Seit Jahren scheitern Politik, Verbände, Kammern und andere an der Aufgabe, ein Konzept für die Wiedererrichtung der Schinkel’schen Bauakademie auf die Beine zu stellen. In dieser für die deutsche Baukultur hochnotpeinlichen Lage rief competitionline unter dem Motto „Backe, Backe, Bauakademie“ im November 2020 zum offenen Ideenwettbewerb auf. Wie immer bei eat city durfte die gestalterische Aufgabe ausschließlich mit essbaren Materialien gelöst werden. Das machte die diesmal besonders sperrige Aufgabe nicht unbedingt leichter. Denn neben einem glücklichen Händchen für Zuckerguss und einer Extraportion Humor forderte die Ausschreibung den Teilnehmenden auch inhaltlich ausgesprochen viel ab.

Gesucht wurden “leckere Ideen, die wie das berühmte Vorbild auch in 100 Jahren noch überzeugen. Der Ort bleibt, die Architektur wird neu und nachhaltig. Die neue Zukunftsvision einer Denk- und Kreativfabrik, die Wissenschaft und Kunst, Forschung und Lehre, Theorie und Praxis sowie die Vermittlung von Architektur, Handwerk und Bau an Groß und Klein unter einem Dach zusammenführt – eine Schinkel’sche Bauakademie des 21. Jahrhunderts eben.“ 

Hochkonzentrierte Jurysitzung per Videokonferenz. Von links oben nach rechts unten: Dirk Bonnkirch, Udo Gleim, Silvia Schellenberg-Thaut, Paul Giencke, Janna Siebert, Martina Abri

Hochkonzentrierte Jurysitzung per Videokonferenz. Von links oben nach rechts unten: Dirk Bonnkirch, Udo Gleim, Silvia Schellenberg-Thaut, Paul Giencke, Janna Siebert, Martina Abri

Puh, nicht gerade bescheiden diese Bauherren Umso erfreulicher, dass dennoch ganze 29 Entwürfe im Hauptwettbewerb und acht Beiträge bei den Teilnehmenden unter 14 Jahren eingereicht wurden. Mit großer Spannung nahm sich die eat city-Jury, diesmal bestehend aus: competitionline-Gründerin Angelika Fittkau-Blank, der Leipziger Architektin Silvia Schellenberg-Thaut, Prof. Dipl.-Ing. Architekt Udo Gleim von der Hochschule Darmstadt, der Denkmalschutz- und Schinkelexpertin Prof. Martina Abri sowie dem Landschaftsarchitekt Paul Giencke die Beiträge vor, um sie auf architektonische Qualität und Originalität, Ort- Zeit- und Themenbezug abzuklopfen. 

Bauakademie als Freiraum, Raumkunst aus Glukose. Der Siegerbeitrag "Schinkel’sche Backademie"

Bauakademie als Freiraum, Raumkunst aus Glukose. Der Siegerbeitrag "Schinkel’sche Backademie"

Erstaunlich schnell konnten sich alle Mitglieder der Jury auf einen Wettbewerbsbeitrag als Sieger einigen. Der Beitrag „Schinkel’sche Backademie“ von Georg Braunsdorf war bereits im ersten Durchgang der erklärte Liebling der Jury, was Wettbewerbsprofis eindeutig als gutes Zeichen und Qualitätsmerkmal zu deuten wissen, und konnte ohne große Widerstände auf den ersten Platz durchmarschieren (Gutschein für einen AchitekTour Day von Erleben! Reisen und zusätzlich 1.000 EUR Reisegeld). 

Der Entwurf besteht aus Bonbons, die „in einem aufwendigen Verfahren verflüssigt und nach dem Gestaltungsprinzip “form follows Backpapier” zu einer selbsttragenden Fassadenkonstruktion verschmolzen wurden. Besonders begeisterte die Jury die kunstvolle Visualisierung und Verortung mithilfe der historisierenden Postkartenansicht vom Schinkelplatz sowie die stimmige Einheit von Text und Entwurf.

Raffinierte Architektur aus der Küche nach dem Gestaltungsprinzip: "form follows Backpapier"

Raffinierte Architektur aus der Küche nach dem Gestaltungsprinzip: "form follows Backpapier"

Der Beitrag, so die Jury, stehe einerseits intensiv in Bezug zur Historie von Ort und Bauwerk, lehne sich in Kubatur und Farbe auch an das historische Vorbild an und lasse dabei doch andererseits größtmögliche Freiheit für neue und eigene Ideen. Die Nutzung der zukünftigen Bauakademie sieht dieser Siegerentwurf übrigens in einer „multicodierten Freiraumarchitektur“ mit jeder Menge Nachhaltigkeitspluspunkten, da „jederzeit problemlos mit Schokowaffeltannen vollständig begrünbar“. 

Platz zwei und ein Preisgeld von 750 Euro gingen an den Wettbewerbsbeitrag „Schinkels Creative Space Berlin“ von Max und Martin Denzinger, eine aufwendige Kreation aus Waffeln, traditidronellem Münsterländer Neujährchenteig, saurem Weingummi und Gelatine in verschiedener Verwendung.

