modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Städtebaulich - landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb | 05/2009

Prozessuale Stadtentwicklung Tempelhofer Feld - Columbiaquartier

Ankauf

SERGIO PASCOLO ARCHITECTS

Architektur

Erläuterungstext

Tempelhof ist eine große Chance für Berlin: Der symbolträchtigste Flughafen Europas in unmittelbarer Nähe der historischen Stadt ist heute noch eine gigantische urbane Leere. Seine Potenziale bilden eine Ressource, die die deutsche Hauptstadt nutzen kann, um sich selbst ein neues Leitbild und eine innovative Logik zu verleihen und sich in Europa als dynamische, kreative und fortschrittliche Stadt zu behaupten. Der Flughafen befindet sich an einem strategischen Standort, um ein Beziehungsgeflecht zu dem Berliner Gebiet aufzubauen, mit dem er bereits wirksam durch ein effizientes öffentliches Verkehrsnetz verbunden ist. Er befindet sich nämlich im Mittelpunkt eines Dreiecks von Wasserläufen in einem städtebaulich erschlossenen Gebiet (Grunewald, Tegel, Tiergarten, Treptow), das geprägt ist von großen Grünflächen, die heute die grundlegenden Natur- und Umweltressourcen der modernen und nachhaltigen Stadt bilden. Indem Tempelhof in dieses Netzwerk eingebunden wird, kann Berlin seine Synergieeffekte verstärken und ihn in eine neue Drehscheibe verwandeln: eine neue Energiequelle, die neue Grüne Sonne des Berlins der Zukunft, die Energie ausstrahlt, um die Stadt umweltfreundlich zu gestalten und gleichzeitig Wissen, Innovation und Kreativität anzieht. Es ist nicht so, dass die Stadt einen Teil dieser großen Fläche “vereinnahmen” kann: wir denken eher daran, was dieser große, symbolträchtige Bereich in Richtung Stadt und für die Stadt zu generieren vermag. Die neue Tempelhof-Ära basiert erneut auf dem Außergewöhnlichen. Die Verbindung wird aber nicht mehr mit Flugzeugen hergestellt, sondern durch die Anziehungskraft einer kreativen Modalität zur Konvergenz von Know-how und Forschung zu wegweisenden Themen wie Energie, Soziales und Umweltschutz, die weltweit eine große Herausforderung darstellen. Auf dem neuen Feld treffen verschiedene Wissenbereiche aufeinander, um kreative Lösungen zu finden und zu erforschen, die dann über physische und virtuelle Netzwerke in Berlin, Deutschland, Europa und in der ganzen Welt verbreitet
werden. Tempelhof baut eine neue Brücke zu der Stadt des dritten Jahrtausends, vom Flughafen zum grünen Kern, ist Ausgangspunkt eines nachhaltigen urbanen Echos.

Tempelhof im Netz
Der einst in sich geschlossene Flughafen Tempelhof muss sich wieder zu den Nachbarbezirken öffnen und über das bestehende Netzwerk mit der ganzen Stadt Berlin verbunden werden. Wichtigster Grundsatz für die Einbindung von Tempelhof in die Stadt ist die Schaffung einer Verbindung zwischen den Stationen der U-Bahn, der S-Bahn und dem Feld mittels Eingliederung neuer verdichteter Baukörper. Sie grenzen an offene Fußgänger- und Radfahrerzonen, die das physische Verbindungsglied darstellen und die Dimension Natur und Mensch als neue Skala und Funktion der Stadt einführen. Das grüne Herz dehnt sich in Richtung Stadt aus und bringt Funktionsweisen mit sich, die der Natur eigen sind: Das grüne Herz dringt über schlanke erbaute Korridore in die Stadtteile ein.
Die neuen Stadtviertel repräsentieren in ihrer verjüngten Form das bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Feld und der Stadt, so dass eine physische Kontinuität erzielt wird, die den Bürgern ermöglicht, problemlos jeden Ort zu erreichen, und die eine starke und beständige Beziehung zwischen künstlich geschaffenen und natürlichen Bedingungen herstellt.

