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Studienauftrag | 05/2021

Umwidmung Birsig-Parkplatz in Basel (CH)

Teilnahme

Bellprat Partner AG

Szenographie

Juri Steiner & Partner

sonstige Fachplanung

pg landschaften

Landschaftsarchitektur

Rahbaran Hürzeler Architekten

Architektur

Erläuterungstext

« RESET BIRSIG »

Der Birsig-Parkplatz in Basel wird aufgehoben. Er verschwindet. Der bleibende Raum öffnet sich einer neuen Nutzung. Diese „Umwidmung“ ist symbolisch und real. In die Frage nach der Zukunft des Parkplatzes mischt sich jene nach dessen Vergangenheit, seiner bestehenden und verschütteten Referenzen, den urbanen Motiven und Beziehungen. Und es stellt sich die Frage nach den gesellschaftlichen Herausforderungen im öffentlichen Raum unserer Gegenwart, nach Autorschaft und AdressatInnen, die den Ort künftig nutzen und ihm Identität verleihen werden.

Der Anspruch ist komplex, die Eingriffsoptionen und die Ressourcen sind beschränkt, ebenso der Zeithorizont der Intervention. Trotzdem: Kaum wird der Parkplatz von seiner alten Funktion befreit, droht ihm bereits neue gestalterische Überdeterminierung.

Der Platz verdient es – und sei es nur für einen Moment – als Freiraum wahrgenommen zu werden.

Bevor er als Sozialraum neu „gefüllt“ werden kann, muss er erst einmal ausgeräumt werden. Hier setzt unser Kerngedanke an: Die gesuchte Umwidmung vollzieht sich symbolisch über den Akt des Leerens. Das spätere Einräumen wird über einfache Spielregeln, die in Partnerschaft mit den aktuellen Stakeholdern definiert werden, dynamisch und in Etappen geschehen.

Um die „Rite de Passage“ zu vollziehen, braucht es eine starke Initialgeste – ein Reset, das den Weg weist und dabei alle Optionen dieses Basler Hinterhofs unvoreingenommen offen hält. Die kuratorische Hand steht dabei ganz im Dienste der Teilhabenden, der AnwohnerInnen, des Gewerbes, der PassantInnen und ihrer Bedürfnisse nach Schatten und Ruhe auf einer Bank, Inspiration vor einem Kunstwerk, Erfrischung im Café oder Beschleunigung per E-Bike.

Wir machen aus dem Platz ohne Eigenschaften und Funktion für einen magischen Moment ein unbeschriebenes Blatt, im wahrsten Sinne: Am Tag x, wenn das letzte Auto verschwunden sein wird, wird der Strassenbelag auf seiner gesamten Fläche mit einem weissen Belag überzogen (Los Angeles testet seit 2018 weiss-reflektierenden Strassenbelag zur Abkühlung des Stadtklimas). In Basel markiert der einmalige Moment als Happening und Fest den Neuanfang. Denn schon mit den ersten Schuhsohlen, Velopneus und Pflanzenkübeln, die mit dem Platz in Berührung kommen, wird die Geschichte des ehemaligen Parkplatzes neu und weitergeschrieben.

Auf einem grossen Transparent, das auf der Fassade am Kopf-Ende des „White Strip“ ausgerollt wird, stehen zehn Gebote, welche die Spielregeln umreissen.

Mögliche Beispiele?

1. Der Birsig-Parkplatz ist Vergangenheit
2. Seine Zukunft ist ein offener Prozess
3. Der Raum gehört allen. Er dient den Verweilenden wie den Eilenden
4. Das Gewerbeleben wird gepflegt. Durchkommerzialisierung ist kein Ziel
5. Jede Nutzung ist reversibel, toleriert und respektiert andere Nutzungsformen
6. Künstlerische Interventionen sind erwünscht
7. Restaurants, Cafés und Bars nutzen die ihnen zustehenden Quadratmeter
Aussenraum – einfach nicht der Fassade entlang
8. Pflanzen deponieren und pflegen ist erlaubt.
Jede Form von Littering ist schlecht, immer
9. Mobiliar ist Geschmacksache
10. Smile

Die zehn Gebote stecken Programm und Feld der Interventionen zwischen Chancen und Risiken ab. Sie sind bewusst offen formuliert, damit das Labor-Prinzip als Geschenk und Verpflichtung deutlich wird. Denn um ein Labor handelt es sich: unterschiedlichste Nutzungsmodelle des öffentlichen Raums können hier exemplarisch getestet werden. Wie werden Ziele ohne zu eng abgesteckte Wege erreicht? Wieviel Leere, wieviel Fülle erträgt der Raum? Wie funktioniert ein ideales Zusammenwirken der unterschiedlichen „Kümmerer“, damit der Ort zum Biotop wird?

