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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020

Ersatzneubau an der Holzmarktstraße 5-15 in Haldensleben

2. Preis

Preisgeld: 8.500 EUR

Studio Wolter Navarro

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Architekten leben von Inspirationen. Für die Verfasser dieser Arbeit ist es eine Skulptur des baskischen Bildhauers Jorge Oteiza, ein Zeitgenosse des in Deutschland bekannteren Eduardo Chillida. Oteiza beschäftigte sich bei seinen Arbeiten mit dem „leeren Raum“, der Spannung zwischen geschlossenen Flächen (Wänden) und dem „leeren Raum“ dazwischen. Der Entwurf für Haldensleben überrascht mit einer kraftvollen skulpturalen Komposition mehrerer Baukörper, die in jeder Dimension spannende Räume im Quartier schaffen. Dabei gelingt durch einen Kunstgriff für die Weiterentwicklung der Stadtstruktur Haldenslebens Einmaliges: die Erschaffung neuer städtischer Bezüge, die Verschmelzung mit den prägnanten historischen Bauten im Stadtgefüge. Die neue Durchwegung durch das Quartier verbindet von der Langen Straße über Breiten und Schmalen Gang bis hin zum Marienkirchplatz. Die bisher hinter dem Rathaus „versteckte“ Marienkirche wird mit ihrem Kirchturm über diese Achse vom Stadtmuseum her zum freigelegten point-de-vue, der omnipräsent in das neue Stadtquartier hineinwirkt. Das historische Stadtmuster wird durch geschickte interne Querverbindungen mit dem Muster des neuen Quartiers gleichsam verwoben. Die sehr kompakte Bebauung mit hoher Nutzfläche wirkt durch ihre Gliederung, die Höhenstaffelungen und Treppen, Terrassierungen und eine Gebäudebrücke dennoch maßstäblich. Am internen Wegekreuz mit kleinem Quartiersplatz sind gegenüberliegend die beiden Verkaufsflächen/ Nahversorger angeordnet, sodass neben dem Einkaufen auch die Kommunikation initiiert wird. In den beiden Obergeschossen der Gebäude am Markt/ Magdeburger Straße wie an der Holzmarktstraße sind die altengerechten Wohnungen um eingeschnittene, überdachte Atrien bzw. Wintergärten gruppiert, die als Gemeinschaftsflächen fungieren. Die Grundrisse selbst erscheinen funktional, vielfältig und gut geschnitten. Die Wohnungen haben Freisitze (Loggien/ Balkone), sodass auch weniger mobile Bewohner am städtischen Leben teilnehmen können. Die Betreibung der Tagespflege an der Holzmarktstraße wird aufgrund der Verteilung über zwei Geschosse kritisch gesehen, da eine wirtschaftliche Betreuung durch den begrenzten Personalstamm erschwert wird. Als Zugewinn ist die weit ausladende grüne Terrasse zu sehen, wie insgesamt die Gestaltung der Freianlagen hohe Aufenthaltsqualitäten verspricht. Der ruhende Verkehr für Nahversorger/ Drogeriemarkt wird auf die einseitig befahrbaren Grundstücksränder verwiesen, sodass Kollisionen mit dem durchquerenden Fußgängerverkehr weitgehend vermieden werden. Auch die Andienung von Nahversorger und Drogeriemarkt ist effektiv gelöst. Stellplätze für Wohnen und Büros/ Verwaltung sind in einer von der Magdeburger Straße anfahrbaren Tiefgarage untergebracht. Baurechtlich zu prüfen ist die Grenzbebauung an der Nordwestecke an der Holzmarktstraße, wo die neue Kubatur die Bauhöhe der mit Parkplätzen besetzten Nachbarbebauung überragt. Die Gestaltung der Fassaden wirkt in ihrer starken Plastizität, der Formenvielfalt und mit den hochwertigen Materialien sehr ambitioniert, in Bezug zur traditionellen Architektur der Stadt auch etwas fremd. Weniger wäre, um einen (Alt-) Meister der Moderne zu zitieren, mehr gewesen, zumal bei den Fassaden der Verweis auf den baskischen Bildhauer Oteiza und Bezüge zur Börde und Haldensleben -bei aller Brillianz des Entwurfes- nicht mehr ganz nachvollziehbar sind. Ungeachtet dessen liegt hier ein sehr mutiger Entwurf mit einzigartigen Qualitäten vor, dessen Qualität sich im Detail und in der Einfügung in das städtische Ganze zu beweisen hätte.

Denkmalfachliche Stellungnahme:
Die städtebauliche Konzeption des Beitrags weicht mit vier um eine Blockinnenerschließung angeordneten Einzelgebäuden von der hier früher vorhandenen, geschlossenen Blockrandbebauung ab, setzt aber Wegebeziehungen aus dem südlich benachbarten Quartieren schlüssig und denkmalpflegerisch vertretbar fort. Bei denkmalverträglichen Einzelkubaturen wählt der Entwurf Einzelformen bei Öffnungen und anderen Bauwerksteilen, die nicht aus dem historischen Kontext abzuleiten sind. Ihre Anordnung führt zudem, insbesondere zur Magdeburger Straße, Marktplatz und Rathaus zu einer unruhigen Gesamtwirkung.