Die Prozess-Strategie
Tempelhof ist ein außergewöhnliches urbanes Gefüge. Er hat eine außergewöhnliche Dimension, eine außergewöhnliche Geschichte und kann eine außergewöhnliche Rolle in der Geschichte der Stadt des dritten Milleniums als neues Energiefeld für die kreative Verwandlung Berlins übernehmen, die allen Großstädten als Beispiel zu dienen vermag.
Tempelhof wird durch eine Reihe von eco-events, großen Veranstaltungen und Darbietungen internationalen Anklangs zum Experimentierfeld: die virtuelle Ideenbrücke für die nachhaltige Stadt der Zukunft versammelt auf dem Feld Erfinder, Forscher, Studenten, Designer, Unternehmen, Produzenten, Bürger, Benutzer, Investoren, Verwalter, um innovative Lösungen zu überlegen und zu generieren, die auf dem Feld ihre erste Anwendung finden. Der Prozess kann bereits 2009 – im europäischen Jahr der Kreativität und der Innovation - mit dem Motto beginnen: Lassen sie Ihre Ideen in Tempelhof landen! Jeder eco-event dient der grundsätzlichen Ausrichtung des Prozesses, der progressiv die Grundlage für weitere Entwicklungsdynamiken vor Ort bildet.
Der 1. Event, lightin’tempelhof, leitet die “urbane” Verwandlung des Felds ein und macht es auch nachts nutzbar: Das bisherige große “Schwarze Loch” wird zum Ort der Stadt und bis in den Weltraum sichtbar. Das Feld wird erleuchtet werden und das mit Null-Energieaufwand: 500 wind- und solarbetriebene Prototyp-Laternen erleuchten den inneren Ring und verwandeln ihn in einen sowohl tagsüber als auch nachts in einen nutzbaren Ort. Weltweit sind alle Ideengeber und Produzenten aufgerufen, ihre Konzepte und Prototypen kostenlos einzubringen und zu installieren. Der Event „lightin´Tempelhof“ bietet auf dem Feld ein riesiges, weltweites Schaufenster.
Der 2. Event, movin’ tempelhof, stellt der Welt die Frage nach den fortschrittlichsten individuellen und kollektiven Mitteln zur umweltfreundlichen Fortbewegung in der Stadt. Die Veranstaltung beabsichtigt, abgesehen vom Event selbst, 500 elektrische und mit Wasserstoff betriebene, von Herstellen kostenlos überlassene Fahrzeuge (Solartaxi, Segway etc.) einzusetzen, um diese den ersten Ansiedlungen zur Verwendung, zur Probe, zum Verleih, zum Test, zum Spiel und Event bereit zu stellen. Das Feld wird zum Treffpunkt für Menschen, die sich bewegen wollen: bei Spielfesten, Volksläufen oder sogar dem Berlin-Marathon.
Der 3. Event, greenin’tempelhof, dient der Förderung und Vorankündigung der Internationalen Gartenausstellung IGA 2017, die sich auf das Thema des produktiven Gartens auch für Obst- und Gemüseanbau in der Stadt konzentriert sowie die in Berlin verwurzelte Tradition der Kleingärten konsolidieren und erneuern helfen.
Der 4. Event, zero energy building, kündigt die IBA an, die die neuen Viertel mit einer neuen Generation hochqualitativer, energetisch selbstversorgender, komfortabler, flexibler Gebäude fördert und umsetzt, die verschiedenen Zweckbestimmungen und Bevölkerungsgruppen gewidmet sind.
Start up the building of the future!
Die Strategie der eco-events beabsichtigt, Tempelhof bei den Bewohnern der Nachbarviertel, den Bürgern, den Stadtnutzern, den Touristen und den Fachbesuchern bekannt zu machen, Aufmerksamkeit und Interesse zu erzeugen und progressiv die Mittel für die neue Nutzung des Gebiets zu liefern. Die Events dienen also der Schaffung des Umfelds, die Summe der Events erzeugt ein schallendes Ec(H)o, das die Atmosphäre einer neuen toleranten, kreativen und umweltfreundlichen Urbanität verbreitet und wiederum weitere Ansiedlungen, Aktivitäten und Personen nach sich zieht.
Zur Einsparung der erforderlichen Mittel und Kosten könnte die Strategie der Grundstücksverpachtung Anwendung finden, so dass innovative Formen von Verbänden und Kooperationen zwischen Anwohnern, Beratern, Arbeitnehmern (co-housing, co-working…) für die Realisierung der Ansiedlungen entstehen.