 Volle auf Empfang und mit reichlich Glamour präsentiert: der zweitplatzierte Beitrag von Max und Martin Denzinger "Schinkels Creative Space Berlin"

Volle auf Empfang und mit reichlich Glamour präsentiert: der zweitplatzierte Beitrag von Max und Martin Denzinger "Schinkels Creative Space Berlin"

Mit einer Wucht von Details, farbenfrohen Kohlenhydraten und einem ebenso üppigen Projekttext prasselten die Visionen dieser Kreativ-Akademie für die Saftbärchen unter den Baumeistern betörend-verstörend auf Leser und Betrachter herein: „Die besten Beiträge werden von Juroren prämiert und in der Gelatine-Cloud hochgeladen, hier schwebt auf Apfel süß-sauer, die Creme de la Creme in den Geschmacksrichtungen, zitrone, erdbeere und orange. In dieser Competitioncloud ein Projekt zu verankern ist das Lebenselixier eines jeden Bärchens.“ 

Starker Tobak, besonders, da sich auf dem Dach dieser Waffelbauakademie auch noch pilzartige Antennen befinden. Doch gerade dieses vollständige „Auf-Empfang-sein“ sowie Gelatine-Cloud haben es der Jury merklich angetan.

Warum nicht eine Bauakademie mit Fassade aus Gelatine und Rollrasen Marke Apfelgeschmack? "Schinkels Creative Space Berlin"

Warum nicht eine Bauakademie mit Fassade aus Gelatine und Rollrasen Marke Apfelgeschmack? "Schinkels Creative Space Berlin"

„Die Bauakademie des 21. Jahrhunderts muss unbedingt ein radikal digitales Projekt werden und die Ideen des Bauens unabhängig vom Ort vernetzen“ begründet Angelika Fittkau-Blank ihre Begeisterung für den Beitrag. Auch der liebevoll ausgerollte Rasen Marke Apfelgeschmack und die gebogene hängende Gelatine-Fassade, die das Gebäude laut Projektbeschreibung vor hungrigen Naschkatzen schützt und gleichzeitig maximale Transparenz des Ortes nach außen ermöglicht, überzeugte die Jury.

So weit sollte es nicht kommen, Architektur als Appell bei der "Bauakademie im Wandel".

So weit sollte es nicht kommen, Architektur als Appell bei der "Bauakademie im Wandel".

Sie schmilzt und schmilzt...

Sie schmilzt und schmilzt...

Die Bauakademie als prekärer Klima-Seismograph: diese Konzept schlägt der drittplatzierte Beitrag "Bauakademie im Wandel" vor.

Die Bauakademie als prekärer Klima-Seismograph: diese Konzept schlägt der drittplatzierte Beitrag "Bauakademie im Wandel" vor.

Platz drei und ein Preisgeld von 550 Euro gingen an den Beitrag „Akademie im Wandel“ von Isabella de Medici vom Planungsbüro DTP Landschaftsarchitekten, ein Entwurf, der das Thema Erderwärmung besonders drastisch aufgreift. Der Entwurf besteht aus einem Eiskubus auf der vorhandenen Kubatur des Baufeldes – vermutliches Baumaterial: Semifreddo Vanillegeschmack mit bunten Streuseln. Bei Nichterreichen der Klimaziele schmilzt diese Bauakademie einfach weg.  „Es beginnt ein deutlich sichtbarer Prozess, der nur mit starken Gegenmaßnahmen aufzuhalten ist: Zuerst sackt die Akademie etwas in sich zusammen, Einzelelemente lösen sich, der Kubus beginnt zu schmelzen. Dieser langsame und öffentliche Prozess soll motivieren, mehr für die Einhaltung der Klimaziele zu tun und damit den Erhalt der Akademie mit Ihren Zielen und Inhalten.“ 

Neben den drei ersten Preisen vergab die Jury zwei Anerkennungen: 350 Euro Preisgeld gingen an das Lebkuchenbauwerk „Schinkels Phönix aus der der Asche“, von Maximiliam Brylla, das die Jury mit der Idee „auf dem Dach der Bauakademie muss es brennen“ zu intensiven Diskussionen inspirierte.

Die Bauakademie müsse original wiederaufgebaut werden und zugleich ein Fanal sein, fordert dieser Beitrag, die Geschichte solle dabei „farbenfroh verlockend in die Zukunft explodieren“, in Form eines „Feuerwerkes aus Hochleistungszuckerglas“.

Traditioneller Lebkuchenbau trifft auf expressionistische Fanalkunst: Der Beitrag "Schinkels Phönix aus der Asche" erhielt eine Anerkennung der Jury.

Traditioneller Lebkuchenbau trifft auf expressionistische Fanalkunst: Der Beitrag "Schinkels Phönix aus der Asche" erhielt eine Anerkennung der Jury.

Ganz vom klassischen Schinkel-Kubus löste sich dagegen der ebenfalls mit einer Anerkennung bedachte Entwurf „Sahne-Spirale“von Ondrej Vanek, mit Sicherheit der Wettbewerbsbeitrag mit dem größten Cremigkeitsfaktor.

