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Einladungswettbewerb | 09/2019

Neubebauung Nördlicher Münsterplatz in Mainz

1. Preis

Preisgeld: 22.500 EUR

LANDES & Partner Michael A. Landes Architekten

Architektur

Janowski Ingenieure GmbH

TGA-Fachplanung

Ingenieurbüro Fischer + Werle

Bauphysik, Tragwerksplanung

Romig Architekten + Ingenieure

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

INSULA Verde – Haus am Münsterplatz

E1 Grundsätzliche Angaben zur Städtebaulichen Konzeption:
Der Münsterplatz, als Teil der barocken Stadtstruktur des Bleichenviertels, erhält seine fehlende Platzwand und damit die urbane stadträumliche Wirkung und Geschlossenheit zurück. Gemeinsam mit den historischen Gebäuden Pfälzer Hof und Telegraphenamt entsteht durch die ruhige Tektonik der Fassade des neuen Gebäudes eine neue Platzqualität, die einen ruhigen Gegenpol zu der betriebsarmen Verkehrssituation darstellt. Das Gebäude erhält so eine selbstverständliche Anmutung, die zwischen Tradition und Moderne vermittelt. Die zum Platz orientierte symmetrische Lochfassade erhält ein Relief, durch das zwei Eckrisalite ausgebildet werden, die zusätzlich zur Fassung des Platzes beitragen und zusammen mit dem südlichen Eck-Rücksprung der Fassade die Gelenkfunktion der Verkehrsströme gestaltprägend thematisiert. Im Inneren des an dem römischen Insula orientierten Gebäudetyps entstehen als Gegenpol zu der lauten Platzseite durch den grünen Innenhof, den großzügigen Laubengang und die gemeinschaftliche Dachterrasse Orte der Ruhe, Kontemplation und der Begegnung für die Hausgemeinschaft, die „Insula Verde“.

E2 Erläuterungen zum Nutzungskonzept:
Im Erdgeschoss befinden sich Läden, die vom Stadtraum aus erschlossen werden. Die Schwanen-Apotheke, die als Traditionsgeschäft auf eine 470-jährige Geschichte zurückblicken kann, wird an der ruhigeren Ecke Mittlere Bleiche / Münsterplatz positioniert. Im 1. Obergeschoss können Arztpraxen, Kanzleien und ähnliche Nutzungen mit Publikumsverkehr angeordnet werden. Darüber befinden sich zwei Geschosse für Büronutzungen und in den obersten beiden Geschossen Wohnungen. Durch die flexible Konzeption der Grundrisse und Fassaden können die Büroflächen auch als Wohneinheiten genutzt werden, die Wohnungen als Büroflächen. Alle Wohnungen und Büros sind „durchgesteckt“ und profitieren von der Aussicht zur Stadt und der ruhigen Innenhofseite. Die Erschließung erfolgt über einen hohen, breiten Tordurchgang zu dem Innenhof. Hier sind auch die Fahrradstellplätze und der Entsorgungsraum von der Straße aus erreichbar. Über einen freistehenden begrünten Treppenturm, breite Terrassen und Laubengänge, die gleichermaßen als Kommunikationszonen und Treffpunkte konzipiert sind, werden die Praxen, Büros und Wohnungen erreicht. Der Laubengang ist als breite Promenade geplant, der durch, vor der Fassade angeordnete Lichthöfe, die Ebenen vertikal miteinander verbindet. So entstehen Vorplätze für die jeweiligen Einheiten, die auch möbliert und genutzt werden können. Gleichzeitig entsteht eine Distanz zu der eigentlichen Verkehrsfläche, so dass die Privatheit der Büros und Wohnungen erhalten bleibt. Der gesamte Blockinnenhof soll umfassend begrünt werden. Auch die geschlossenen „Brandwände“ an der Großen Bleiche im Bereich der Höhenversprünge werden vertikal begrünt vorgeschlagen, so dass hierdurch das Hof- und Stadtklima verbessert wird. Eine natürliche Kühlung erfolgt. Aus den gesichtslosen Wänden entstehen gärtnerisch gestaltete Fassaden, die eine schöne Aussicht aus Büros und Wohnungen in den grünen Innenhof erzeugen. Auch in den Nutzungseinheiten werden für eine nachhaltige Verbesserung des Raumklimas beim Arbeiten und Wohnen begrünte Innenwände angedacht. Entsprechend der Mainzer Dachbegrünungssatzung schlagen wir einen intensiv begrünten Dachgarten mit großer Aufenthaltsqualität zur Nutzung der Bewohner vor. Die Größe der Tiefgarage stellt die optimale Ausnutzung des Grundstücks dar. Die hervorragende Anbindung an den ÖPNV lässt einen reduzierten Stellplatzbedarf zu. Die Anzahl der Stellplätze kann dennoch durch die Ausführung als Doppelparker erhöht werden. Auch Car-Sharing-Systeme sind denkbar, um dem aktuellen Ziel von Nachhaltigkeit gerecht zu werden.

