Re-Use, Antimonumente und Wasserwelten: Die Siegerprojekte des CAMPUS Awards
Eine Schwimmfabrik im Herzen von Paris, die Rückeroberung unwirtlicher Räume oder die Transformation längst vergessener Orte in neue urbane Treffpunkte: Die zwölfte Ausgabe des competitionline CAMPUS Awards zeigt, welche Themen die Studierenden bewegen – und welche Impulse die Architektur der Zukunft prägen könnten. Besonders im Fokus standen der bewusste Umgang mit bestehender Bausubstanz, kreislauforientierte Planungsansätze sowie klimaresiliente und lebenswerte Stadtentwicklungen in städtebaulichen und freiraumplanerischen Konzepten.
Zum Jahresende wurden im Berliner Frizz23 die besten Ideen präsentiert. 146 Projekte von 45 Hochschulen aus drei Ländern nahmen teil. Nach einer Vorauswahl bewertete die Jury 70 Arbeiten. Am Ende eines inspirierenden Tages voller spannender Projekte und Diskussionen vergab sie sechs Preise und zwei Anerkennungen. Doch die Veranstaltung ging erneut über den reinen Wettbewerb hinaus: Die Arbeiten zeigten die drängende Suche nach Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit, wie Udo Gleim, Jurymitglied und Professor für Baugeschichte und Entwerfen an der Hochschule Darmstadt, zum Abschluss betonte.
Die Preisträger*innen auf einen Blick:
Studierenden- und Bachelorarbeiten:
- Preis (900 Euro): [Hotel] Sylter Höfe. Transformation eines Antimonuments von Maximilian Willems und Sebastian Reitemeyer (Technische Universität Berlin)
- Preis (900 Euro): What when the pumps stop? von Felix Ridder, Moritz Wette, Giorgio Bruno und David Seitz (Technische Universität Berlin)
- Anerkennung (300 Euro): Detox Berlin | upgrade von Fabian Herrmann, Paul Fromherz, Fabian Haslehner und Fynn Kleine-Möllhoff (Technische Universität Wien)
- Anerkennung (300 Euro): BUTTERFLY von Moritz Grünaug, Bastian Jannis Hau und Levent Ortak (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart)
Master- und Diplomarbeiten:
- Preis (900 Euro): Denkmalwerte von Warenhäusern der Nachkriegsmoderne von Johann Griem (HAWK Hildesheim)
- Preis (900 Euro): Wandel.Gestalten – Über das Recycling von Orten im städtischen Raum von Ann-Kathrin Penkert (Münster School of Architecture, Fachhochschule Münster)
- Preis (900 Euro): BEYOND DEMOLITION – RE.IMAGINING RE.USE von Kimberly Rahn und Toni Bethäuser (Leibniz Universität Hannover)
- Preis (900 Euro): Framework for Occupation von Fabian Jäger (RWTH Aachen)
Zwei Preise und zwei Anerkennungen für Studierenden- und Bachelorarbeiten
Von den 34 Projekten der Studierenden qualifizierten sich sieben Arbeiten für die engere Wahl. Neben den späteren Preisträger*innen gehörten dazu auch die drei Projekte
- "Wikiträger+" von Christian Flaig, Tobias Baumann, Dominik Pelz und Sebastian Messmer (HTWG Konstanz): ein innovatives Hallentragwerk aus gesteckten Holzplatten,
- "ERBE – Das ERleben BEhalten, das ERhalten BEleben" von Johannes Isheim (hochschule 21): die denkmalgerechte und ökologische Umnutzung eines Kaufhauses in Wandsbek,
- "Stadt Raum Hybrid, Typologie des Alltäglichen" von Florian Meissner, Stefan Gross und Kilian Reuser (Technische Universität München): die Transformation eines Bremer Kaufhauses in einen multifunktionalen sozialen Ankerpunkt.
©Johannes Isheim
ERBE: Der Entwurf zeigt, wie der Bestand des Karstadt-Kaufhauses in Wandsbek aus den 60er Jahren mit kleinen Eingriffen zu einem flexiblen Gebäude mit natürlichen Lufträumen und vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten transformiert werden kann.
©Florian Meissner, Kilian Reuser, Stefan Gross
Anstelle von Passivität und Konsum sollen mit dem Stadt Raum Hybrid Aktivität und Bildung im ehemaligen Kaufhof in Bremen Einzug halten.
