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Einladungswettbewerb | 02/2021

Village im Dritten - Baufeld 9a und 9b (AT)

2. Rang

Architekt Christoph Lechner & Partner ZT GmbH

Architektur

Erläuterungstext

GÜRTELTIER:

Zwei Programme, Wohnen und Arbeit, wachsen zu einem Bauwerk, zu einer Gestalt, zu einer janusköpfigen Komposition zusammen. Jede Ansicht strahlt eine eigene Identität aus: Zum Landstraßer Gürtel erstreckt sich eine elegante Großstadtbürofassade, an der Adolf Blamauer Gasse fusioniert die "Zweiheit". Im Norden liegen großzügige, zweigeschossige Eingangsfoyers des Wohnteils. Die Zugänglichkeit des Fahrradabstellraumes erfolgt über eine Rampe durch einen attraktiven Grünraum ins Untergeschoss. Zum Park hin Richtung Osten zeigen sich die zwei Nutzungen in individueller Ausformung. Der Hof ist freundlich und bietet ausreichend Grün und Platz für variable Nutzungen. Die Ausformulierung der Fassaden bietet für Nutzer und Bewohner ausreichend Privatheit und Offenheit. Erker, Balkone, Gesimse und französische Fenster sind die verbindenden architektonischen Motive, mit denen durch Verschieben und Versetzen gespielt wird. So wird ein Feld der Maßstäblichkeit, Lockerheit und Freundlichkeit aufgespannt. Die rötliche - ocker Farbatmosphäre verbindet mit dem Genius Loci - den Ziegeln, den Terrakotten des Arsenals und der zeitlosen Modernität des Karl Schwanzerschen 20er (21er) Hauses. Der Bürobauteil ist von Süden erschlossen. Es sind ein oder zwei Stiegenhäuser möglich. Grundmotive für den Bürobauteil sind maximale Flexibilität, Mondänität und Verbindlichkeit zum Wohnbauteil. Wohnungsgrundrisse sind einfach und klar zugeschnitten. Die Verbindung zwischen Küche und Essplatz jeder Wohnung ist wohl bemessen. Jede Wohnung hat einen zugeordneten Außenraum: Balkon, Terrasse oder Garten. Auf die optimale Orientierung der Wohnungen zur Sonne wird maximal Augenmerk gelegt. Die Treppenhäuser sind großzügig. Im EG befinden sich 3 Gemeinschaftsräume:"Eckbar", Fitnessraum und Sauna. Ein Gemeinschaftsdachgarten liegt am niedrigsten Dach am Nordflügel des Wohnbauteils. Eine Cafébar ist im Büroflügel zum Park hin vorgesehen.

Haustechnik:
Die Energieversorgung Wärme erfolgt über Fernwärme. Für die Kälteversorgung ist eine Kälteanlage mit Rückkühler am Dach vorgesehen. Die Beheizung und Kühlung der Gebäude sowohl für den Büro- als auch den Wohnbauteil erfolgt über Niedertemperatursysteme, die als Bauteilaktivierung in den tragenden Deckenkonstruktionen vorgesehen sind. Das Bürogebäude erhält eine mechanische Be- und Entlüftungsanlage zur Sicherstellung des hygienischen Luftwechsels. Die Zuluftverteilung erfolgt in der abgehängten Decke in der Mittelgangzone und die Lufteinbringung erfolgt an der gedachten Wandstellung links und rechts der Mittelgangzone. Die Abluft ist je Top zentral positioniert. Einzelne nicht offene Räume erhalten Schalldämm-Überströmöffnungen neben den Türen. Jedes Top ist lüftungstechnisch einzeln zu- und wegschaltbar.
Die E- und IT-Verkabelung erfolgt über den Doppel- bzw. Hohlraumboden. Jedes zweite Element der Elementfassade hat einen schmalen Öffnungsflügel. Das Bürogebäude ist mit einer Sprinkleranlage in Vollschutz ausgerüstet. Die von der WBO geforderter PV-Anlage für Büro und Wohnbau ist am Dach vorgesehen.

Konstruktion:
Alle tragenden Wände und Decken sind STB; Bürokonstruktionsraster 810cm; Büroraster 135cm (Deckenstärke 25cm); Bürofassade Elementfassade Aluminium nach Süden, Osten und Westen, zum Hof französische Fenster öffenbar mit Glasbrüstung, STB-Wand mit VWS-Fassade. Wohnbau VWS-Fassade, ausschließlich 3 Typen französische Fenster. Balkone Weißbetonfertigteile, Geländer Stahl verzinkt und farblich gestaltet. Gesimse 80cm auskragend genutzt als wohnliche Blumenfenster. Bürobauteil: Balkone mit eingespannten Nurglasbrüstungen.

Grün- und Freiflächen:

Der Freiraum ist wie eine umhüllende Schale um das Gebäude angelegt, die je nach Topos – Wohnen oder Gewerbe, privat oder offen – unterschiedliche Ausformungen annimmt und im gemeinsamen Innenhof als Verbinder der beiden Baukörper fungiert:

Die Entrees zum Wohngebäude an der Nordfassade sind durch kleine Vorplätze hervorgehoben, zwischen denen eine freistehende Mauerscheibe und eine topografische Absenkung ins UG raumprägend wirken. Die sanfte landschaftliche Absenkung ermöglicht es den BewohnerInnen, bequem mit dem Fahrrad in den Fahrradraum zu fahren, und bietet den Kindern zwei geneigte Flächen zum Spielen oder Bobfahren im Winter.