Das Kunstwerk aus Buttercreme mit Himbeergeschmack verzauberte die inzwischen vielleicht auch ganz leicht unterzuckerte Jury mit dem sahneverzierten außenumlaufenden Weg, der alle Stockwerke miteinander verbindet.

Detail "Sahne-Spirale"

Detail "Sahne-Spirale"

Neuer Lieblingsort für das Szenevolk Berlins auf der "Sahne-Spirale": den öffentlichen süßen Gipfel erreicht man über die offene Außentreppe.

Neuer Lieblingsort für das Szenevolk Berlins auf der "Sahne-Spirale": den öffentlichen süßen Gipfel erreicht man über die offene Außentreppe.

Der Beitrag mit dem höchsten Cremigkeitsfaktor. Wer könnte bei diesem himbeerfarbenen Rundling in Berlins Mitte schon widerstehen? "Sahnespirale" von Ondrej Vanek

Der Beitrag mit dem höchsten Cremigkeitsfaktor. Wer könnte bei diesem himbeerfarbenen Rundling in Berlins Mitte schon widerstehen? "Sahnespirale" von Ondrej Vanek

Dazu gefiel auch die kreative Dachgestaltung, die einen für die Öffentlichkeit einzigartigen Raum in der Mitte Berlins schaffen könnte. „Ein süßer Gipfel ragt inmitten der Kulturbauten der Stadtmitte hervor“, der allen zugänglich ist. An dem geschichtsträchtigen und bedeutenden Standort der ehemaligen Bauakademie „entsteht ein Gebäude für die Gemeinschaft… nicht nur für Berliner*innen, sondern auch für alle anderen Elfen, Kobolde und sonstigen Geschöpfe, die sich am Tag und in der Nacht, verkleidet oder auch nicht, durch die Hauptstadt bewegen.“

Besondere Freude erzeugte bei der diesjährigen Jury-Sitzung die herausragende Qualität der Beiträge der  Star-Architekten bis 14 Jahren, die natürlich allesamt mit einem auf ihr Alter abgestimmten Preisgeschenk für die Wettbewerbsteilnahme belohnt wurden. Vier Arbeiten hob die Jury dabei als gleichwertige Preisträger besonders hervor.


Aus einem Würfel werden ganz viele. Der Beitrag "Kulturerbe in 200 Jahren" könnte die grübelnden Planer im Land tatsächlich auf ganz andere Ideen bringen.

Aus einem Würfel werden ganz viele. Der Beitrag "Kulturerbe in 200 Jahren" könnte die grübelnden Planer im Land tatsächlich auf ganz andere Ideen bringen.

Glasklare Marshmallowkunst: "Kulturerbe in 200 Jahren"

Glasklare Marshmallowkunst: "Kulturerbe in 200 Jahren"

 

Der Entwurf „Kulturerbe in 200 Jahren“ ist eine Bauakademie aus süßen Schaumstoffwürfeln, deren Räume bei Bedarf miteinander verschmelzen. “Oder man kann sie austauschen und aufessen“. Außerdem preiswürdig: “die Vegane Backademie”, die die Jury mit ihrem eckig-sprialförmigen Innenhof und der begrünten Treppe überzeugte.

„Ein echtes Stück Architektur“, lobte Jury-Mitglied Udo Gleim, sowie der Favorit der Herzen: “die Gummibärchenakademie”. Der „Planet Bauakademie“ erfreut schließlich als eine kunstvolle architektonische Konstruktion aus Butterkeksen, die auf einer Riesenoblate durchs All saust. Hier gibt es in Saus und Braus das, was auch die realen Akteure rund um die Schinkel’sche Bauakademie gut gebrauchen könnten: „Die Superkraft des Planeten Bauakademie liegt an der guten Laune!“  

Die Bauakademie ins All schicken? Das könnte unterhaltsam werden! "Planet Bauakademie"

Die Bauakademie ins All schicken? Das könnte unterhaltsam werden! "Planet Bauakademie"

Für die Jury der Favorit der Herzen: die"Gummibärchenakademie"

Für die Jury der Favorit der Herzen: die"Gummibärchenakademie"

100 Prozent nachhaltig und pflanzlich: die Baustoffe Marzipan und Schokolade der "veganen Backademie"

100 Prozent nachhaltig und pflanzlich: die Baustoffe Marzipan und Schokolade der "veganen Backademie"

In diesem Sinne freuen wir uns schon auf den nächsten, endlich corona-freien eat-city Wettbewerb im Winter 2022/23: dann wieder mit einer Präsenzsitzung der Jury inklusive passendem kulinarischem Begleitprogramm. „Die Gummibärchen, die wir sonst miteinander geknabbert haben, haben diesmal schon sehr gefehlt“ gesteht die langfjährige eat-city Jurorin Silvia Schellenberg-Thaut, Eins ist sicher: wären all die süßen und inspirierenden Mini-Bauakademien bei dieser Jurysitzung real und nicht nur als Bilddokumentation vor Ort gewesen, hätte ihnen mit großer Sicherheit das Risiko des Verspeistwerdens gedroht.

Wir danken den Sponsoren des diesjährigen eat city-Wettbewerbs:

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