Behutsamer Bestandserhalt
Mit seiner Angemessenheit, seiner Zurückhaltung und dem respektvollen Umgang mit dem Bestand reiht sich das Projekt "[Hotel] Sylter Höfe. Transformation eines Antimonuments" in zeitgenössische Architekturströmungen ein. Es zielt darauf ab, den Gebäudekomplex Hotel Sylter Hof in Berlin aus den 60er Jahren durch behutsame Eingriffe zu revitalisieren und nachhaltig umzunutzen. "Der baupolitischen Praxis, städtebauliche Veränderungen durch Abriss und Neubau herbeiführen zu wollen, setzen wir das Konzept des 'Antimonuments' entgegen, das die verborgenen Qualitäten des Bestands freilegen soll", erklärt das Team. Im Fokus steht dabei die Öffnung zum öffentlichen Raum. Ein Nutzungsmix aus Wohnen, Arbeiten und Hotelbetrieb macht die Gebäude wieder zugänglich, während die charakteristische Architektur aus der Nachkriegsmoderne erhalten bleibt.
©Sebastian Reitemeyer, Maximilian Willems
Stadtumbau neu denken: Die Transformation eines Westberliner Antimonuments soll beweisen, wie vermeintlich ausgediente Gebäude der 50er und 60er Jahre durch gezielte Eingriffe mit Mehrwert in den Stadtraum integriert werden können.
Das Preisgericht würdigt den Umnutzungsentwurf als "differenzierte Arbeit, die ein stimmiges Ensemble bildet". Besonders hervorgehoben wird die Erdgeschosszone, die das umliegende Quartier geschickt einbezieht und belebt. "Der Entwurf ist auf vielen Ebenen gut und unaufgeregt ausgearbeitet", lobt Architekt Leon Radeljic. Udo Gleim betont: "Mit genau dem richtigen Maß zeigen die Verfasser, dass man mit vermeintlich wenig viel erreichen kann." Für die sensible und gestalterisch anspruchsvolle Umsetzung erhält das Projekt einen Preis.
©Sebastian Reitemeyer, Maximilian Willems
Eine zweigeschossige Sockelzone verbindet den Straßenraum über Zugänge und Sichtachsen mit den Innenhöfen und nimmt neue Funktionen auf.
Wasserknappheit in Berlin
Der zweite Preisträger, das Landschaftsarchitekturprojekt "What when the pumps stop?", untersucht, wie ein lebenswertes Berlin angesichts drohender Wasserknappheit nach dem Kohleausstieg in der Lausitz gestaltet werden könnte. Die Verfasser entwerfen eine ganzheitliche Zukunftsvision: "Wasser bildet den zentralen Kreislauf unseres Quartiers: ein fließendes, prozesshaftes Momentum im Sinne einer metabolischen Stadtentwicklung." Bestehende Strukturen wie Kraftwerksschornsteine, Hafenbecken und Silos werden umgenutzt, um Wasserressourcen sichtbar zu machen. Durch die Aufbereitung von Grauwasser, Speicherung von Regenwasser und Verwertung von Schwarzwasser zu Wasserstoff und Dünger entsteht ein lebendiges Reallabor. Das Quartier löst die starren Grenzen zwischen Umwelt und Stadt auf und fördert kollektives Verantwortungsbewusstsein, das auch nicht-menschliche Akteure einbezieht.
©Felix Ridder, Giorgio Bruno, Moritz Wette, David Seitz
Wie kann ein lebenswertes Berlin in Zeiten von erwarteter Wasserknappheit nach dem Kohleausstieg in der Lausitz aussehen?
©Felix Ridder, Giorgio Bruno, Moritz Wette, David Seitz
Die Ressource Wasser bzw. ganzheitlich "Wetness" wird in den Mittelpunkt einer Vision des Berlins von übermorgen gestellt. Das Team entwickelt das Areal um das Kraftwerk Klingenberg in Rummelsburg als anthropozäne Folgelandschaft zu einem Reallabor.
"Hier wurde eine ortsspezifische Klimafolgenproblematik aufgegriffen und überzeugend dargelegt, wie diese lokal bewältigt werden kann", sagt Landschaftsarchitekt Henning Holk. Das Team überzeugte die Jury, indem es prozessuale Zusammenhänge feingliedrig aufzeigt und sich intensiv mit dem Thema Wasser auf allen Ebenen auseinandersetzt. Besonders positiv bewertet wurde die bewusste Offenheit des Entwurfs, der Raum für Interpretation lässt. Neben dem inhaltlichen Mehrwert lobt die Jury die hohe gestalterische Qualität: "Von allen Einreichungen sind mir diese Darstellungen am stärksten in Erinnerung geblieben", so Architektin Ramona Schwertfeger.