Grünflächen entlang der Fassaden generieren einen Puffer zwischen den EG-Einheiten und der öffentlichen Umgebung. Dieses umlaufende grüne Band schwenkt an der Ecke zwischen Park und Hof weit aus und erzeugt dadurch eine intuitiv wahrnehmbare Schwelle zwischen dem öffentlichen und dem gebäudebezogenen Raum. Der Hof selbst ist als Vermittler zwischen Wohnen und Arbeiten konzipiert und schafft Platz für variable Nutzungen – Arbeitspausen, Kommunikation, Erholung, Spiel, Zusammenkünfte und kleine Veranstaltungen etc. Weiter entlang der Fassade Richtung Süden führt eine gärtnerisch attraktiv gestaltete Kombination aus Treppen, Podesten und Sitzstufen auf die Ebene des Gürtels, wo die Haupterschließung zum gewerblichen Bauteil liegt.

Entlang der Südfassade des Bürohauses wird das Entree durch einen rötlich gefärbten, geschliffenen Belag hervorgehoben. Eine Baumreihe beschattet den Gehweg und gestaltet den Vorbereich in Kombination mit Gräserpflanzungen auf repräsentative und nachhaltige Art und Weise. Nach Westen hin knickt die Grünfläche in eine Böschung und schließt im Erdgeschoß wieder an das umlaufende Vegetationsband an.


Dachterrassen:

Die Büroterrasse im OG2 ist für unterschiedliche Nutzungen zoniert und durch Pflanztröge strukturiert: Arbeitskojen im Westen, Meeting Space im Osten und Gemeinschaftsbereich mit Outdoor Kitchen und kleiner Bar für informelle Zusammenkünfte und Feiern im Zentrum.

Die Gemeinschaftsterrasse im OG7 bietet ähnliche Möglichkeiten für den Wohnbau: eine große Pergola als zentraler Ort des Zusammenkommens für gemeinsame Aktivitäten wie Feste, Arbeiten und Hausübungen, Grillen und Kochen etc. sowie ein Sandspielkasten für die Kleinsten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt „Gürteltier“ entsteht aus der Verschränkung der Bürokubatur mit einer einprägsamen Gewerbefassade zum Gürtel und dem etwas ruhiger anmutenden Wohntrakt. Die sehr intensive bauplastische Durcharbeitung der beiden Nutzungen Gewerbe und Wohnen wird gewürdigt.
Die Farbgebung nimmt Bezug auf die nähere Umgebung (Arsenal, 20iger Haus) und schafft als vorzeigbares Ensemble einen attraktiven Auftakt des Village im Dritten.

Die Ecke Adolf Blamauergasse und Quartiersstraße wird durch eine großzügige Treppenanlage freigespielt und eröffnet einen Übergang auf zwei Ebenen in beiden Richtungen, was sehr positiv gesehen wird.

Der Bürotrakt ist gut durchdacht und flexibel nutzbar, es wird neben der Erschließung mit einem Stiegenhaus eine Variante mit 2 Erschließungskernen angeboten.

Ebenfalls positiv wird die nördliche Eckausbildung an der Adolf-Blamauergasse mit dem 2
geschossigen Gemeinschaftsraum bewertet, die Anlagerung von Erdgeschoßwohnungen entlang der Adolf-Blamauergasse wird jedoch äußerst kritisch bewertet. Vor allem auch die Ausbildung von Eigengärten entspricht nicht der zukünftig intendierten Atmosphäre der Straße.

Das Erdgeschoß ist im Bereich des Wohnhauses hauptsächlich mit Wohnungen ausgearbeitet. Im Bereich des Bürohauses sind dort kleine Büroeinheiten sowie ein Café am Eck vorgesehen. Die Ambivalenz zwischen Eigengärten und kommerzieller Nutzung und die dadurch entstehenden Konflikte werden freiraumplanerisch nicht beantwortet.

Entlang des Parkfingers im Norden wird der entstehende Niveauunterschied ausgenutzt, um eine Fahrradrampe zum im Untergeschoß situierten Fahrradraum vorzusehen. Die Idee wird grundsätzlich positiv bewertet, die Zugänglichkeit zum Wohnhaus erscheint dadurch jedoch etwas eingeschränkt.
Die Erschließung des Wohnhauses erfolgt von dieser Seite über zwei Stiegenhäuser. Im Erdgeschoß noch am Licht situiert, klappen die Erschließungskerne im 1. Obergeschoß nach Innen und sind in weiterer Folge unbelichtet und ohne räumliche Qualität. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme wird seitens der Jury kritisch hinterfragt.

Das Angebot der -von beiden Stiegenhäusern- zugänglichen Dachterrasse wird positiv gewertet, die Wohnungsgrundrisse sind sehr gut gelöst.

Die Einfahrt in die Garage erfolgt direkt an der Süd-Ost-Ecke, dies wird vor allem hinsichtlich der Qualität der Durchwegung zum Park kritisch gesehen.