modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 03/2023

Arealentwicklung Werkhof Hochstrasse Schaffhausen (CH)

3. Rang

Preisgeld: 25.000 CHF

moos giuliani hermann architekten

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Cukrowicz Landschaften GmbH

Landschaftsarchitektur

Eclipse Studios GmbH

Visualisierung

Erläuterungstext

Auf einem Plateau oberhalb des Güterbahnhofs, am Fusse des Geissbergs, liegt das ehemalige Werkhofareal der Stadt Schaffhausen. Das Gelände, das derzeit nur geringfügig genutzt wird und mit Shedhallen, Werksgebäuden und zwei Wohnhäusern ausgestattet ist, soll zu einem lebendigen Wohnquartier entwickelt werden.

Redivivus - der Name ist Programm. Das architektonische Konzept des Werkhofareals bezieht sich auf den Bestand und knüpft an dessen Geschichte an. Es strebt danach, möglichst viel zu erhalten und mit der Grundhaltung des Weiterbauens, Weiternutzens und Wiederverwendens in ein neues Ganzes einzufügen. Dabei sollen neue Atmosphären geschaffen und gleichzeitig vorhandene, den Ort prägende Atmosphären bewahrt und gestärkt werden.

Die beiden Wohnhäuser an der Hochstrasse aus den Jahren 1909 und 1924 bleiben erhalten und werden nur sanft renoviert. Dieser geringe Eingriff ist sowohl aus denkmalpflegerischer, ökologischer als auch wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Auch die Werkhofhalle im südlichen Teil des Areals bleibt bestehen. Es werden eingeschossige Wohnungen und später angebaute mehrgeschossige Wohnungen mit Rücksicht auf die bestehende Substanz geschaffen, die sich zum Park hin orientieren.

Als bedeutendes Element und atmosphärisches "Herz" des Areals behält Redivivus auch große Teile der Shedhallen bei. Wo diese während der Bauphase, insbesondere der Unterbauten, nicht stehen bleiben können, werden die einzelnen Segmente abgebaut und die statisch ertüchtigte Metallkonstruktion anschließend wiederaufgebaut und ergänzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Idee

Mit dem Erhalt der das Areal wesentlich prägenden Bauten (Gebäude Hochstrasse 129 und 131, Shedhalle, Werkhofhalle) beabsichtigen die Projektverfassenden einerseits, die Geschichte und Atmosphäre des Ortes fortzuschreiben. Andererseits werden damit durch das Weiternutzen und Wiederverwenden bestehender Bausubstanz ökologischen aber auch ökonomischen Aspekten Rechnung getragen. Zudem wird damit aufgrund der Grenzlage der Bestandesbauten eine günstige Disposition der Aussenräume verfolgt.

Die zwei vorgeschlagenen fünfgeschossigen Neubauten fügen sich in die von den Bestandesbauten vorgegebenen Raumsequenzen ein: Im südlichen Arealbereich wird eine Wohnzeile parallel zur Werkhalle mit der Stirnfassade zur Hochstrasse gestellt. Dadurch wird zwischen den beiden Zeilenbauten ein angemessen dimensionierter Aussenraum für die privaten Gärten der hiesigen Erdgeschosswohnungen geschaffen. Der Massstabssprung vom fünfgeschossigen Neubau zur zu Wohnzwecken umgenutzten, zweigeschossigen Werkhofhalle wirkt jedoch unausgewogen und trägt nicht zur angestrebten Ensemblewirkung bei. Im Süden, angrenzend an die Hochstrasse, wird ein grosszügiger Spielplatz ausgeschieden, der mittels Pergola und schallabweisender Betonplatten vom Strassenlärm geschützt wird. Im zentral gelegenen Bereich um die Shedhalle wird ein in Teilbereichen gedeckter Quartiertreffpunkt angeboten. Über der Shedhalle wird ein zweiter Neubau angeordnet, der sich senkrecht zur dieser bis über den nördlichen Parkplatz mit Tiefgaragenzufahrt erstreckt. Zusammen mit dem denkmalpflegerisch wertvollen Gebäude Hochstrasse 129 fasst es räumlich das Gebäude Hochstrasse 131 an der Kreuzung Hochstrasse/Finsterwaldstrasse. Der hier entstehende Aussenraum wird, abgesehen von einem Zugangsweg, weitestgehend als Privatgarten genutzt, etwas unverständlich an diesem doch öffentlichsten Ort des Areals.

