modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Einladungswettbewerb | 07/2020

Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in Balingen

Perspektive Ecke Friedrichsstraße

Perspektive Ecke Friedrichsstraße

2. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

KBK Architekten Belz | Lutz

Architektur

Erläuterungstext

Das Umfeld des Planungsgebiets ist geprägt von kleinteiliger Bebauung und dem Freiraum im Umfeld des Mühlbaches. Die Friedrichstraße präsentiert sich als vitale kleinstädtische Einkaufsstraße mit einer Mischung aus Wohnen und Gewerbe, in direkte Nähe befindet sich der historische Komplex des Zollernschlosses.
Mit der kurzen Ostseite liegt das Grundstück an der Friedrichsstraße, an der langen Südseite befindet sich die Grundstücksgrenze im Verlauf der historischen Stadtmauer und schließt direkt an den Wasserlauf der Steinach an.
Der Wettbewerb bietet die Chance, den Freiraum der Steinach weiterzuentwickeln und an der Torbrücke mit dem Gegenüber des Zollernschlosses den Auftakt zur Balinger Innenstadt neu zu fassen, auch gilt es zwischen der großflächigen Einzelhandelsnutzung und der kleinteiligen Umgebungsbebauung, der im Norden gelegenen Schwanenstraße zu vermitteln.

Städtebau und Konzept
Der Entwurf fügt sich mit seiner in erkennbare Einzelhäuser aufgelösten Struktur ganz selbstverständlich in die vorhandene Stadtgestalt der Schwanenstraßen und Friedrichstraße ein. Während an der Steinach ein Teil des Baufelds freigelassen wird, um den Grünraum entlang der historischen Stadtgrenze zu verlängern und die Fragmente der Stadtmauer erlebbar zu machen, wird das restliche Baufeld vollständig überbaut. Der L-förmige Gebäudeentwurf besetzt den nördlichen und östlichen Rand des Baufelds.
Ein Satteldach mit einer Walmausbildung zur Friedrichstraße ist als direktes Zitat aus dem umgebenden Kontext entwickelt. Entlang der Schwanenstraße wird der Komplex durch zwei Zäsuren gegliedert. Während die drei Gebäudeteile ihre Proportionen aus dem Intervall der Bestandsbebauung beziehen, erzeugen die Unterbrechungen des Baukörpers eine dem kleinteiligen Kontext angemessen Körnung. Straßenseitig werden die Fugen zwischen den Baukörpern mit einem leicht zurückversetzten Erschließungsraum gefüllt, der die Lage des Hauseingangs klar markiert. Um die großflächigen Nutzungen des Erdgeschosses zu ermöglichen, sind die Gebäude über eine zweigeschossige Bebauung des Rückraums miteinander verbunden. Von der Schwanenstraße aus betrachtet bleiben die Einzelhäuser ablesbar, der Eindruck eines gemeinsamen Sockels wird durch Rückschnitte und Materialwechsel bewusst vermieden. Die Dachfläche wird als hängender Garten mit hoher atmosphärischer Qualität allen Nutzern des Gebäudes zugänglich gemacht.
Die Traufe des Gebäudeteils an der Friedrichstraße ist dabei anders ausgebildet und um ca. 1m höher als die Traufe der beiden Gebäudeteile an der Schwanenstraße. Damit erzeugt der Neubau einen klar ablesbaren Kopf an der stärker frequentierten Eingangsseite der Einzelhandelsnutzung und vermittelt zwischen den Höhen des eher städtischen Volksbank-Baus an der Einkaufsstraße und der kleinteiligen teilweise denkmalgeschützten Umgebungsbebauung in den Nebenstraßen. Die Lage der Traufe ist dabei jeweils so gewählt, dass einerseits die Grundrisse ohne Stufen und mit durchgängigen lichten Höhen ausgebildet werden können und andererseits die Fassaden der Baukörper durch den Wechsel des Trauf- und Fensterdetails einen deutlich unterschiedlichen Charakter erhalten. Dabei präsentiert sich das vorgeschlagenene Gebäude aufgrund von deutlichen Detail- und Materialverwandschaften zwischen den Bauteilen dennoch unverkennbar als zusammengehöriges Quartier und als neuer zeitgemäßer Stadtbaustein im historischen Balinger Kernstadtbereich.
Eine Reihe feiner Schleppgauben sorgt straßenseitig für die natürliche Belichtung der Nutzungen im Dach und stellt einen weiteren Bezug zur Umgebungsbebauung her. Zur Wasserseite hin wird das Dach aufgeklappt und eine Abfolge von sechs Dachterrassen eingeschnitten. Die qualitativ hochwertigen Wohnungen entwickeln sich, in Anlehnung an eine Hoftypologie, jeweils um die Dachterrasse und öffnen sich mit bodentiefen Fassaden zum grünen Freiraum um die Steinach.

