Eine konstruktive Arbeit, ein Nachnutzungskonzept mit aktueller Relevanz sowie ein ganzheitlicher Ansatz, menschgeformte Landschaften zu verstehen und erfahrbar zu machen – das Ergebnis des 7. competitionline campus Wettbewerbs zeigt wieder einmal, wie kreativ und innovativ es an deutschen Architektur- und Ingenieurfakultäten zugeht.

Eingereicht werden sollten innovative Projekte aus Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung sowie Ingenieurwesen. Diese durften fachspezifisch oder disziplinübergreifend sein und auch Arbeiten aus branchenrelevanten Randgebieten wie der Materialforschung oder Informatik sowie Konzepte aus Lehre, Ausbildung und Architekturvermittlung umfassen.
Aus 113 Einreichungen wählte die Jury um Bauingenieur Klaus Bollinger, die Landschaftsarchitektin Inga Hahn von Hahn Hertling Hantelmann sowie den Leiter des Deutschlandbüros von C.F.Møller Architekten, Heiko Weissbach, drei Preisträger*innen aus.

Eine Blume von Pavillon

In der Kategorie Studierendenarbeiten überzeugte Alberto Ortensi mit einer theoretischen und praktischen Entwurfsarbeit zum Scherenmechanismus als Konstruktionsprinzip. Der Student der TU München hat einen Pavillon entwickelt, der sich gleich einer Blüte mechanisch öffnen und schließen lässt. Den Entwurf setzte er anschließend in einem Modell aus Sperrholz mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 Meter um.

... setzt sich mit dem Scherenmechanismus als Konstruktionsprinzip auseinander.

... setzt sich mit dem Scherenmechanismus als Konstruktionsprinzip auseinander.

Exxdome von Alberto Ortensi, der Gewinner in der Kategorie Studierendenarbeiten, ...

Exxdome von Alberto Ortensi, der Gewinner in der Kategorie Studierendenarbeiten, ...

Das reibungslose Funktionieren des Öffnungs- und Schließmechanismus im Modell beweise, wie sorgfältig und stimmig der Student gearbeitet habe, zeigte sich Jurymitglied Klaus Bollinger beeindruckt. „Zwar ist eine vergleichbare Konstruktion mit verbiegenden Streben in großem Maßstab nicht umsetzbar,“ so Bollinger weiter, „doch als Pavillon mit einer elastischen Außenhaut könnte der Entwurf realisiert werden“.

Von weißen zu bunten Elefanten

Der Sieg in der Kategorie Absolvent*innenarbeiten geht an Kevin Britz und Kai Hackmann von der Beuth Hochschule in Berlin. Sie liefern mit „Elefante Colorido“ einen utopischen Entwurf für die Umnutzung von „weißen Elefanten“, also Stadionbauten, die mit Steuergeldern für einmalige Sportveranstaltungen wie Fußballweltmeisterschaften oder Olympische Spiele hochgezogen werden und anschließend ungenutzt bleiben und immense Instandhaltungskosten verursachen. Am Beispiel der für die Fußball-WM in Brasilien errichteten Arena da Amazonia in Manaus zeigen sie, mit welchen Mitteln und Typologien hier ein ganzes Quartier unter Nutzung der vorhandenen gebäudetechnischen Infrastrukturen Platz finden könnte.

Der Gewinner in der Kategorie Absolvent*innenarbeiten, Elefante Colorido, schlägt ein Nachnutzungskonzept für ungenutzte Fußball-WM-Stadien vor.

Der Gewinner in der Kategorie Absolvent*innenarbeiten, Elefante Colorido, schlägt ein Nachnutzungskonzept für ungenutzte Fußball-WM-Stadien vor.

Elefante Colorido, gewinner in der Kategorie Absolvent*innenarbeiten

Elefante Colorido, gewinner in der Kategorie Absolvent*innenarbeiten

Der Entwurf verdeutliche die Absurdität des Bauwahns im Zusammenhang mit sportlichen Großereignissen, begründet Heiko Weissbach von C.F. Møller Architekten die Wahl des Preisgerichts für Elefante Colorido, den „bunten Elefanten“, der beiden Verfasser. Umnutzung sei hier die einzige Möglichkeit, zu nachhaltigen Konzepten zu finden.

