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Offener Wettbewerb | 07/2023

Erinnerungs- und Zukunftsort der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Erlangen

Kommunikationsgarten

Kommunikationsgarten

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

studio2020 Matzat Henkel GbR

Architektur, Stadtplanung / StÀdtebau

ErlÀuterungstext

Gedenkraum
Ausgangspunkt des Erinnerungs- und Zukunftsortes Erlangen bildet das CampusgelÀnde des UniversitÀtsklinikums Erlangen.
Neben der AufklĂ€rung und Transparentmachung der Verbrechen der Nationalsozialist:innen an den ehemaligen Bewohner:innen der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, kann hier den Opfern in angemessener Weise gedacht werden. DarĂŒber hinaus wird ein Ort geschaffen, der den Blick in die Zukunft richtet.
Der Erhalt der letzten zwei BestandsgebĂ€ude des GebĂ€udekomplexes der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt zu Forschungs- und Dokumentationszwecken ist hierfĂŒr von immenser Bedeutung. Als Zeitzeugen der Geschichte erzĂ€hlen die an der Schwabachanlage 10 und am Maximiliansplatz 2 stehenden GebĂ€ude von ihrer ehemaligen Nutzung, insbesondere dem Aufeinandertreffen von Pflege und Forschung.
Neben den zwei denkmalgeschĂŒtzten BestandsgebĂ€uden fĂŒgen sich mit dem Zukunftsforum ein Neubau und vier thematisch gestaltete GĂ€rten in den Gedenkraum ein. Zwischen den drei GebĂ€uden und vier GĂ€rten entfaltet sich eine neue WegefĂŒhrung ĂŒber den Campus.
Den Auftakt und Knotenpunkt des Areals bildet das neue Zukunftsforum als Besucher:innenzentrum auf dem Maximiliansplatz. Vorgeschlagen werden ein Auditorium, flexibel nutzbare SeminarrĂ€ume sowie ein kleines CafĂ© und SanitĂ€rrĂ€ume. Eine Informationstafel gibt einen Überblick zum Gedenkraum.
GegenĂŒber, im GebĂ€ude am Maximilansplatz 2, sind die Funktionen fĂŒr Forschung und Archiv untergebracht. Neben der Verwaltung, Bibliothek, dem Archiv und Depot wird der Lehrstuhl fĂŒr Disability Studies in den Obergeschossen lokalisiert.
Im Dokumentationszentrum, der Schwabachanlage 10, befindet sich das Museum mit stĂ€ndiger Ausstellung zur Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt. Das GebĂ€ude erhĂ€lt einen barrierefreien Zugang von SĂŒden ĂŒber eine neue BrĂŒcke, die die Topografie nutzt und sich subtil aus der Landschaft zur Fassade entwickelt. In den Obergeschossen bleibt Raum fĂŒr Seminarangebote.
Gedenkwege
Die Verbrechen der Nationalsozialist:innen, die im Kontext der Heil- und Pflegeanstalt begangen wurden, lassen sich nicht nur auf dem heutigen Campus des UniversitĂ€tsklinikums verorten. Um die im Stadtraum verteilten Orte der Verbrechen sichtbar zu machen, schlagen wir drei Gedenkwege vor. Neben einem ĂŒbergeordnetem Rundgang ermöglichen der Weg der Ruhenden und der Weg der Verbrechen eine thematische Vertiefung fĂŒr die Besucher:innen.
Sie machen sichtbar, dass die Verbrechen in öffentlichen Bereichen stattgefunden haben und laden zudem Passant:innen dazu ein, spontan den Spuren zu folgen und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Monumente
Auf den Gedenkwegen markieren Kunstobjekte die geschichtlich relevanten Orte, informieren und laden zum Gedenken ein. Sie leiten die Besucher:innen durch den Stadtraum und stellen einen starken Bezug zum jeweiligen Gedenkort her. Inhaltlich-historische Überlagerungen, die Schnittstellen der Gedenkwege und die Idee der Transparentmachung sind formgebend.
Große Objekte informieren ĂŒber die von den Nationalsozialist:innen genutzte Bauwerke. Kleinere Stelen weisen an markanten Wegkreuzungen auf die RundgĂ€nge hin und dienen der Orientierung der Besucher:innen. Als Intarsien in das Bestandspflaster gefrĂ€ste QR-Codes bieten Zugang zu einer digitalen Ausstellung und sprechen auch Passant:innen an, die ĂŒber klassische Ausstellungsmethoden nicht erreichbar sind.
Zukunftsforum