Gebäude und Nutzungen
Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss befinden sich hauptsächlich die Einzelhandelsflächen des Drogeriemarkts. In der Tiefe sind die Ladenlokale über Fenster und Oberlichter in der Dachfläche zusätzlich natürlich belichtet. Logistik- und Nebenräume befinden sich im hinteren Teil des Gebäudes, Lagerflächen verteilen sich auf Erdgeschoss und erstes Obergeschoss. Die Anlieferung erfolgt über die Schwanenstraße. Aufgrund der natürlichen Topografie gibt es einen Höhenversatz von ca. 75 cm zum anschließenden Drogeriemarkt und den dazugehörigen Lagerflächen im Erdgeschoss. Zur einfachen Andienung gibt es direkt an der Laderampe einen Lastenaufzug mit Durchladefunktion, der die Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss und die Lagerräume erreicht.
Die Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage befinden sich an der Schwanenstraße und zugleich am topografisch tiefsten Punkt des anschließenden Geländes. Die Tiefgarage ist als rechteckige, komplett ungestörte Fläche ausgebildet, ein öffentlicher Zugang ist nicht vorgesehen. Beide Treppenhäuser sind von der Tiefgarage aus zugänglich und verbinden die Gewerbeeinheiten und Wohnungen direkt.
Das zweite Obergeschoss ist in bis zu drei Gewerbeeinheiten aufteilbar, die nach Bedarf separat über die Treppenhäuser erschlossen werden können. Aufgrund der Gebäudetiefe von ca. 14m sind die Flächen mit einem Kern in der Mitte und frei nutzbaren belichteten Zonen an der Fassade aufgeteilt.
Die Wohnungen mit unterschiedlichen Größen von 3 – 4 Zimmern sind mit ihrer Süd-West-Orientierung auch in Richtung Steinach gewandt. Hier sind insgesamt 6 Wohnungen nachgewiesen, die jeweils über einen eigene Dachterrasse verfügen, die als Einschnitt in den Baukörper hofähnlich ausgebildet sind und so gegenüber den Nachbarn für ausreichend Privatsphäre sorgen. Bei der Aufteilung der Wohnungen wurde drauf geachtet, dass für alle Wohnungen der zweite Rettungsweg durch Anleitern von der Schwanenstraße gesichert ist oder die Bewohner über Treppen die Dachfläche im rückwärtigen Bereich erreichen können, um so zu einem gemeinsamen Anleiterpunkt zu gelangen.

Konstruktion und Materialität
Nach Außen präsentiert sich der Neubau als ruhiger geschlämmter Klinkerkörper mit tief eingeschnittenen Laibungen. Der Rohbau wird als Ortbeton-Massivbau mit elastisch gebetteter Bodenplatte erstellt. Die Fassade ist als hinterlüftete Konstruktion aus grau-beigen Vollklinkerziegeln ausgeführt, auf dem Dach kommen handgeformte rote Tonziegel zum Einsatz. Fenster und Fassadenelemente sind aus eloxiertem Aluminium und mit einem außenliegenden textilen Sonnenschutz versehen. Im Erdgeschoss wird eine Pfosten-Riegel-Fassade für die größeren Öffnungen eingesetzt.
Die Verkleidungen der Dachgauben und andere Verwahrungen sollen mit eloxiertem Aluminiumblech ausgeführt werden. Verdeckte Rinnen, Traufen und Ortgang mit Formklinkerdetails, sowie sichtbare aber bündig integrierte Fallrohre sind weitere gestaltbildende Details. Die Wetterbänke und Sturzdetails im Erdgeschoss werden aus strukturiertem Betonwerkstein hergestellt.
Die Rückschnitte werden in gleicher Konstruktion jedoch anderer Farbigkeit und Detaillierung ausgeführt. Straßenseitig wird eine großzügige verglaste Öffnung in die Fassadenfläche eingewoben. Der Neubau hat durch die Material- und Farbwahl eine der Umgebung angepasste warme und helle, dabei zugleich angemessen wertige Ausstrahlung und eine dauerhafte und damit nachhaltige Konstruktion.