net zero site energy building - car free city
Ansiedlungssystem und Ressourceneffizienz
Der Umwandlungsprozess von Tempelhof beabsichtigt den Fahrzeugverkehr zu reduzieren und den Fahrrad- und Fußgängerverkehr zu fördern sowie nachhaltige individuelle und öffentliche Fortbewegungsmittel konsequent einzuführen. Auf diese Art und Weise werden die CO2-Emissionen gesenkt sowie die Sicherheit und der gesundheitsfördernde Charakter der öffentlichen Umgebung gewährleistet. Aspekte, die eine hohe Lebensqualität schaffen.
Das Grundprinzip heißt, das Gleichgewicht des Sauerstoffaustauschs durch die großen leeren Grünflächen zu garantieren. Die neue punktuelle Bebauung unterbricht diesen Austausch zwischen der „Grünen Lunge“ und der Stadt nicht, sondern sie nutzt den Frischluft-Austausch sogar selbst, so dass die Kühlung der neuen urbanen öffentlichen Räume gewährleistet wird. Die neuen urbanen „Keile“ werden gebildet durch eine Doppelreihe von sechs- bis neungeschossigen Baukörpern mit experimentellen Wohnungen- und Gewerbe-Kombinationen und eine ans Grüne grenzende viergeschossige Randbebauung mit innovativen Wohnformen.
Die Keile werden erschlossen durch Fußgängerraüme und Fahrwege für die individuellen und kollektiven umweltfreundlichen Fortbewegungsmittel, an die die Baukörper mit grünen Fassaden und großzügigen begrünten Terrassen angrenzen. Unterhalb dieser Wege befinden sich die Zufahrten und die Parkplätze der Motorfahrzeuge, die nicht an der Oberfläche fahren können. Dort verlaufen zudem die Strom- und Wasserleitungen und werden Müllsammelstellen platziert, die von motorisierten Fahrzeugen erreicht werden müssen.
Die anchor points am „Loop“, überdimensionale begrünte „Volieren“, sind gleichzeitig Signale, Treffpunkte und zentrale Drehscheiben für die Energie- und Wasserversorgung des Projektbereichs und des Stadtteils.

Mit Hinblick auf die Wasserversorgung werden in den anchor points die Pumpstationen des Grundwassers und die für die Energie sorgenden Windgeneratoren installiert, aber auch die Regen- und Grundwasserrückhaltebecken, die für die Bewässerung der Grünflächen als auch für Brandschutz genutzt werden. Insbesondere die Hauptbewässerungskanäle verlaufen längs der Einfallstrecken, des Rings und der Keile, die die “Grüne Lunge” durchkreuzen und den Feldgürtel betreffen. Das Regenwasser wird von den abgedichteten Oberflächen der Gebäude gesammelt (wasserdichte Abdeckungen und Bodenbeläge) und nach entsprechender Filterung in das System eingeschleust.
Was das Energieversorgungssystem betrifft, so werden an „anchor points“ die mit Biomasse gespeisten Wärmegeneratoren platziert, die das Holz und die brennbaren Rückstände aus den Grünflächen verwenden. Damit ist die Nutzung einer kurzen Wertschöpfungskette gewährleistet, bei der die Energiequelle vor Ort genutzt wird. Die erzeugte Wärme wird lokal verwendet, so in den Gebäuden mit ruralem Charakter (Aufseherhäuschen, Garagen für Landwirtschaftsmaschinen, Lager), die sich in der „Grünen Lunge“ befinden, oder in das Fernwärmenetz der Stadt eingespeist (falls möglich und wirtschaftlich).
Auch wenn der Event lightin’ tempelhof wahrscheinlich LED-Prototyp-Laternen hervor bringt, die von Windkleinstanlagen oder Fotovoltaikpaneelen des Typs stand alone gespeist werden, so ist es gegebenenfalls möglich, diese an das Netz anzuschließen bzw. mit zusätzlichem Strom aus den städtischen Leitungen zu versorgen und dazu an den „Anchor points“ Stromtransformatoren und Bedien- und Steuertafeln für die Straßenbeleuchtung zu platzieren. Die „grünen Keile“ repräsentieren eine urbane Ansiedlung deren Energienachfrage durch die Energieerzeugung vor Ort mittels Einsatz erneuerbarer Quellen und der Schaffung von net zero site energy building befriedigt werden kann. Die IBA hilft den Energieverbrauch für die Beheizung im Winter durch die Gebäudeform, die drastische Reduzierung von Wärmeverlusten, den Einsatz von innovativen Isoliermaterialien und die geringe Luftdurchlässigkeit auf ein Minimum zu reduzieren. Innerhalb des urbanen Systems ist es möglich, die Gebäude mittels Wasser-/Luft-Wärmepumpen zu klimatisieren, die als kühlende Energiequelle Wasser (Grund- und Regenwasser) verwenden, das sich in den Bewässerungskanälen befindet, und für die Stromversorgung die von den Fotovoltaikpaneelen erzeugte Energie, die sich auf den Gebäudedächern befinden. Die Wärmepumpen sind untergebracht in den Räumen für die technische Instandhaltung der Gebäude, die sich unterhalb der Einfallstraßen zu dem zentralen öffentlichen Platz befinden. Der Einsatz von Wärmepumpen ermöglicht gegebenenfalls, je nach Zweckbestimmung des Gebäudes, die Räumlichkeiten im Sommer zu kühlen; in diesem Fall wird der Bewässerungskanal zum Abwärme-Auffangbecken, in das die Kondensationswärme eingeleitet wird.