©Felix Ridder, Giorgio Bruno, Moritz Wette, David Seitz
Das Quartier lebt von Kreisläufen, die alle Dimensionen des Raums durchziehen. Insbesondere der Wasserkreislauf wird dabei zum sichtbaren und verbindenden Element des Reallabors.
Verkehrsberuhigte Stadtentwicklung
Ein Zukunftsszenario für die Hauptstadt entwirft auch das Projekt "Detox Berlin | upgrade". Das Team der TU Wien präsentiert einen Ansatz zur verkehrsberuhigten Stadtentwicklung. Versiegelte Flächen, fehlende Begrünung und Beschattung, Straßen als Barrieren für Fußgänger*innen, Lärm und gesundheitsschädliche Abgase – all das wollen die Verfasser überwinden. Bei der Analyse der Berliner Stadträume identifizierte das Team den Bereich um die Karl-Marx-Straße und Hermannstraße als besonders stark belastet. Hier sehen die Verfasser das größte Potenzial für eine positive Transformation. Vorgeschlagen wird eine mehrstufige Neugestaltung des Areals, deren Maßnahmen sich auch auf andere Stadträume übertragen lassen sollen.
©Fabian Herrmann, Paul Fromherz, Fabian Haslehner, Fynn Kleine-Möllhoff
Durch die Neugestaltung des Straßenraums soll der Verkehr im Gebiet reduziert und damit verbunden eine vielfältige Stadtstruktur mit Lebensraum für alle geschaffen werden.
Für die Ernsthaftigkeit, die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema des Stadtumbaus und die Detailtiefe der Arbeit vergibt das Preisgericht eine Anerkennung. Besonders hervorgehoben werden die präzisen, zugleich einfachen Eingriffe, die den Veränderungsprozess klar strukturieren. "Basierend auf einer detaillierten Analyse der bestehenden Situation zeigt der Entwurf eine kraftvolle Vision, wie sich der Stadtraum verändern könnte, wenn zwei Magistralen vom Verkehr befreit würden", so die Begründung der Jury.
©Fabian Herrmann, Paul Fromherz, Fabian Haslehner, Fynn Kleine-Möllhoff
Der Fokuspunkt M (oben rechts) konzentriert sich auf den Übergang von außerhalb zu innerhalb des S-Bahn-Rings. Fokuspunkt K stellt dar, wie die Barrierewirkung, die mit einer Verkehrsachse einhergeht, überwunden werden soll.
Raffiniertes Verschattungssystem
Eine weitere Anerkennung erhielt das interdisziplinäre Projekt "Butterfly" der AbK Stuttgart. Entwickelt von den Fachgruppen Design und Architektur, reagiert das neuartige Verschattungssystem auf die klimawandelbedingte Herausforderung, Städte besser an extreme Wetterbedingungen anzupassen. Die leichte, modulare Konstruktion aus Aluverbundplatten zeichnet sich durch eine bewegliche Kachelstruktur aus, die eine flexible Anpassung des Schattenbildes zwischen Voll- und Halbschatten ermöglicht. Durch die identische Geometrie der Kacheln lässt sich die Konstruktion problemlos erweitern und umgestalten.
©Moritz Grünaug, Bastian Jannis Hau, Levent Ortak
Das Verschattungssystem vereint Ästhetik und Funktionalität, bietet eine neuartige Verschattungsqualität und macht den Schatten selbst erlebbar.
Die Jury würdigt die intelligente Idee, die den Gedanken der Suffizienz in der zeitgenössischen Architektur vorbildlich aufgreift. Das System überzeuge durch die Kombination aus vielseitiger Funktionalität und ästhetischem Mehrwert, etwa durch den eindrucksvollen Schattenwurf. Die Grafiken und Fotografien stellen die Funktionsweise laut Jury klar und verständlich dar und inszenieren das Projekt zugleich "auf poetische Weise". "Butterfly ist charmant, nahbar und überzeugt durch eine hohe technische Raffinesse", fasst das Preisgericht zusammen.
©Moritz Grünaug, Bastian Jannis Hau, Levent Ortak
Die Kacheln lassen sich über diagonale Stahlseile stufenlos verschieben. Das Öffnen und Schließen wird durch gelagerte Gelenke an den Kachelecken ermöglicht und kann motorisiert gesteuert werden.
