele Arbeiten lassen sich auch aus dem Homeoffice erledigen. Eine weniger gute Nachricht: Verzögern sich Vergabeverfahren zu lange, könnten irgendwann die Aufträge ausgehen.

Timo Herrmann von bbz landschaftsarchitekten berichtet uns von verschobenen oder ganz abgesagten Preisgerichtssitzungen, Kolloquien und Wettbewerben. „Entscheidungen in den Projekten von Bauherren oder Behörden, die für die Weiterarbeit zwingend sind, verzögern sich oder bleiben aus. Wenn das so bleibt, nützt uns auch das Homeoffice nichts, weil einfach keine Arbeit mehr da ist.“

Das Büro RKW Architektur + hat sich entschieden, nicht alle Arbeitsplätze ins Homeoffice zu verlegen, aber die Arbeitsplatz-Dichte an allen Standorten extrem zu reduzieren. „Mitarbeiter, die ihre Kinder zu Hause betreuen, arbeiten natürlich im Homeoffice“, berichtet Architektin Natalie Bräuninger. „Und auch bei Projekten, bei denen es im Rahmen der Komplexität und Größe und der damit verbundenen Datenmenge möglich ist, haben wir Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet.“

Telefon, E-Mail, Telefonkonferenzen ersetzen den direkten Kontakt. Aber „da müssen wir ehrlich sein: Homeoffice ist nur in Teilen möglich“, meint Bräuninger. „Obwohl wir bei RKW digital schon immer gut aufgestellt waren, macht es die Struktur in vielen Projekten (vor allem, wenn viele Mitarbeiter auf ein Datenmodell zugreifen) schwierig. Es ist so ähnlich, als wenn man an Silvester telefonieren möchte. Zudem hapert es oft schon an der heimischen Internetverbindung, denn auch der Nachbar möchte Internet, oder aber die eigenen Kinder blockieren die Funkkanäle beim Zocken.“

Auch im Leipziger Büro von Behzadi Architekten hält noch eine „Kerngruppe“, vier von 15 Mitarbeiter*innen, die Stellung. Das Berliner Team arbeitet seit zwei Wochen geschlossen vom Homeoffice aus. „Wir haben unseren Auftraggebern sehr frühzeitig offen kommuniziert, dass die Abwicklung von Projekten aufgrund der Corona-Krise nun etwas länger dauern könnte“, berichtet Anuschah Behzadi.

85 Prozent der Auftraggeber des Büros sind öffentlich. Weil das Büro seit jeher viele internationale Projekte bearbeitet, war die Arbeitsstruktur ohnehin schon sehr stark digital geprägt: Videokonferenzen mit Mitarbeitern, die Baustellen in Teheran oder Tokyo betreuten, gehören zum Tagesgeschäft. Die Umstellung auf Homeoffice hielt allerdings doch die ein oder andere Überraschung bereit: „Wir mussten ein paar zusätzliche Laptops bestellen“, erzählt Behzadi. „Die kommen aber wegen der Lieferstaus nicht an. Außerdem mussten wir kurzfristig zusätzliche Lizenzen für unsere Programme besorgen.“ Das seien aber hoffentlich nur Kinderkrankheiten, das meiste funktioniere prima: „Morgens gebe ich meine Ansagen für den Tag über die WhatsApp-Gruppe durch, für die schnelle Kommunikation zwischendurch wird gechattet.“

Wettbewerbsteilnahmen hat das Büro, das ausschließlich an Einladungswettbewerben teilnimmt, noch nicht zurückgezogen – das sei auch keinesfalls geplant, meint Behzadi. Auch Kurzarbeit sei derzeit noch kein Thema – im April sollen dann allerdings Hilfen beantragt werden.

Welche Überlegungen hinsichtlich der Zukunft bewegen den Bürogründer sonst noch? „Von der öffentlichen Hand erhoffe ich mir, dass sie die Rechnungen der Baufirmen freigibt – denn auf dieser Basis wird unsere Rechnung beglichen.“ Außerdem sollten die Ämter „bei der Stange bleiben und etwaige Rechnungen gegebenenfalls aus dem Homeoffice begleichen.“

Was tut sich sonst?

