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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2021

Sanierung der „Kramer-Mühle“ in St. Leon-Rot

1. Preis / Zur Realisierung empfohlen

Preisgeld: 40.000 EUR

Vast-Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Die Kramer Mühle bildet den Übergang der Dorfkern-Struktur St. Leons in eine lockere Besiedlungsform, die überwiegend durch freistehende Einfamilienhäuser gekennzeichnet ist. Die dichte Bebauung entlang der Straßenkarte des Dorfkerns erlaubt hin und wieder Einblicke in die Höfe dahinter; bei der lockeren Gebäudegliederung hingegen wird die Privatsphäre durch tiefe Vorgärten geschützt.

Die Verfasser nehmen beide Typologien auf und belassen diese in einem artikulierten Übergangsbereich, den sie als zwei miteinander verbundenen Plätze ansehen. Der bestehende Mühlenhof bleibt unangetastet bestehen. Auf der zum Ortsteil St. Leon gerichteten Grundstücksseite wird die zum Kraichbach hin abfallende Topographie aufgegriffen und zu einem für alle Bewohner*Innen und Besucher*Innen zugänglichen, gärtnerisch gestalteten Naherholungsbereich weitergebildet.
Hauptziel des Entwurfes ist es, eine zukunftsträchtige und wirtschaftlich vertretbare Umgangsform mit der Modernisierung der sehr heterogenen Bausubstanz des Ensembles zu finden, die der magischen Atmosphäre des Ortes zugutekommt.

Alle programmatischen Bestandteile, in denen sich kurz- oder langfristig potenziell viele Menschen aufhalten sind grundsätzlich im Erdgeschoss gehalten. Alle Nutzungseinheiten lassen sich unabhängig voneinander getrennt nutzen bzw. fremd vermieten, oder nach Bedarf miteinander verbinden. Für die Mediathek ist aufgrund programmatischer wie auch technischer Erwägungen ein Neubau direkt an der Straße vorgesehen. Die Mediathek soll das beständige Bindeglied zwischen Bildung, Erholung und kontrollierter Öffentlichkeit darstellen.

Morphologisch betrachtet sind die Bestandsbauten, sachliche kubisch- massiv gehaltene
Baukörper, die bei der Mühle und der Scheune über meisterhaft ausgeführte Dachkonstruktionen verfügen. Ein Dachstuhl mit doppeltem Kehlbalken, wie an der Mühle, ist für größere Spannweiten konzipiert und liegt in der Regel nur auf den äußeren massiven Wänden auf. Alle innenliegenden Stützen wurden ursprünglich hinzugezogen, um die Last der Zwischenebenen aufzufangen.

Das Entfernen der Zwischendecken ermöglicht stützenlose Räume im Erdgeschoss und bringt die filigrane Konstruktion des Dachstuhls zum Vorschein und steigert die atmosphärische Raumwirkung. Die Freihaltung der Dachstühle von Brandlasten erlaubt einen Verzicht auf gesonderte brandschutztechnische Maßnahmen wie Verkleidungen, sodass die historische Konstruktion sichtbar erhalten werden kann. Im Dachraum wird die zusätzliche TGA (Scheinwerfer, Akustikelemente, Lüftung) integriert.
In der Mühle über dem Eventraum bzw. in der Scheune über Küche und Gastronomie wird das 1.OG teilw. ausgebaut. Hier muss der Dachstuhl dahingehend ausnahmsweise gezielt ertüchtigt werden.

Die neue Infrastruktur befindet sich weitestgehend außerhalb der Bauten. Notwendige Treppen, Medien, Ver- und Entsorgung, Nassräume etc. kommen nicht in Konflikt mit dem Bestand. So erfahren die Bauten des Bestands keine unnötigen Veränderungen durch die technische Ertüchtigung, sondern lediglich durch die Anpassung an die neuen räumlichen und programmatischen Bedürfnisse. Das Andocken des Versorgungssystems an die Bestandsbauten erfolgt punktuell, ohne die Substanz der Haupträume zu belasten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser schlägt 2 kräftige Eingriffe in das bestehende Ensemble vor: Auf der Westseite wird mit dem 2. Bauabschnitt der Mediathek eine neue Baukante gebildet und gleichzeitig die angrenzende Bebauung abgerundet. Mit dem teilweise Durchbrechen des bisherigen eingeschossigen Nebengebäudes werden diese zusammen mit dem Kraichbach zu einer neuen kräftigen Mitte, die kein anderer Bearbeiter in dieser Radikalität erreicht hat. Unterstützt wird dieser Gedanke durch eine neue vorgelagerte Zone auch auf der Ostseite, sodass das ganze Ensemble zu einer neuen Einheit gefasst wird.
Die übrige Bausubstanz wird denkmalgerecht erhalten – hierbei ist es im Sinne des Denkmals ein Vorteil, in den Dachräumen nicht jede mögliche Ebene ausgenutzt zu haben, aber jedem Bereich eine identifizierbare Einheit gegeben zu haben.
Die Lage der Gastronomie schafft eine wünschenswerte Belebung des Hofes – evtl. wäre hier eine noch größere Durchlässigkeit zur östlichen Mühlwiese denkbar. Die östliche Unterkellerung ist fragwürdig. Die Seminarräume über der Gastronomie sind nicht barrierefrei erschlossen.
Die Freiräume sind hochwertig, die Mühlenwiese funktioniert ebenso wie die Andienung der Gastronomie – lediglich die Stellplätze scheinen knapp bemessen.
Insgesamt eine mutige, herausragende Arbeit, die ein neues Ganzes schafft und die Qualität des Bestandes erhält.
Die Kennwerte liegen trotz zugefügter Neubauten im durchschnittlichen Bereich. Die Unterteilung in einen eventuellen ersten und zweiten Bauabschnitt gibt dem Auslober Möglichkeiten auch der zeitlichen Streckung der Baumaßnahmen.