Hallentragwerk mit digitaler Fertigung
Der Wikiträger+ ist ein innovatives Tragelement, dessen Form sich aus dem Kraftverlauf eines Rahmenträgers ableitet. Die Konstruktion verzichtet vollständig auf Schrauben, Nägel oder Leim, da die Bauteile über Schwalbenschwanz- und Steckverbindungen kraftschlüssig zusammengesetzt werden. Mithilfe einer Dreiachsfräse lassen sich Holzfurnierplatten zu formoptimierten Bauteilen für den Träger verarbeiten. Spannweiten von bis zu 20 Metern bieten flexible Einsatzmöglichkeiten, etwa für Werkstätten oder Hangars. Die Jury würdigte das Projekt mit einer lobenden Erwähnung, da es die Möglichkeiten der digitalen Fertigung aufzeigt. Es stehe als Zeitzeuge für die aktuelle Baukultur, die sich vermehrt mit der Industrialisierung und Rationalisierung von Bauprozessen beschäftige. Außerdem lobte das Preisgericht die Demontierbarkeit, den einfachen Transport und Aufbau der Elemente.
©Christian Flaig, Tobias Baumann, Dominik Pelz, Sebastian Messmer
Seine Tragfähigkeit erhält der Wikiträger+ durch Zug- und Druckgurte, die mittels Steckverbindungen mit den Wangen verbunden sind. 2024 wurde der erste Prototyp erfolgreich realisiert.
Mitglieder des Preisgerichts
- Achim Hack, Professor für Innenarchitektur an der Hochschule Wismar
- Inga Hahn, Hahn Hertling von Hantelmann
- Oliver Hantke, Professor für Innenarchitektur und Dekan der Fakultät Gestaltung an der Hochschule Wismar
- Henning Holk, hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH
- Udo Gleim, Professor für Baugeschichte und Entwerfen an der Hochschule Darmstadt
- Fahim Mohammadi, Professor für Grundlagen der Gestaltung und experimentelles Entwerfen an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
- Leon Radeljic, ZRS Architekten Ingenieure
- Martin Schmitz, Atelier Loidl
- Ramona Schwertfeger, Lager Schwertfeger
- Dirk Bonnkirch-Reineau, Geschäftsführer competitionline
- Nicolai Blank, Chefredakteur competitionline
Vier Preise in der Kategorie Master- und Diplomarbeiten
Auch bei den Master- und Diplomarbeiten führte die Jury angeregte Diskussionen darüber, welche Projekte das größte Potenzial haben, positive Impulse für das Bauen der Zukunft zu geben. Unter den 29 Einreichungen aus dieser Kategorie vergab das Preisgericht nach dem dritten Rundgang vier Preise.
Denkmalwerte von Warenhäusern
Die Transformation von Kaufhäusern ist nicht nur ein hochaktuelles Thema in der Stadtentwicklung, sondern auch ein Dauerbrenner beim CAMPUS Award. Unter den zahlreichen Einreichungen überzeugte die Arbeit "Denkmalwerte von Warenhäusern der Nachkriegsmoderne" durch ihren ungewöhnlichen Ansatz. Anstatt direkt eine Entwurfslösung zu präsentieren, geht der Verfasser zunächst einen Schritt zurück: Ausgehend von denkmaltheoretischen Fragestellungen dokumentiert und analysiert die Masterthesis systematisch den Bestand der Warenhäuser des Horten-Konzerns aus der Nachkriegszeit. Die Erkenntnisse aus der detaillierten Analyse fließen schließlich in einen Entwurf zur zukunftsfähigen Nachnutzung dieser Bautypologie in Hildesheim ein.
©Johann Griem
Am Beispiel der Horten-Bauten mit ihren ikonischen Gitterwerksfassaden setzt sich die Arbeit mit der Bautypologie nachkriegsmoderner Warenhäuser auseinander und liefert denkmalpflegerische und architektonische Umgangsstrategien.
Die Jury zeigte sich begeistert von der "äußerst reflektierten sowie zukunftsweisenden" Arbeit und zeichnete sie einstimmig mit einem Preis aus. "Der Verfasser leistet fundierte Grundlagenforschung, indem er systematisch den Bestand und die erhaltenswerten Qualitäten der Horten-Gebäude erfasst", betont Udo Gleim. Damit rücke er den häufig vernachlässigten baukulturellen Wert der ehemaligen Warenhäuser ins Zentrum. Bereits die umfassende Dokumentation und Analyse des Gebäudebestands bewertet die Jury als aktive Form der Denkmalpflege. Sie eröffne neue Perspektiven für eine sensible und zukunftsorientierte Weiterentwicklung der "Riesen in der Stadt".
©Johann Griem
Aus den 19 noch erhaltenen Standorten mit Gitterwerksfassade wählt der Verfasser das Hildesheimer Kaufhaus aus und erarbeitet dafür einen Nachnutzungsentwurf.