E3 Energiekonzept:
Die wesentlichen Technikzentralen für die Versorgung mit Trinkwasser, Wärme, sowie mit elektrischem Strom werden im Untergeschoss platziert. Auf der Dachfläche wird eine befestigte Aufstellfläche (ca.15m²) vorgerüstet, auf der die Anordnung von Außengeräten für Raumkühlungssysteme erfolgen kann. Aufgrund des niedrigen Primärenergiebedarfs und der Anbindung des Gebäudes an das im Gebäudeumgriff liegende Fernwärmenetz des örtlichen Versorgungsträgers, können bereits die einschlägigen Anforderungen gemäß EnEV und des Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetz erfüllt werden. Durch einen möglichen Einsatz von thermischen Solarkollektoren auf dem Dach würde der „energetische Fußabdruck“ verbessert werden. Im Untergeschoss würde demzufolge ein Pufferspeicher angeordnet werden, um die im Tagesverlauf auftretende zeitliche Verschiebung zwischen Wärmeerzeugung und Wärmeabnahme abzugleichen. Durch Vorrüstung von Leitungsverbindungen zwischen den Nutzungseinheiten und der Technikfläche auf dem Dach können auch nach Baufertigstellung die Gewerbeeinheiten mit Raumkühlungseinrichtungen ausgestattet werden. Im Falle einer Ausstattung würden Multisplitsysteme mit Umluftkühlern integriert werden. Die Wohnungslüftung erfolgt über eine nutzerunabhängige mechanische Be- und Entlüftung durch fassadenintegrierte Wärmerückgewinnungslüfter. Hierdurch wird der Lüftungswärmebedarf reduziert, weiter auch durch integrierte Schalldämpfer der Schallschutz garantiert. Für den sommerlichen Wärmeschutz nach DIN 4108-2 wird ein außenliegender Sonnenschutz in Form von Jalousien geplant. Die Anforderungen der EnEV 2014 mit Verschärfung ab 2016 sind erfüllt.

E4 Erläuterungen zum vorbeugenden Brandschutz:
Das Treppenhaus wir als geschlossener Sicherheitstreppenraum über das Freie erschlossen. Insofern wird kein zweiter Rettungsweg erforderlich. Die Tiefgarage wird als separater Brandabschnitt ausgebildet.

E5 Angaben zu Materialien:
Die Fassade wird in Stahlbeton und energieeffizientem, hochdämmendem WDVS ausgeführt. Als Fassadenmaterial kommt eine beigefarbene Mosaik-Fliesenfassade im Format 5 x 5 cm zum Einsatz. Die Fenster werden als goldeloxierte Holz-Aluminium-Konstruktion ausgeführt. Insofern sind die Fassadenmaterialien zeitlos, langlebig und leicht zu reinigen. Im Inneren der Räume sind die Holzfenster in ihrer natürlichen, behaglichen Farbigkeit sichtbar nur mit einer transparenten, leicht pigmentierten Beschichtung versehen. Alle Geländer werden transparent in Glas ausgeführt. Die Wohnungs- und Büroeingangstüren werden farbig ausgeführt und wirken somit adressbildend. Der Laubengang erhält einen hellen Magnesitestrichboden. Der Treppenhausturm wird mit einer Fassadenbegrünung versehen.