  • Architekt*innen sollten das Homeoffice nicht nur zum Arbeiten nutzen. So, wie die Schüler*innen ihr Homeschooling-Programm absolvieren müssen, sind Architekt*innen dazu verpflichtet, jährlich eine Mindestanzahl an Fortbildungspunkten zu erwerben. Einige Architektenkammern bieten bereits aktuelle Fortbildungsangebote als Webinare an. Die Berliner Architektenkammer etwa veröffentlicht ausgewählte Angebote aus dem aktuellen Fortbildungsprogramm, die bereits in Webinare umgewandelt wurden.
  • Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat am Freitag die Zuordnung der SHK-Handwerksbetriebe zur sogenannten „KRITIS“, der kritischen Infrastruktur in Deutschland, bestätigt: „Grundsätzlich zählen die SHK-Betriebe zu diesen systemrelevanten Einrichtungen, da nach hiesigem Verständnis auch sämtliche benötigten Dienstleistungen hierzu zählen, die zur Aufrechterhaltung der jeweiligen kritischen Dienstleistung (wie z. B. Wasser- und Energieversorgung) notwendig sind.“
    Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), begrüßt die Bestätigung als „wichtiges und richtiges Signal“. Zu Anordnungen der einzelnen Bundesländer informieren die jeweiligen Landesregierungen.
  • Die Milliardenhilfen des Bundes für Firmen, Kleinunternehmen sowie Selbstständige finden bereits reißenden Absatz. Mehr als 360.000 Anträge auf die Mittel zur Hilfe in der Corona-Krise seien innerhalb weniger Tage bei den zuständigen Stellen eingegangen, berichtet die Immobilien Zeitung.
    In Berlin meldet die landeseigene Investitionsbank allerdings, dass die Mittel bereits jetzt schon erschöpft seien: Wenn alle Anträge, die momentan kundenseitig in Bearbeitung sind, bewilligt würden, beliefe sich das Volumen auf mehr als 300 Mio. EUR., erklärte am Wochenende Dr. Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands. „Deshalb setzen wir bis auf Weiteres die Annahme weiterer Anträge aus, um mit den Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Finanzen das weitere Vorgehen zu beraten. Die eingegangenen Anträge werden alle bearbeitet.“
    Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop beschwichtigt umgehend: „Es gibt keinen Grund zur Panik. Am Geld wird das Programm nicht scheitern.“

Tatsächlich arbeiten auch die Behörden im Homeoffice weiter, berichtet Hubertus Schäfer, Gründer von Greenbox Landschaftsarchitekten in Köln, überrascht: „Das hätte ich nicht gedacht!“ Sein eigenes, knapp 40-köpfiges Team, ist nun bereits seit zwei Wochen im Homeoffice. „Am Freitag zuvor hatten wir gemeinsam mit unserem Administrator eine schlaflose Nacht verbracht. Und die Montags-Ansprache im Büro wird das Team wohl nicht so schnell vergessen. Da mussten wir klar ansagen: Es geht jetzt wirklich ums Ganze.“

Die Geschäftsführung ist von Anfang an sehr offensiv mit der Situation umgegangen. „Wir haben unsere Auftraggeber angerufen und kommuniziert, dass wir arbeitsbereit sind“, so Schäfer. „Anfangs herrschte schon eine ernste Stimmung im Büro.“ Kurz darauf stand aber fest: Alle wollen weitermachen. Jede Verzögerung kostet Auftraggeber und Planer Geld.

Derzeit arbeitet das Büro parallel an sieben Wettbewerben. Mehrere Abgaben und eine Jury-Sitzung wurden um einige Wochen verschoben, aber die laufenden Bauprojekte werden bislang weitergeführt. „Das Gefühl, dass alle in einem Boot sitzen, lässt jedenfalls Optimismus aufkommen. Wir wollen gerade jetzt, so lange es geht, Vollgas geben und weiter wirtschaften“, meint Schäfer. Er räumt allerdings auch ein, dass eine Einschränkung wegen Kinderbetreuung nur zwei bis drei Mitarbeiter*innen betrifft. Kurzarbeit sei noch kein Thema.

Die technische Einrichtung der Infrastruktur für das Homeoffice stellte für das Büro, das von Beginn an sehr stark auf digitale Entwicklungen setzt und sogar die Gründung einer eigenen Sparte Greenbox VR plant, keine Hürde dar. Im Gegenteil: „Wir können in Sachen digitaler Arbeitsweise unseren Auftraggebern Tipps geben“, meint Schäfer. Für Schäfer steht fest, dass die derzeit „erzwungene“ Digitalisierung vieler Büros auch die letzten Hürden in Sachen BIM einreißen wird. Und wer weiß, wohin die Entwicklung außerdem führt? „So, wie sich aus der Klimakrise für Landschaftsarchitekten neue Möglichkeiten ergeben haben, bietet sicherlich auch diese Krise enorme Potentiale für die Zukunft!“

Nun wünschen wir Ihnen einen guten Start in die Woche und inspiriertes Arbeiten im Homeoffice,

Ihre competitionline-Redaktion