Das Zukunftsforum bildet in einem Neubau den Abschluss und Anfang des Gedenkraums auf dem Maximiliansplatz und befindet sich so auf der verlĂ€ngerten, ehemaligen Achse der Heil- und Pflegeanstalt. Die Setzung gegenĂŒber des fĂŒr Forschung und Archiv genutzten BestandsgebĂ€udes evoziert einen dialektischen Dialog mit dem belasteten Bestand: als unabhĂ€ngig funktionierendes GebĂ€ude hĂ€lt es Abstand, das Sich-GegenĂŒberstehen verweist jedoch gleichzeitig auf die BegrĂŒndung fĂŒr das Entstehen des Zukunftsforums.
Als Besucher:innenzentrum bildet es die erste Anlaufstelle des gesamten Gedenkraumes. DarĂŒber hinaus bietet es RĂ€umlichkeiten, in denen medizin­ethische Thematiken diskutiert und vorgetragen werden können und der Austausch von BĂŒrger:innen und Expert:innen angeregt wird. So wird es zur Schnittstelle zwischen Campus und Stadt, sowie zwischen Vergangenem und Aktuellem.
Auch im Aufbau und der Positionierung des Zukunftsforums artikuliert sich das Thema der Schnittstelle in unterschiedlichen Formen:
Ein deutlicher Einschnitt teilt den GebÀudekomplex und schafft einen Platz in seiner Mitte. Er reagiert auf die Wegeverbindung zwischen CampusgelÀnde und Stadtraum, fÀngt die Besucher:innen auf und leitet sie zu weiteren Orten des Erinnerungs- und Zukunftsortes.
PrĂ€zise gesetzte Öffnungen in der massiven, der Heil- und Pflegeanstalt zugewandten Fassade geben kuratierte Blicke aus den InnenrĂ€umen des GebĂ€udekomplexes auf die Orte der Verbrechen frei. Diese zwei Mauern werden aus Abbruchsteinen der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt erstellt.
Der Gedanke des Transparentmachens wird durch die sich zum Stadtraum hin öffnende, leichte Fassade aufgenommen. Diese ermöglicht an bestimmten Stellen das Hindurchschauen durch das gesamte GebÀude vom Stadtraum in Richtung Heil- und Pflegeanstalt und andersherum. Der Neubau aus Holzskelettbauweise ermöglicht eine besonders flexible Nutzung, die sich nicht auf Seminare, Workshops und Ausstellungen beschrÀnken muss. So bleibt das Forum zukunftsfÀhig und multifunktional. Neben einem Auditorium und den flexibel nutzbaren RÀumen im westlichen GebÀudeteil, wird das Programm durch ein Café, welches temporÀr bespielbar ist, und ein öffentliches rollstuhlgerechtes WC ergÀnzt.
Neue GĂ€rten
Auf dem ehemaligen Gebiet der Heil- und Pflegeanstalt verbinden die neuen GĂ€rten das historische Motiv der NutzgĂ€rten mit den heutigen Anforderungen an einen Campus. Mit ihren vier unterschiedlichen Ausformulierungen - Gedenk-, Achtsamkeits-, Spiel- und Kommunikationsgarten - geben sie den individuellen BedĂŒrfnissen der Besucher:innen des Erinnerungs- und Zukunftsortes Raum. Gleichzeitig bieten sie den Patient:innen und Mitarbeiter:innen des Uniklinikums Erlangen eine neue AufenthaltsqualitĂ€t. In den Boden eingelassene Abbruchsteine der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt deuten eine Trennung der GĂ€rten lediglich an. Sie formen ein schwellenloses Relief und nehmen Bezug auf die nicht mehr existierenden NutzgĂ€rten der Heil- und Pflegeanstalt.
Kommunikationsgarten - Ort der Begegnung
Als Auftakt der Gartenabfolge lĂ€dt der Kommunikationsgarten als Ort der Begegnung alle Menschen zum Austausch und Verweilen ein. Unterschiedliche Sitzmöglichkeiten bieten Raum zum Aufenthalt und Diskurs. Zwei in den Grund eingelassene Kommunikationsschalen können fĂŒr VortrĂ€ge und Workshops des Zukunftsforums genutzt werden. Über die FlĂ€che verteilte Sitzschollen aus Holz bieten Gruppen Treffpunkte, erlauben aber auch unbeabsichtigte Begegnungen. Die BestandsbĂ€ume werden in das Konzept integriert und durch weitere schattenspendende BĂ€ume, nahe der Sitzgelegenheiten, ergĂ€nzt.
Spielgarten - Ort der Bewegung
Der Ort der Bewegung bietet Besucher:innen aller Altersklassen Raum fĂŒr Spiel und Bewegung. Eine dichte Anordnung an Spiel-, Sport- und Sitzmöglichkeiten schafft einen Ort der Gemeinschaft. Neben der eindeutigen Einladung an alle Kinder können auch Genesende zur körperlichen AktivitĂ€t animiert und ermutigt werden. Die eindeutige WegefĂŒhrung der anderen GĂ€rten wird im Spielgarten aufgelöst und den Besucher:innen ein individueller Weg durch die Aktionscluster hindurch angeboten. Bestehende Pflanzungen werden in das Konzept integriert und punktuell durch neue Pflanzungen ergĂ€nzt. Die OberflĂ€che des Gartens wird als wasserdurchlĂ€ssiger Fallschutzbelag geplant, der sich jeweils an den Spiel- und SportgerĂ€ten oder Pflanzbeeten öffnet.