Recycling von Orten im städtischen Raum
Auch die prämierte Arbeit "Wandel.Gestalten" verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und betrachtet Kaufhaus-Umnutzungen im innerstädtischen Kontext. Neben den Kaufhäusern selbst sollen auch die Potenziale des umliegenden Stadtraums genutzt werden, um Leerstände in lebendige und nachhaltige Räume zu transformieren. Das ehemalige Karstadt-Gebäude in Celle wird im Rahmen eines kollaborativen Ansatzes zum "Wandel.Haus" umgestaltet. Die "Wandel.Werkstatt" erprobt dabei neue Nutzungskonzepte für das Haus. Die bestehende Bausubstanz wird weitgehend erhalten, Materialien werden recycelt, und flexible, modulare Bauelemente schaffen vielseitig nutzbare Räume. Durch offene Bereiche und Schwellenräume entsteht eine urbane Landschaft im Inneren des Gebäudes. Das Atrium als Knotenpunkt vernetzt die einzelnen Bereiche, lädt zu Begegnung, Austausch und demokratischer Teilhabe an.
©Ann-Kathrin Penkert
Das ehemalige Celler Kaufhaus bildet als "Wandel.Haus" einen neuen Mittelpunkt der Innenstadt. Seine Transformation folgt einem kollaborativen Ansatz, bei dem städtische Akteur*innen und Bürger*innen aktiv eingebunden werden.
Die Transformation zu einem multifunktionalen Zentrum, das soziale Begegnungsräume, ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Impulse vereint, wurde laut Preisgericht überzeugend dargestellt. Besonders positiv hebt die Jury den gelungenen Nutzungsmix hervor, der in den Grundrissen und Darstellungen "klar und nachvollziehbar" abgebildet wird. Durch den Wechsel zwischen Konzeptentwicklung und konkreter räumlicher Umsetzung schaffe die Verfasserin eine stimmige Herleitung, die keine Fragen offenlässt. Die lichtdurchflutete Gestaltung und die Organisation der Räume wirkten ebenso vielversprechend wie funktional. Die kompakte Struktur des Bestandsgebäudes erweise sich dabei als Vorteil, der geschickt genutzt wurde, um das Projekt "präzise und effizient auszuarbeiten".
©Ann-Kathrin Penkert
Die Gestaltung des Gebäudes fördert durch flexible, modulare Bauelemente den Austausch zwischen verschiedenen Nutzergruppen und lädt zur aktiven Mitgestaltung des Raums ein.
Wiederverwendung neu denken
Mit Re-Use in einer anderen Form beschäftigt sich das dritte preisgekrönte Projekt "Beyond Demolition". Es setzt sich mit der adaptiven Wiederverwendung (Adaptive Re-Use) obsolet gewordener Bausubstanz sowie Bauteile auseinander. Dabei werden Entwurfsmethoden erprobt, die den Entwurfsprozess im Sinne eines "Design by Availability" verändern und zu einer neuen Ästhetik führen. Für das Quellobjekt – in diesem Fall eine ehemalige Feuerwache in der Calenberger Neustadt – wird zunächst ein Bauteilkatalog mit Angaben zu Ausbau- und Wiederverwendungspotenzial der Bauteile erstellt. Anschließend wird die Umnutzung an einem Zielobjekt exemplarisch entwurflich durchgespielt. Das Ergebnis ist ein städtebaulicher Entwurf, der 68 Prozent der Bauteile ein zweites Leben ermöglicht.
©Kimberly Rahn, Toni Bethäuser
Die Arbeit behandelt die Umnutzung einer ehemaligen Feuerwache in der Calenberger Neustadt. Die Stadt plant dort eine Wohnbebauung und den Abriss von vier Gebäuden. Die Analyse verdeutlicht jedoch, dass diese architektonische Qualitäten aufweisen und durch Aufstockungen und Erweiterungen den Wünschen der Stadt entsprechen könnten.
Die Jury lobt die relevante Fragestellung, die im Fokus der Arbeit steht, und würdigt ihren experimentellen Charakter. Sie setzte wichtige Impulse für den ressourcenschonenden Umgang mit dem Bestand und zeige, wie architektonische Prozesse in Zukunft gedacht werden können. "Das Projekt ist im Bereich des Bauteilmanagements weit fortgeschritten. Die Katalogisierung und Wiederverwendung einzelner Bauteile in einem neuen Entwurf lassen einen Einblick zu, welche Auswirkungen diese Art des Bauens haben könnte, wenn wir sie weiter proklamieren", betont Oliver Hantke.