Freiraumgestaltung

Als prägend für das Projekt werden der offen gestaltete Innenhof, die einander zugewandten Privatgärten sowie der grosszügige Spielplatz im Süden des Areals wahrgenommen. Der Hof im Zentrum der Siedlung wird zum kreativen Herzstück der Bebauung. Ein mit Betonplatten gefasster Kiesbelag bietet sich für eine vielfältige Nutzung an. Das geplante Café im bestehenden Gebäude Nr. 129 nutzt den entstandenen Platz als Aussenraum, Atelierräume schliessen sich an den Platz an. Mit der Setzung eines Brunnens und mehreren Bäumen wird der Hof belebt und zum Quartiertreffpunkt für die Bewohnenden. Im Norden entwickelt sich der Hof zu einem überdachtem Aussenraum, Richtung Westen schliesst ein Gemeinschaftsraum in einer offenen Halle an. Ein Durchstich im mittleren Baukörper führt in einen zweiten Innenhof. Hier befinden sich die Privatgärten und der angegliederte Spielplatz. Der Spielplatz ist nach Altersgruppen zoniert und wird gegen die Hochstrasse hin mit der Pergola räumlich definiert. Die bestehenden Bäume bilden zusammen mit neu gepflanzten Sträuchern einen weichen Übergang vom Strassenraum zur Bebauung.

In den westlichen Randbereichen des Areals wird ein städtisches Gärtnern angedacht, welches auch auf dem Quartierplatz denkbar wäre. Mit dem zentralen Hof wird ein Treffpunkt geschaffen, der in erster Linie auf die Bewohnenden der Überbauung ausgerichtet ist.
Der Einbezug des erweiterten Quartiers bleibt dabei offen. Dies auch im Zusammenhang mit der wenig ausgeprägten Adressbildung gegen die Hochstrasse hin.

Die Anordnung der Privatgärten mit dem gemeinsamen Mittelgang fördert eine hohe Wohnqualität. Es wird zu einem nachbarschaftlichen Austausch über die Hecken hinweg eingeladen. Der Spielplatz erscheint natürlich und gut eingebunden. Positiv wird auch der Retentionsweiher gesehen, sowohl als Beobachtungsort für die Bewohnenden als auch als biodiversitätsfördernde Struktur. Die Nähe zur Hochstrasse wird mit der Bepflanzung weitestgehend überspielt.

Architektur, Nutzungen, Funktionalität

Die Nutzungen mit öffentlichem Charakter sind richtigerweise zentral in der Shedhalle (Gemeinschaftsraum) und im Erdgeschoss des Gebäudes 129 (Café) vorgesehen. Vorgelagert dazu werden auch gut nutzbare Aussenräume vorgeschlagen, die ein funktionierendes und angemessenes Quartierleben versprechen. In der südlich angrenzenden Wohnzeile sind neben dem Durchgang im Erdgeschoss im mittleren Bereich vier Ateliers angeordnet, die zum Quartiertreffpunkt vermitteln. Als konfliktreicher werden die an den Ecken geplanten Wohn-und Individualzimmer beurteilt, insbesondere auch aufgrund der hier angelegten Wegverbindung durchs Areal.
Der Lärmsituation betreffend die empfindlichen Wohnräume wird durch die konsequente Disposition der Neubauten mit ihren Stirnfassaden zu den Strassenräumen regelkonform begegnet. Die 50 Wohnungen mit 2.5 bis 5.5 Zimmern entsprechen in der Anzahl den Anforderungen, die Kleinwohnungen sind jedoch zulasten der 3.5-Zimmer-Wohnungen übervertreten.

Die Wohnungen in der südlichen Zeile verfügen in der Regel über einen durchgehenden Wohn-/Koch-/Essbereich mit grosszügigen südlichen Loggien. Der Koch-/Essbereich wirkt jedoch in seinen Proportionen zu langgestreckt und nicht einfach möblierbar. Mit der Anordnung der Nasszellen gelingt vor allem bei den grösseren Wohnungen die Gliederung in einen Privatbereich. Die korridorartigen, knapp bemessenen Wohnungseingänge sind wenig einladend und funktional gestaltet. Mit der neu Wohnzwecken dienenden Werkhofhalle nutzen die Verfassenden die Chance, im Bestand eine Vielzahl an unterschiedlichen und interessanten Wohnformen (Maisonette-, Klein- und grössere Wohnungen) anzubieten mit z. T. direkten Aussenzugängen über private Vorgärten. Die im Neubau über der Shedhalle vorgeschlagenen Wohnungen sind als Dreispänner konzipiert. Die Wohn-/ Koch-/Essbereich sind sehr grosszugig angelegt, z. T. aber nur einseitig natürlich belichtet. Da die Nasszellen konsequent am Erschliessungskern liegen und die Individualzimmer auf der gegenüberliegenden Seite der Gemeinschaftsbereiche, entstehen weite Wege durch die Wohnbereiche.