Anthropozäne Naturen verstehen und erfahrbar machen

2019 beschäftigten sich 27 Studierende des Fachgebiets Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung der TU Berlin mit der Entwicklung alternativer Entwurfsstrategien für anthropozäne, also menschgemachte Naturen. Am Beispiel der Isar – einem als wild wahrgenommen aber technisch hoch reguliertem Flusssystem – versuchten sie im Rahmen des Semesterprojekts inklusive einer einwöchigen Exkursion, großräumliche Strukturen zu verstehen und für die Bewohner erfahrbar zu machen. In Teams von zwei bis drei Leuten wurden zwölf Entwürfe für unterschiedliche Themen und Stoffkreisläufe angefertigt: So entwickelte etwa der Entwurf „Isar Gschichten“ ein neues Vokabular, um die Veränderung unserer Umwelt emotional begreifbar und kommunizierbar zu machen. „Phosphor Mining Munich“ seinerseits untersuchte den Phosphor-Kreislauf und schlug einen Ansatz vor, wie man ihn lokal steuern und erfahrbar machen könnte.

... überzeugte in der Kategorie Fakultätsarbeiten mit der Entwicklung alternativer Entwurfsstrategien für menschgemachte Naturen.

... überzeugte in der Kategorie Fakultätsarbeiten mit der Entwicklung alternativer Entwurfsstrategien für menschgemachte Naturen.

Das Semesterprojekt Anthropozäne Naturen entwerfen vom Fachgebiet Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung der TU Berlin ...

Das Semesterprojekt Anthropozäne Naturen entwerfen vom Fachgebiet Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung der TU Berlin ...

Die Jury würdigt die Wahl des Themas und die daraus entwickelten und vorgeschlagenen konkreten gestalterischen Eingriffe. Das Semesterprojekt verfolge den „spannenden ganzheitlichen Ansatz, in großmaßstäblichem Format in die Landschaft einzugreifen und sich dabei einzelne Stoffkreisläufe herauszunehmen, um zu überlegen, wie man sie steuern und erfahrbar machen kann“, begründet Landschaftsarchitektin Inga Hahn von Hahn Hertling Hantelmann die Entscheidung der Jury.

competitionline campus – der Wettbewerb

Was tut sich derzeit an deutschen Architekturfakultäten? Jedes Jahr aufs Neue stellt der Studierenden- und Fakultätswettbewerb von competitionline diese Frage. Auf der Suche nach innovativen Studierenden- und Absolvent*innenarbeiten sowie Fakultätsprojekten und -konzepten ist competitionline campus ein Schaufenster für die Leistungen des Architektur- und Ingenieurnachwuchses und seiner Mentor*innen an deutschen Hochschulen.

Den Gewinner*innen bietet der Wettbewerb neben Preisgeldern in Höhe von 3500 Euro ein Schaufenster in Form eines Artikels über das Gewinnerprojekt auf competitionline mit einer Reichweite von 17.000 potenziellen Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen. Unsere Leser*innen bekommen spannende Talente vorgestellt und einen Eindruck davon vermittelt, an welchen Fakultäten Innovation und Talente besonders gefördert werden.

44 der 113 eingereichten Arbeiten wurden in der Vorprüfung aussortiert, weil sie entweder den formalen Anforderungen nicht genügten, ihren Kerngedanken nicht nachvollziehbar vermitteln konnten oder keinen erkennbar originellen oder innovativen Inhalt hatten.