©Kimberly Rahn, Toni Bethäuser
Für den Weiterbau nutzt das Team Bauteile aus einem Gebäude, dessen Abriss bevorsteht. Die Entwurfsstudie zeigt eine Methodik und Ästhetik für das Bauen mit vorhandenen Bauteilen aus einem Quellobjekt auf, die in einem Zielobjekt in neuer Konstellation Verwendung finden.
Wenn Neubau, dann wie?
Was bedeutet das Streben nach Langlebigkeit für die Gestaltung eines Gebäudes? Wie lässt sich eine flexible Struktur schaffen, die nicht nur für das Jetzt, sondern auch für eine ungewisse Zukunft geeignet ist? Dieser Herausforderung stellt sich das vierte in dieser Kategorie prämierte Projekt "Framework for Occupation". Der Verfasser entwickelt einen universell einsetzbaren Prototypen für den Neubau, der durch seine Nutzungsoffenheit an Flexibilität gewinnt. Anhand eines exemplarischen Entwurfs für eine Berliner Baulücke wird gezeigt, wie ein offener Grundriss auf zukünftige Nutzungswechsel reagieren kann. Im Zentrum steht der nutzungsneutrale Raum: ein quadratisches, 25 m² großes Feld ohne festgelegte Funktion, das maximale Anpassungsfähigkeit ermöglicht.
©Fabian Jäger
"Wenn wir neu bauen müssen – und das werden wir – wie sollen wir dies tun?" Auf diese Frage versucht Fabian Jäger mit seiner Arbeit "Framework for Occupation" eine Antwort zu finden.
"Es ist bemerkenswert, dass sich die Arbeit im Kontext der aktuellen Architekturleitgedanken dem Neubau widmet – jedoch mit der richtigen Fragestellung und einer überzeugenden Antwort", so Udo Gleim. Angesichts der Tatsache, dass der Neubau nicht zu negieren sei, biete das Projekt zeitgemäße Lösungen für die Herausforderungen von Nutzungsflexibilität und Nachnutzung. Die Jury hob besonders die ausgewogenen Proportionen, die klare Gestaltung und das funktionale Raster hervor, das gleichermaßen für Wohn- und Büronutzungen geeignet sei. Positiv bewertet wurden zudem die anschaulichen Visualisierungen und die professionelle Darstellung.
©Fabian Jäger
Was, wenn sich die Bedürfnisse künftiger Generationen von den heutigen unterscheiden? Kann eine langlebige Struktur flexibel genug sein, um diesen Wandel zu ermöglichen? Durch die Entflechtung von Struktur und Nutzung soll das prototypische Gebäude langfristig seine Relevanz bewahren und einem Abriss entgehen.
Fakultätsprojekte: Modelle aus Pilzen, Entwerfen mit VR und Umgang mit Starkregen
Bei den Fakultätsprojekten wählte das Preisgericht aus den insgesamt sieben Einreichungen drei Projekte in die engere Wahl:
- "Mycelium Model Making" von Melissa Acker, Julia Krayer, Lina Vieres und Miriam Josi (Hochschule für Technik Stuttgart),
- "Digitales Handwerk" von Thomas Mrokon, Joel Jöbgen, Miriam Weckerle und Jonathan Haber (Hochschule Mainz),
- "Creating River_Space. XI. International Summer School on Rhine Rivers" von Annette Rudolph-Cleff und Simon Gehrmann (Technische Universität Darmstadt), in Zusammenarbeit mit Leonhard Schenk und Andreas Schwarting (HTWG Konstanz), Anke Vrijs und Irene Sartoretti (INSA Straßburg), Mattijs Loor und Ady Steketee (ArtEZ Arnhem), Adolfo Baratta (Universität Roma Tre), Arturo Romero Carnicero (KIT).
Die Projekte widmen sich verschiedenen Problemstellungen der angewandten Forschung. Im International Master of Interior-Architectural Design der HFT Stuttgart suchten Studierende etwa nach biologischen Alternativen zu Polystyrol im Modellbau und experimentierten mit Myzel, dem "Wurzelwerk" von Pilzen. Zusammen mit einer Biodesignerin analysierten sie Abfallströme der Hochschule, um geeignete Substrate für die Myzelzucht zu finden. Für den folgenden Semesterentwurf wählten die Studierenden je einen Aspekt des Materials aus, der besonderes Interesse weckte, z. B. eine Methode des Formenbaus oder eine Veredelungstechnik. Ziel war es, die Vielfalt der Modellbau-Möglichkeiten mit diesem natürlichen Komposit aufzuzeigen – vom Möbel- oder Detail-Mock-up, über Innenraum-, Schnitt-, und Fassadenmodelle bis hin zum Städtebau-Modell in verschiedenen Maßstäben.