Energiekonzept und Nachhaltigkeit
Außenwände und Lochfassaden mit Fensterelementkonstruktionen, anteilig unter 60% der Außenfläche, tragen zusammen mit der geplanten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung und dem außenliegenden Sonnenschutz bzw. Sonnenschutzverglasung zum wirtschaftlichen Betrieb und zum Nutzungskomfort der Gebäude bei. Dämmstoffdicken und Dreifachisolierverglasung auf dem neuesten Stand der Technik sind selbstverständlich, die Stahlbetonkonstruktion mit Mauerwerk sorgt für die nötigen passiven Speichermassen im Gebäude.
Es kommen überwiegend Flächenheizungen zum Einsatz. Vor allem im Bereich der Gewerbeflächen ist eine Lüftung und Kühlung Stand der Technik. Die Heizwärmeerzeugung für das gesamte Gebäude erfolgt über eine elektrische Sole-Wasser-Wärmepumpenanlage mit Erdsondenfeld. In den Sommermonaten kann mit der Fußbodenheizung, in Verbindung mit den Erdsonden der Wärmepumpenanlage zudem passiv gekühlt werden. Photovoltaikpaneele liefern den Strom für die Wärmepumpe und tragen zur Deckung des Hausstrombedarfs bei. Die zentrale Zuluft und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung ist die effektivste Lösung für Neubauten, um gleichzeitig das Gebäude zu lüften und dabei Energie zu sparen. Mit dieser Anlage können 90 bis 95% der in der Abluft enthaltenen Wärme zurückgewonnen werden, die anschließend der Zuluft direkt zugeführt wird. Sämtliche Kühlanlagen der Einzelhandelsflächen sind mit Wärmerückgewinnung ausgestattet und für die Beleuchtung mit LED ausgestattet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen einen Baukörper vor, welcher das Grundstück annähernd komplett bebaut und ab dem 2.Obergeschoss als L-förmiger Gebäudetyp mit Satteldachstruktur den nördlichen und östlichen Rand des Baufeldes besetzt.
Das Gebäudevolumen wird hin zur Schwanenstraße durch zwei zurückgerückte Treppenhäuser in 3 Gebäudeteile gegliedert und schafft einen Bezug zum städtebaulichen Umfeld in Körnung und Struktur. Die gebäudekundlich markanten Fugen wirken etwas breit und in ihrer Fortführung über die Traufe als zu dominant. Der östliche Gebäudeteil hin zur Friedrichstrasse scheint in der Gesamtansicht der Straßenabwicklung zu kurz bemessen.
Nach Süden wird der Baukörper gestaffelt formuliert, schafft eine wohltuende Gebäudehöhe und mit der freigestellten Stadtmauer einen angemessenen Frei- und Stadtraum hin zur Steinach. Die Dachflächen werden entlang der Straßenräume zurückversetzt und die Traufhöhen der drei Bauteile hin zur westlichen Bebauung jeweils leicht reduziert. Die als Schleppgauben ausgebildeten Dachaufbauten nehmen Bezug auf die angrenzenden Gebäude und wirken unaufgeregt. Auf der Südseite erscheint die Dachfläche eher heterogen. Diese wird durch Flachdachbauten eingeschnitten auf denen sich den Wohnungen zugeordnete Terrassen befinden. Die auf Grund der Fluchtwegesituation vorgeschlagenen einläufigen Treppen tangieren das Fassadenbild sowie die Nutzungen der Büroflächen im 2.Obergeschoss.
Der Zugang in den Drogeriemarkt ist richtig positioniert, die Verkaufsflächen sind übersichtlich und gut nutzbar. Die westlich gelegene Anlieferung mit dem leichten Höhenversatz wird funktional gelöst. Die im 2.Obergeschoss befindlichen Büronutzungen weisen die gewünschte Flexibilität und Zusammenschaltbarkeit auf. Die Bespielbarkeit der Mittelzone wird auf Grund der dort gelegenen Kernzonen mit Nassbereichen und Versorgungseinheiten eingeschränkt. Die südlich vorgelagerte Terrasse stellt einen Mehrwert für die Büroflächen als Treffpunkt und sommerliche Verweilfläche dar, wird aber auf Grund der vorgestellten Fluchttreppen der Wohneinheiten gestört. Die im Dachgeschoss situierten Wohnungen mit nach Süden orientierten Terrassen werden als Dreibund entworfen und sind grundrisslich durchdacht.
Die klare, ruhige Fassadengliederung hin zu den Straßenräumen weiß zu überzeugen, die geschlossenen Wandflächen und Pfeiler werden in robustem und langlebigem Klinker vorgesehen. Das Erdgeschoss wird in gut proportioniertem Wechsel zwischen massiven Wandpfeilern und Glasflächen entwickelt. Die Formatigkeit der Obergeschosse wird den Nutzungen entsprechend angepasst.
Dachflächen und Gauben werden in Ziegeldeckung vorgeschlagen und nehmen Bezug auf die angrenzende Nachbarschaft. Durch die zurückgesetzten Dachflächen wird die konstruktive Ausbildung der innenliegenden, beheizten Rinne kritische gesehen.
Konstruktiv schlagen die Verfasser einen Massivbau mit Decken, Wänden und Stützen in Stahlbeton vor. Die Fußbodentemperierung wird zum Heizen und Kühlen herangezogen. Das beschriebene Energiekonzept ist plausibel und wirkt robust. Im Bereich des Brandschutzes sind die notwendigen Brandabschnitte erkennbar. Flucht- und Rettungswege werden konzeptionell erfüllt.
Betrachtet man die Kenndaten, bewegt sich der Entwurf in einem mittleren wirtschaftlichen Bereich. Die architektonische Gestalt wirkt der Aufgabe gegenüber angemessen, besonders in Bezug auf die unterschiedlichen Nutzungsanforderungen. Die Darstellung der Ansicht und Heterogenität der südlichen Bauteilfügung im Bereich der Dachflächen bedürfen der Darlegung. Die formale Ausbildung der Gebäudefugen müssen in Dimension und Materialität überprüft und konkretisiert werden.
Es handelt sich hier um eine insgesamt gute Arbeit, welche sich in den städtebaulichen Kontext angemessen einfügt.
Piktogramme Konzept

Piktogramme Konzept

Lageplan

Lageplan