Die beiden Neubauten verfügen über eine einheitliche Fassadengestaltung mit Ausfachungen in Holzbauweise und einer ebensolchen Verkleidung. Die grosszügigen Öffnungen in Form raumhoher Fenster schaffen im Wechselspiel mit den übereinanderliegenden Loggien ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild. Dieses wird durch vorstehende umlaufende Geschoss- und vertikale Bänder zusammengehalten. Der Erhalt der Architekturen beim zentralen Quartiertreffpunkt verspricht eine spezifische, auf der Geschichte des Ortes basierende Atmosphäre.

Erschliessung

Das Areal wird wenig übersichtlich um das bestehende Bushäuschen und die geschlossene Wand der bestehenden Werkhalle oder am Gebäude 129 vorbei entlang der südlichen Wohnzeile erschlossen. Die Durchwegung wird wenig attraktiv z. T. unter den Gebäuden bzw. entlang von diesen geführt. Die Tiefgaragenzufahrt im Norden über den Parkplatz greift tief ins Areal hinein. Dadurch gelingt es aber, die unterirdischen Parkplätze im Bereich der bebauten bzw. versiegelten Flächen anzuordnen und die Grünflächen von Unterbauungen zu befreien. Abstellplätze für Velos sind knapp bemessen und nur an zwei oberirdischen Standorten sowie in der Tiefgarage ausgewiesen.

Wirtschaftlichkeit, Realisierbarkeit und Nachhaltigkeit

Die beiden Neubauten sind grossmassstäblich dimensioniert und verfügen über flächeneffiziente Erschliessungen. Konsequent werden die Tragstrukturen, Nasszellen und Loggien übereinander angeordnet. Die tragenden Funktionen übernehmen regelmässige Stützenraster und die Erschliessungskerne, die Fassadenausfachungen und Zwischenwände sind in Holzbauweise vorgesehen. Dies eröffnet ein einfaches Anpassen der Wohnungsgrundrisse an spätere Wohnbedürfnisse.

Umgang mit denkmalpflegerischen Vorgaben

Neben dem schützenswerten Bestandesbau Hochstrasse 129 wird auch das Gebäude Hochstrasse 131 erhalten und grosse Teile der Shedhalle sollen bestehen bleiben. Das EG des Gebäudes 129 wird reaktiviert und die historische Erschliessungsachse durch das Gebäude wird zum durchgängigen Zugang des Cafélokals. Die unmittelbar an das Gebäude 129 angrenzende Halle wird abgebrochen, es wird aber mit den restlichen Hallen westlich des Hauses eine Art Flügelanlage gestaltet. Der bauliche Zusammenhang zwischen dem Kopfbau an der Hochstrasse 129 und den dahinterliegenden Hallen wird mittels der nördlich des Baus angrenzenden Hallenbereichs sichergestellt. Zwischen der grösseren Shedhalle und dem Kopfbau entsteht ein Hofbereich, der sowohl der Halle wie auch dem Kopfbau Bedeutung gibt. Der Umgang mit den Grundrissen im Haus 129 ist sehr auf den schützenswerten Bestand abgestimmt und der Bau soll ohne grössere Veränderungen weitergenutzt werden. Im Projekt fraglich ist der grossflächig postulierte Erhalt der Hallen. Durch die vielfältigen Nutzungen, den teilweisen Überbau und das Unterbauen der Hallen durch eine Tiefgarage ist ein glaubwürdiger Erhalt der Hallenbereiche fraglich.

Gesamtwürdigung

Der Projektvorschlag beabsichtigt, durch den Erhalt der identitätsstiftenden Bauten und dem konzentrierten Eingriff mittels zweier Neubauten dem Ort die Geschichte zu erhalten und gleichsam gemeinschaftlichen Nutzungen und neuen Wohnbedürfnissen mittels verdichteter Bauweise zu genügen. In der Gliederung der zentralen und südlichen Arealbereiche mit den entsprechenden öffentlichen bzw. privaten Nutzungen gelingt das Vorhaben. Der nördliche Bereich mit Privatgarten am prominentesten Ort, einer umständlichen Wegführung sowie einer eher abweisenden Parkierungsanlege mit Tiefgaragenzufahrt vermag jedoch nicht zu überzeugen. Setzung und Proportionen der Neubauten erscheinen zu dominant, um mit den Bestandesbauten eine Ensemblewirkung zu erzielen.

Die Wohnungen bieten insbesondere in den Bestandesbauten eine willkommene Vielfalt. Die Wohnqualitäten fallen jedoch aufgrund von Raumproportionen und der Disposition von gemeinschaftlichen und privaten Bereichen unterschiedlich aus. Das Erscheinungsbild der Neubauten verspricht eine abwechslungsreiche und gekonnt komponierte Architektur.