Studienauftrag im selektiven Verfahren | 07/2021
Neubau Pfarrei- und Vereinszentrum Matterhaus in Muri (CH)
©Geissbühler Venschott Architekten / Christoph Wey Landschaftsarchitekten GmbH
Visualisierung
Teilnahme / 2. Phase
Geissbühler Venschott Architekten
Architektur
CHRISTOPH WEY LANDSCHAFTSARCHITEKTEN
Landschaftsarchitektur
Beurteilung durch das Preisgericht
Aus ihrer sorgfältigen Analyse des Ortes und der Aufgabe für die Zwischenkritik und den Rückmeldungen des Beurteilungsgremiums entwickeln die Verfassenden ihre These für den Entwurf weiter: Suffizienz soll prioritär erreicht werden durch die Abdeckung möglichst aller Bedürfnisse aus dem Bestand. Konsequent sollen alle nicht zwingend abzubrechenden Bauten und Teilbereiche erhalten und mittels subtraktiver Eingriffe für die neuen und zukünftigen Anforderungen ertüchtigt werden. Dass die Katholische Pfarrkirche St. Goar in der letzten Erweiterung dem Matterhaus zu nahe gerückt ist, wird als Teil der Bedeutungsgeschichte und als Ausdruck des Selbstbewusstseins der Kirchgemeinde aufgefasst und in Kauf genommen. Architektonisch reagiert das Projekt darauf nun mit einer schönen Klärung der Aussenräume: eine Vorgartenzone zum Matterhaus und der geometrisch gefasste «Matterplatz» als Referenz zum Aufgang zum Kirchenportikus klären den Kirchplatz räumlich präzise. Atmosphärisch weitet sich der Bereich nach Norden zum neu gestalteten Aufenthaltsbereich um den versetzten Brunnen und bietet in der Gesamtheit aller Massnahmen nun trotz räumlicher Enge eine stimmige und attraktive Aussenraumfolge. Dem Dogma des Erhaltens folgend, bleiben sowohl Matterhaus wie auch dessen Anbau bestehen – lediglich das Einfamilienhaus wird rückgebaut und durch ein wuchtiges, in Anlehnung an historische Hofstätte abgeleitetes Saalgebäude ersetzt. Der Anbau wird in diesem Ensemble neu nun Zwischenbau und soll als Foyer Zugang und Adresse bilden für das Matterhaus und auch den Pfarreisaal. In der Wirkung als zusammengebaute Baugruppe erscheint die Anlage nun eher ortsfremd und zu mächtig, das Matterhaus in seiner Wirkung verunklärend. Im Entfernen aller Deckenbeläge über dem Erdgeschoss des Bestandes werden die Räumlichkeiten für die aktuelle Nutzung umgestaltet, wobei die Deckenbalken erhalten bleiben. Konsequenterweise wird zur räumlichen Klärung auch das Treppenhaus des Matterhauses abgebrochen, wodurch die Notwendigkeit entsteht, die Dachstube aufwändig über einen Galerieboden über dem Foyer zu erschliessen. Die Vertikalverbindung soll über eine zwischen Foyer und neuem Saal eingeschobene Treppenanlage erfolgen, welche gleichzeitig den Anschluss an den westlichen Gartenbereich und den Gewölbekeller sicherstellt. Das Beurteilungsgremium würdigt explizit den Versuch, Nachhaltigkeit durch den weitestgehenden Erhalt aller Bauten zu erzielen. Gleichzeitig stellt es aber auch fest, dass das Projekt in diesem Versuch die Zielsetzung verfehlen muss, weil die durch den Erhalt erzwungene Raumorganisation enorme Mehrflächen und -volumen generiert, die sowohl in Erstellung wie insbesondere auch im Betrieb letztlich mit grossem Zusatzaufwand erkauft werden. Zudem ergeben sich aus den selbst gesetzten Zwängen unübersichtliche und wenig flexible Raumkonstellationen: das Foyer als reiner Durchgangsraum kann nicht als separater Raum belegt werden, die Erschliessungsschicht vor dem Saal beengt dessen Eingangssituation und die Dachstube ist kaum auffindbar. Die Idee, die Räume der Jungwacht und des Blaurings mit Überhöhe auszuzeichnen, wird als räumlich interessant, aber auch als zu aufwändig und Ehrfurcht erheischend erachtet. Die geringe Stockhöhe im Bestand könnte ebenso gut als schöne Ausgangslage genutzt werden, den Jugendlichen einen Freiraum für das intime und eigenverantwortliche Einnisten anzubieten. Der neue Pfarreisaal wird architektonisch expressiv und dominant unter einem mächtigen Dach gefasst. Gezielt gesetzte Fensterelemente und das attraktive Nordlicht vom First erzeugen eine kontrollierte, stark introvertierte Stimmung, welche aber für viele angedachte Nutzungen zu sakral erscheint. Die Sichtbeziehung von Innen- zum Aussenraum falliert. Der architektonische Ausdruck des Neubauvolumens ist sorgfältig hergeleitet und soll das grosse Volumen als zeitgemässe öffentliche Nutzung erkennbar machen. Interessant sind auch der Vorschlag zur Integration von PV-Anlagen in die architektonische Gesamtkonzeption und die Überlegungen zur natürlichen Belüftung der Räume. In der Ausgestaltung des Übergangs von Bestand zu Neubau und auch in der Befensterung der Dachflächen des Verbinderbaus vermag das Projekt noch nicht zu überzeugen. Bedingt durch das grosse Volumen liegt das Projekt deutlich über dem Durchschnitt aller Grobkostenschätzungen. Ebenfalls bedingt durch die grossen Flächen und die nicht zugänglichen Fassadenbereiche ist auch mit überdurchschnittlichen Betriebskosten zu rechnen. Der Entwurfsprozess überzeugt in vielen Belangen: von der sorgfältigen und umfassenden Analyse über das einfache ortbauliche Konzept bis hin zur These, den Bestand für die Zukunft in möglichst schonender Art zu ertüchtigen. In der unbeirrten Konsequenz der Umsetzung dieser These überdehnt das Projekt letztlich das Angebot, so dass die angestrebte Suffizienz und auch Angemessenheit zur Aufgabenstellung nicht mehr erreicht werden können.
©Geissbühler Venschott Architekten / Christoph Wey Landschaftsarchitekten GmbH
Abgabeplan 01
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Abgabeplan 02
©Geissbühler Venschott Architekten / Christoph Wey Landschaftsarchitekten GmbH
Abgabeplan 03
©Geissbühler Venschott Architekten / Christoph Wey Landschaftsarchitekten GmbH
Abgabeplan 04