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Offener Wettbewerb | 09/2017

San Riemo - Ein forschendes Bauprojekt zum genossenschaftlichen Wohnen in der Messestadt Riem

Engere Wahl

Atelier Fanelsa

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf ist einem Rationalismus verpflichtet. Zum einen ist das ein poetischer Rationalismus italienischer Prägung – bei Betrachtung der Außenansichten denkt man an Malereien von Sironi. In der Komposition weniger Elemente entwickelt jedes dieser Elemente eine besondere Prägnanz: die Platten der Sockelausbildung, die Proportionen von Fensteröffnungen, die Solaranlage, die ein Sheddach nachbildet, Dachaufbauten oder die Liftüberfahrt. Zum anderen ist ein Rationalismus angesprochen, der einer in- dustriellen Logik folgt – etwas platt ausgedrückt jener eines Hochregallagers. Dieser Eindruck stellt sich bei Betrachtung des Erschließungsgerüstes mit Kaskadentreppe auf der Hofseite ein oder bei der Analyse des inneren, strukturellen Aufbaus. Die zum Ausdruck gebrachte Wohnform scheint eine solche Lesung zu unterstreichen. Das Gebäude entwickelt so eine sehr eigenständige Form, die bezogen auf die Stadt eher stumm bleibt. Damit bleibt unbeantwortet, inwiefern das Haus einen Beitrag zum Städtebau leistet.

Das Gebäude verfügt über einen Eingang an der Heinrich-Böll-Straße. Damit in Verbindung steht die daran anschließende zentrale, vertikale Erschließung bestehend aus einläufiger Treppe und Lift. Sie sind Teil einer offenen Erschließung mit Laubengängen. Die Lage von Treppe und Lift markiert auch eine Zäsur im Baukörper, der sich aus zwei Teilen zusammensetzt, was allerdings in der Straßenfassade unterspielt wird. Dieser Zweiteilung entspricht auch die Anordnung der Programme im Erdgeschoss: im nördlichen Teil befindet sich die Werkstatt, im südlichen die gemeinschaftlichen Räume. Die Werkstatt ist zum Hof hin stark geschlossen, was nicht ganz verständlich ist.

In den Obergeschossen werden die Wohnungen über Laubengänge erschlossen. Die Wohnräume sämtlicher Bereiche bauen auf einem festen Achsmaß, respektive fester Raumbreite und durchlaufenden Wänden auf. Die Bäder befinden sich im Innern an jeweils einer Wand angelagert. Die Küchen in Winkelform sind eher unmotiviert daran angelagert. Sosehr diese räumliche Disposition und strukturelle Strenge in Bezug auf die architektonische Idee des Neubaus plausibel und kohärent erscheint, so offenkundig werden auch deren Schwächen. Die Erschließung von Zimmern in größeren Wohnungen ist eingeschränkt und wirkt teilweise umständlich. Man vermisst zudem den Atem im Wechsel von kleinen und großen Räumen, welcher Wohnlichkeit zu erzeugen vermag. Und die Laubengangerschließung schränkt doch das Bedürfnis nach Intimität sehr weitgehend ein – die Autoren münzen diesen Umstand mit dem Titel «Laubenkollektiv» positiv. Eine weitere Konsequenz des Laubengangs ist, dass primär zum Hof gewohnt wird und Individualräume die Stadt- und Straßenseite prägen. Diese sehr eindeutige Ausrichtung widerspiegelt sich auch in den beiden sehr verschiedenen Fassaden.

Interessant ist die Idee, zwei Filialwohnungen über einen gemeinsamen, zweigeschossigen Raum zu verbinden, auch wenn dieser durch seine Erschließungsfunktion ein Stück weit «belastet» ist und für die beiden Wohnungen je sehr unterschiedliche Bedingungen geschaffen werden. Das Nukleuswohnen ist in einem überhohen Dachgeschoss untergebracht. Im Grundriss ist die Raumstruktur bis auf die
Badezimmerkerne weitgehend aufgelöst, im Schnitt besteht Raum für individuelle Einbauten wie Galerien etc. Die über Möblierungen schön dargestellte Wohnvorstellung findet leider keine räumliche Entsprechung. Die privaten Außenräume sind straßenseitig eingezogene Loggien. Einerseits relativieren sie die einseitige Ausrichtung des Wohnens auf dem Hof, andererseits verbergen sie sich hinter Fenstern, die für die Zimmer funktionieren, für einen Außenraum allerdings eher ungeeignet erscheinen. Zudem sind sie in der Tiefe sehr knapp bemessen.
Das Projekt überzeugt durch einen poetischen Ansatz und eine feine Durcharbeitung. Es bestehen aber bei der Wohnqualität Mängel, die nicht zu beheben sind.