E6 Angaben zur Konstruktion:
Das Gebäude basiert auf einem Stützraster von 5,10m x 5,10m, wodurch eine geringe Deckenhöhe und somit eine wirtschaftliche Bauweise generiert wird. Für die vertikale Hauptleitungsführung wurde ein am konstruktiven Gebäuderaster orientiertes Schachtsystem entwickelt. Die Positionierung der Schächte erfolgt dabei jeweils angelehnt an die Positionierung der vertikalen Bauteile, also der Stützen in den Fassaden, sowie im Gebäudeinneren. Hierdurch ist gewährleistet, dass kein zusätzlicher Verzug von Installationsschächten durch die unteren Geschosse erforderlich ist. Damit wird eine größtmögliche Flexibilität und Reversibilität hinsichtlich Raumaufteilung und Grundrissgestaltung erzeugt. Neben der in Massivbauweise geplanten Außenwände tragen zusätzlich schalldämmende Maßnahmen der Reduzierung des Schalleintrags bei. Dazu zählen Prallscheiben in den Gewerbegeschossen und das bewehrte „Hafen-City-Fenster“ in den Wohngeschossen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf wird als sehr gelungener Beitrag einer zeitgemäßen städtischen Architektur gewürdigt, die besonders geeignet ist, die jahrzehnte alte stadträumliche Lücke an diesem besonderen Ort zu schließen und mit den umgebenden Gebäuden wie der Hauptpost, dem Telehaus und der Sparkasse in Dialog zu treten. In diesem Sinne wird der Entwurf als geglückte Mischung aus Tradition und Moderne wahrgenommen. Die Fassaden sind durch subtile Gliederungselemente wie Gesimse und Rücksprünge sowie durch unterschiedliche Fensterformate und Fensterausbildungen gegliedert. Die Zahl der Gestaltungsmerkmale könnte bei einer weiteren Durcharbeitung sogar noch etwas reduziert werden. Dies gilt insbesondere für die beiden Gebäudeecken zum Münsterplatz, die bereits plastisch ausgeformt sind. Das Fassadenmaterial (beigefarben Mosaikfliesen in 5x5-cm-Formaten) wird als sehr edel und zugleich robust gewürdigt.
Das Motiv der zweigeschossig »runden« Ecke im Bereich Münsterplatz / Große Bleiche ist städtebaulich und funktional überzeugend, ohne einen erhöhten konstruktiven Aufwand mit sich zu bringen. Der hohen äußeren Gestaltungsqualität entspricht die Qualität der Grundrisse. Der geschickt aus dem Baukörper herausgelöste Treppenturm schafft ein hohes Maß an Flexibilität und Wirtschaftlichkeit in den Geschossen. Allerdings ist die Ausformulierung der Fluchtwege und des Treppenturms im Detail in der dargestellten Form brandschutztechnisch noch nicht vollständig gelöst. Im Rahmen einer weiteren Bearbeitung wären jedoch Lösungsmöglichkeiten denkbar, welche die Qualitäten und Vorteile der Grundkonzeption nicht in Frage stellen. Die konstruktiv auf einem sehr einfachen Stützenraster beruhenden Grundrisse weisen über alle Geschosse ein Höchstmaß an Klarheit und Flexibilität auf. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die Wohnungen zu geschossübergreifenden Maisonetten zu verbinden. Für das Gewerbe sowie für das Wohnen können somit sehr hohe Qualitäten geschaffen werden. Der Innenhofbereich mit den dortigen Erschließungs- und Außenwohnbereichen weist hohe Aufenthaltsqualitäten auf und schafft so auch soziale bzw. kollektive Qualitäten und Potenziale. Dies könnte dem Entstehen einer echten »Hausgemeinschaft« zugute kommen. Dazu zählt auch das Angebot einer gemeinsamen Dachterrasse, die für alle Nutzer eine besondere Qualität darstellen würde. Zudem würde eine entsprechende Dachausbildung auch einen stadtklimatischen Beitrag leisten können. Insgesamt wirken die Grundrisse sehr gut durchgearbeitet. Teilweise ungewöhnliche Typologien reagieren auf die Anforderungen von Schallschutz und Lufthygiene, wenn auch einzelne Wohnungen noch nicht den erforderlichen Bezug eines Aufenthaltsraumes zum Innenhof erfüllen. Auch dies erscheint jedoch korrigierbar. In Bezug auf die wirtschaftlichen Kennwerte weist der Entwurf eine relativ hohe Nutzungsfläche bei relativ geringer Bruttogrundfläche R auf.
Insgesamt entsteht dadurch das günstigste Verhältnis von NUF zu BGF R im Teilnehmerfeld, was zu einer besonders hohen Wirtschaftlichkeit des Entwurfs führt. Die hochwertigen (Fassaden-) Materialien führen zu höheren Investitionskosten, die sich aufgrund der hohen Robustheit über den Lebenszyklus des Gebäudes rechnen sollten. Der Entwurf überzeugt als zeitgemäßer Gebäudetyp, der einen sowohl städtebaulich, architektonisch wie auch funktional und nutzungsbezogen besonders gelungenen Wettbewerbsbeitrag darstellt.