©Katharina Mayer
Studierende der HFT Stuttgart erforschten, wie sich Pilzmyzel als biologische Alternative für den Modellbau in Architektur und Design verwenden lässt.
©arge lola - Andreas Langen, Kai Loges
Der Entwurf wurde betreut von den Myzelforscherinnen Julia Krayer und Lina Vieres (Fraunhofer UMSICHT) sowie der Akademischen Mitarbeiterin Melissa Acker. Für das Projekt wurde an der HFT ein improvisiertes "Myco Lab" eingerichtet.
Mit Alternativen zu konventionellen Baustoffen beschäftigte sich auch ein Projekt der Hochschule Mainz, das digitale und analoge Werkzeuge kombiniert hat. Hier entwarfen Studierende in einer Virtual Reality (VR)-Umgebung (GravitySketch) einen Holzpavillon. Zugunsten der Materialbeschaffung durch Urban Mining wurde die Planung vollständig parametrisiert. Dadurch konnten die Querschnitte und die Anzahl der tragenden und raumbildenden Elemente individuell an das verfügbare gesammelte Holz angepasst werden. Ein anschließender Augmented Reality (AR)-gestützter Workflow erlaubte die komplexe Fertigung von über 700 Einzelteilen ohne traditionelle Pläne. So konnte ein Pavillon für den Campus mit reinen Holzverbindungen ohne Schrauben realisiert werden.
©Thomas Mrokon, Joel Jöbgen, Jonathan Haber, Miriam Weckerle
Architekturstudierende im zweiten Semester bauen in einem hybriden Format mit digitalen und analogen Werkzeugen einen Holzpavillon für den Campus der Hochschule Mainz.
©Thomas Mrokon, Joel Jöbgen, Jonathan Haber, Miriam Weckerle
Durch die Parametrisierung konnten die Querschnitte und die Anzahl der tragenden und raumbildenden Elemente individuell an das verfügbare gesammelte Holz angepasst werden. Auch eine komplexe Geometrieerstellung und -verwaltung mit über 700 unterschiedlich zu bearbeitenden Einzelteilen wurde dadurch möglich.
Bei der "XI. International Summer School on Rhine Rivers" an der TU Darmstadt standen innovative Ansätze zum Umgang mit Starkregenereignissen und Hochwasser im Fokus. Das Kooperationsprojekt von sieben europäischen Universitäten und Hochschulen findet seit 2013 jährlich an unterschiedlichen Standorten statt. In multinationalen Teams entwickelten die Architekturstudierenden Lösungen, um die Folgen von Starkregenereignissen planerisch zu verhindern oder abzumildern. Aufgabe war es, auf der Basis von eigenen Erfahrungen mit Infrastrukturen und Flüssen ein physisches Modell zu bauen, das die Schnittstelle zwischen Stadt und Fluss thematisiert. Die fertigen Modelle wurden im wasserbaulichen Forschungslabor der TU Darmstadt (Hydrolab) unterschiedlichen Strömungen und Wasserständen ausgesetzt und evaluiert.
©Anette Rudolph-Cleff
Im Fokus der Summer School stand die Frage, wie sich die Auswirkungen von Starkregenereignissen wie bei der Katastrophe im Ahrtal 2021 planerisch vermeiden oder zumindest abmildern lassen.
©Anette Rudolph-Cleff
Im Hydrolab (wasserbauliches Forschungslabor der TU Darmstadt) konnten die internationalen Studierendenteams austesten, wie ihre Modelle auf unterschiedliche Strömungen und Wasserstände reagieren.
Alle Fakultätsprojekte zeigen innovative Ansätze und eröffnen spannende Perspektiven für die Zukunft. Auch wenn in dieser Kategorie kein Preis vergeben wurde, würdigt die Jury insbesondere das vorbildliche Engagement der Initiator*innen. Die drei Seminare in der engeren Wahl zeichnen sich laut dem Preisgericht dadurch aus, dass sie den Studierenden Zugang zu Themen und Werkzeugen ermöglichen, die über den regulären Lehrplan hinausgehen – sei es durch ein Myzellabor, das Hydrolab oder die Arbeit mit Virtual und Augmented Reality. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit über den eigenen Campus hinaus gestärkt, etwa mit Forschungseinrichtungen oder internationalen Universitäten.