Achtsamkeitsgarten - Ort der Sinne
Besucher:innen des Achtsamkeitsgartens erleben interessante und anregende BlickbezĂŒge durch bewusst gesetzte Pflanzungen und Pflanzinseln. Entlang der Wege sind unterschiedliche Stationen zu finden, an denen Besucher:innen eingeladen werden, ihren Sinnen nachzuspĂŒren. Die interaktiven Installationen unterscheiden sich durch visuelle, auditive und haptische Schwerpunkte der Wahrnehmung. Durch Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit kann der eigene Körper neu erfahren werden. Neben einem Kneippbecken schließt der Garten zum Beispiel eine Spiegelinstallation fĂŒr ungewohnte Seherlebnisse, einen Summstein und einen Barfußpfad mit ein.
Gedenkgarten - Ort der Stille
Der Gedenkgarten dient den Besucher:innen als Ort der Erinnerung. Durch introvertierte, skulptural ausformulierte RĂ€ume wird hier die Möglichkeit zu RĂŒckzug, Besinnung und zum Gedenken gegeben. In die Installationen integrierte Tafeln informieren Interessierte ĂŒber die Geschichte des Ortes. So bereitet der Gedenkgarten als Ort der Stille und der Erinnerung auf die Dauerausstellung im Dokumentationszentrum, das sich dem letzten Garten in der Abfolge anschließt, vor. Dichte Pflanzungen schaffen geschĂŒtzte RĂ€ume und unterstĂŒtzen die introvertierte AtmosphĂ€re am Ort der Stille.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept fĂŒr den Erinnerungs- und Zukunftsort der Heil- u. Pflegeanstalt am UniversitĂ€tscampus wird aus den ehemaligen NutzgĂ€rten abgeleitet. Dieser sympathische Gedanke wird als freiraumplanerisches Geflecht aus Wegen und ThemengĂ€rten mit Baumbestand entwickelt und bildet das GrundgerĂŒst fĂŒr den Gedenkraum, der einerseits ein lebendiger Ort des Erinnerns sein soll andererseits die WĂŒrde vor den Opfern signalisiert. Diese Idee, den Freiraum durch einen Kommunikations- , Spiel-, Achtsamkeits- und Gedenkgarten als erlebbaren Erinnerungsort auf einem Gedenkweg zu durchschreiten, stellt ein reizvolles Konzept dar. Die ÜbergĂ€nge zu den einzelnen GĂ€rten werden durch Materialwechsel im Belag gezeichnet. Allerdings ist die rĂ€umliche Struktur der FreirĂ€ume unklar und ĂŒberall in gleicher IntensitĂ€t entwickelt. Hier wĂ€re eine deutlichere Abgrenzung und eine individuellere Freiraumgestaltung wĂŒnschenswert. Die Integration der Gedenkorte ist nicht gelungen, die gartengestalterischen Themen und Objekte wirken beliebig. VorschlĂ€ge zum Sensibilisieren und Intervenieren sind nicht erkennbar.
Die Verfasser*innen fĂŒhren die Wegeverbindung ĂŒber den Maxplatz fort und schaffen damit eine sinnvolle Verbindung zur Innenstadt. Das neue Zukunftsforum markiert als zweiflĂŒgliges Besucherzentrum das Tor zum Schlossplatz am Bestandsbrunnen und prĂ€gt den Ort am Übergang zum HuPflA-GelĂ€nde. Architektonisch gut durchgearbeitet orientiert sich das GebĂ€ude aber leider zum Maxplatz und baut eine RĂŒckseite zum Gedenkort auf.
WĂ€hrend sich im BestandsgebĂ€ude Maximiliansplatz 2 folgerichtig RĂ€ume fĂŒr Forschung und Archiv befinden, bietet die Schwabachanlage 10 ausreichend Potenzial fĂŒr das Dokumentationszentrum. Positiv wird dabei der Erhalt der beiden GebĂ€ude in ihrer historischen Substanz bewertet.
Angebote fĂŒr die FortfĂŒhrung des Wegekonzeptes mit Erinnerungsobjekten in die Innenstadt sind in rudimentĂ€ren AnsĂ€tzen vorhanden.
GrundsĂ€tzlich bietet der Entwurf im Hinblick auf die gestellte Aufgabe einen guten Beitrag, der jedoch vor allem in der Ausgestaltung der Freibereiche nicht immer ĂŒberzeugen kann.
GĂ€rten

GĂ€rten

Lageplan

Lageplan

GebÀude

GebÀude

Zukunftsforum

Zukunftsforum

Zukunftsforum

Zukunftsforum

Gedenkwege

Gedenkwege

Monumente

Monumente