Unter den 69 Einreichungen, die die Jury zu bewerten hatte, gab es eine Vielzahl interessanter Ideen, die für Diskussionen unter den acht Preisrichter*innen Klaus Bollinger (Bollinger Grohmann), Inga Hahn (Hahn Hertling Hantelmann), Heiko Weissbach (C.F. Møller), Daniela Kouefo (Vectorworks), Nicole Heptner (Jung) sowie Dirk Bonnkirch und Nicolai Blank (beide competitionline) sorgten, etwa

  • die „vertikale Fuggerei“ in Augsburg. Der Entwurf möchte das zukünftige Leben und Wohnen auf Basis der baulichen und sozialen Aspekte der Fuggerei zeitgemäß und vertikal entwickeln (Klaus Bollinger: „Sehr interessant, aber Häuser mit so einer großen Außenfläche sind energetisch und von der nötigen Materialmenge her heutzutage problematisch. Umsetzbar wäre der Entwurf im Rahmen eines Haus-im-Haus-Konzepts wie beim Plusenergiestudentenwohnheim Cubity“, einem der Gewinner von competitionline campus 2015.)
  • eine empirische Studie zu Tragwerken aus Riesen-Chinaschilf (Heiko Weissbach: „Der Anteil des Schilf-Materials am Träger ist zu gering“; Klaus Bollinger: „Wenn man soviel Stahl dafür braucht, kann man das Kraut dazwischen auch weg lassen und durch dünne Stahlstreben ersetzen.“)
  • die Umnutzung einer leerstehenden Markthallt zu einem „Handelsplatz für das 21. Jahrhundert“ in Form eines Warensilos, das mit Hilfe von Drohnen einen stetigen Austausch frischer Waren ermöglicht (Nicolai Blank: „Zukunftsweisend! Ein Warensilo für die Zu- und Auslieferung von Waren per Drohne wird bald jeder Supermarkt haben.“ Heiko Weissbach: „Was für eine abwegige Vorstellung, Herr Blank! Wollen wir wirklich den Bestell- und Lieferwahnsinn in Zeiten der Klimakrise weiter vorantreiben?“)
  • „Re.greeneration“, das Projekt einer Studentin der Hochschule Neubrandenburg für ein Wiederaufbau und Heilungskonzept für das syrische Aleppo. Die Landschaft dient dabei als wesentliches Werkzeug für den sozialen Wandel. So sollen neue Modelle des Zusammenlebens der Menschen und eine neue Verbundenheit mit ihrem Lebensraum ermöglicht werden, was wiederum psychosoziale Heilungsprozesse bewirke. (Heiko Weissbach: „Ein ermutigender Ansatz“; Daniela Kuefo: „Mir gefällt der Gedanke, nicht nur an die Gebäude zu denken, sondern vor allem an das Zwischendrin.“ Nicolai Blank: „Das Konzept lässt zu viele Fragen unbeantwortet.“)
  • oder der mobile Ausstellungspavillon „Koralle“ aus einem tragenden Glaszylindern und einem ETFE Kissen mit integrierten Photovoltaikzellen (Klaus Bollinger: „Dass man so etwas bauen kann, zeigt der Pavillon des Café Lichtblick in Innsbruck, den wir mit Dominique Perrault 2005 realisiert haben. Aber mobil? Der Transport erfordert einen Riesenaufwand.“ Dirk Bonnkirch: „Eine schöne studentische Arbeit, die aber viel Technik erfordert. Wie etwa wird das Innenklima an einem Sonnentag geregelt?“).

„Insgesamt war es wieder ein toller Wettbewerb“, freute sich Klaus Bollinger beim Ausklang eines langen Tages mit vielen inspirierenden Projekten. „Es ist für mich einfach immer wieder spannend zu sehen, was an deutschen Hochschulen so passiert.“

Die Gewinner*innen können nun über Preishonorare im Wert von 3500 Euro sowie über eine exklusive Berichterstattung auf competitionline freuen.

competitionline gratuliert den Preisträgern und dankt

  • allen Teilnehmer*innen für ihre inspirierenden Einreichungen
  • sowie den Sponsoren des Wettbewerbs JUNG, ORCA und VECTORWORKS.

Alle prämierten Einreichungen, ihre Macher und ihre Möglichmacher, sprich die Fakultäten, stellen wir im Laufe der nächsten Monate auf competitionline vor.