Ein Motor für den Wandel
"Der CAMPUS Award wurde ins Leben gerufen, um ein Schaufenster in die Hochschullandschaft zu schaffen, das auch Planungsbüros inspiriert und bereichert", erklärt Nicolai Blank. "Jedes Jahr gewinnen wir Einblicke in die aktuellen Entwicklungen an den Universitäten, erfahren, welche Themen sie vorantreiben und welche Lösungen sie für die zentralen Fragen unserer Zeit erarbeiten. Hochschulen können als Inkubator für innovative Ansätze und als Vordenker für die Baubranche entscheidende Impulse setzen. Daher haben wir uns auch in der diesjährigen Ausgabe wieder über die Vielfalt an spannenden Einreichungen gefreut."
"Besonders faszinierend finde ich, dass der Anteil der Projekte, die sich mit dem Um- oder Weiterbauen bestehender Bausubstanz beschäftigen, immer mehr zunimmt", sagt Ramona Schwertfeger. "Es ist großartig zu sehen, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Architektur an den Hochschulen offenbar an Bedeutung gewinnt und sich dies auch in den Aufgabenstellungen für die Entwürfe widerspiegelt."
Alle sind auf der Suche nach Antworten und Lösungen für die Fragen unserer Zeit – ein Prozess, der die Hochschulen zu einem wichtigen Motor für den Wandel macht. Denn aus dieser Suche erwachsen Chancen, eine nachhaltigere und zukunftsfähigere Baukultur zu schaffen.
Im Namen des Preisgerichts und der Sponsoren gratuliert competitionline den Preisträger*innen. Wir danken ...
- ... allen Teilnehmer*innen für die inspirierenden Einreichungen,
- ... den Preisrichter*innen für die engagierten Diskussionen,
- ... den Sponsoren des Wettbewerbs für die Preisgelder: SCHÜTT INGENIEURBAU GmbH & Co. KG, ATP architekten ingenieure, atelier 4d Planungs GmbH, EGL Entwicklung und Gestaltung von Landschaft GmbH, r+b landschaft s architektur.
Alle prämierten Einreichungen, ihre Macher*innen und Möglichmacher – sprich die Fakultäten – stellen wir im Laufe der nächsten Monate auf competitionline.com vor.
Hier geht es zum Wettbewerbsergebnis.
Der competitionline CAMPUS Award
Jedes Jahr kürt competitionline im Rahmen seines Studierendenwettbewerbs innovative und einzigartige Projekte aus Architektur- sowie Ingenieurfakultäten und präsentiert die Preisträger*innen auf competitionline.com.
Prämiert werden herausragende Projekte aus
- Architektur,
- Innenarchitektur,
- Stadt- und Landschaftsplanung,
- Ingenieurwesen.
Die Projekte können
- fachspezifisch oder disziplinübergreifend sein,
- Arbeiten aus branchenrelevanten Randgebieten wie der Materialforschung oder Informatik sowie Konzepte aus Lehre, Ausbildung und Architekturvermittlung umfassen,
- Kooperationen mit Unternehmen, Planungsbüros oder anderen Fakultäten im In- oder Ausland einschließen.
Kategorien:
- I. Studierenden- und Bachelorarbeiten
- II. Master- und Diplomarbeiten (auch Promotionsarbeiten sowie anschließende Forschungsprojekte)
- III. Fakultätsprojekte/-konzepte (Studiengänge, besondere Lehrveranstaltungen etc.)
Innovationspreis: Zusätzlich kürt das Preisgericht eine der eingereichten Arbeiten aus den Kategorien I–III mit dem Innovationspreis, sofern sie Neuland betritt oder bestehendes Wissen in neuen Zusammenhängen erforscht.
Was gibt es zu gewinnen?
- Preise im Wert von ca. 6000 Euro
- einen Artikel zur Darstellung des Projekts und der Fakultät auf competitionline.com
- eine Jahresmitgliedschaft bei competitionline für alle Projektbeteiligten
- Ein Preisträger/eine Preisträgerin wird zur kommenden Jurysitzung von competitionline CAMPUS nach Berlin eingeladen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 29. Januar 2025 auf competitionline.com.
Mehr:
Weitere Artikel
Gewährleistung
competitionline übernimmt keine Verantwortung für Fehler, Auslassungen, Unterbrechungen, Löschungen, Mängel oder Verzögerungen im Betrieb oder bei Übertragung von Inhalten. competitionline übernimmt keine Verantwortung für Einbußen oder Schäden, die aus der Verwendung der Internetseiten, aus der Verwendung von Nutzerinhalten oder von Inhalten Dritter, die aus den Internetseiten oder über den Service gepostet oder an Nutzer übertragen werden, oder aus Interaktionen zwischen Nutzer und Internetseiten (online oder offline) resultieren. Bitte lesen Sie hierzu unsere Nutzungsbedingungen.