„RESET BIRSIG“ will Voraussetzungen, Bedingungen und Möglichkeiten befragen und neu definieren. Es will lernen, sich entwickeln und seine Erfahrungen der Öffentlichkeit zu Verfügung stellen. Um aus den Experimenten relevante Schlüsse ziehen zu können, wird – in Einklang mit den sozialen und kulturellen Aspekten – ein urbanistisches Themenfundament bestehend aus Aufenthaltsqualität, Nachhaltigkeit und Klima definiert, das es grundsätzlich und kontinuierlich zu berücksichtigen gilt. Unter Beachtung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit sind Aufenthaltsbereiche mit angenehmer Akustik und stimmungsvollen Lichtverhältnissen zu schaffen. Das Mikroklima ist durch Beschattung, Begrünung und Wasser positiv zu beeinflussen.

Als Gemeinschaftswerk ist das Projekt „RESET BIRSIG“ dazu prädestiniert, sich als Verein zu organisieren. Öffentliche Hand, Wirtschaft und Zivilgesellschaft definieren gemeinsam die Methode. Mit Leidenschaft, Kompetenz und Erfindungsreichtum verfolgen die Partner das Ziel eines inspirierenden und beispielhaften Stadtraums, um den sie sich kollektiv kümmern.


TEAM:
BELLPRAT PARTNER / JURI STEINER / PG LANDSCHAFTEN / RAHBARAN HÜRZELER ARCHITEKTEN

Beurteilung durch das Preisgericht

Insgesamt handelt es sich um ein überaus spannendes Konzept, dessen Radikalität dem Beurteilungsgremium gut gefällt. Dem Projektteam gelingt es, der komplexen Aufgabenstellung mit einer starken Idee zu begegnen: Es verknüpft über den «White Strip» die gestalterische Veränderung des Platzes mit seiner symbolischen Umdeutung. Durch diesen bemerkenswerten konzeptuellen Ansatz erreicht das Team, das Wesen eines öffentlichen Platzes sowohl kritisch wie konstruktiv zu reflektieren. Das Beurteilungsgremium sieht die Herausforderung des Beitrags darin, bei der Umsetzung einerseits den konzeptuellen Kern der Idee nicht zu verlieren, andererseits einen Raum zu gestalten, der im Alltag «funktioniert»: Der Birsig- Parkplatz soll sämtliche in der Aufgabenstellung gewünschten Aufenthaltsqualitäten erfüllen und von seinen Nutzerinnen auch ohne Vorwissen gut aufgenommen werden. Dieser doppelten Aufgabe kommt der Projektvorschlag «Reset Birsig» nicht ausreichend nach. Gestalterisch entfaltet der Platz mit dem zwar hellen, letztlich aber doch konventionell wirkenden Kiesbelag nicht die gewünschte starke Ausstrahlung. Die Ausstattung mit Möbeln, Pflanzen und weiteren Objekten wird die Besonderheit des Platzes zusätzlich schwächen. Auf der Bedeutungsebene ist für den Erfolg des Konzepts entscheidend, ob die Nutzerinnen die ihm zugrunde liegende Idee kennen und verstehen. Da es sich um einen Platz im Zentrum einer Stadt handelt, die Projektlaufzeit 15 Jahre beträgt und das Publikum stark variiert, geht das Beurteilungsgremium davon aus, dass die Projektidee nur wenigen Nutzerinnen bekannt sein wird und der Birsig-Parkplatz von allen anderen Besucherinnen als gewöhnlicher Platz wahrgenommen wird. Besonders kritisch wird beurteilt, dass das Projektteam keine konkreten Angaben zur Ausstattung und zur Bespielung des Platzes macht und sämtliche Entscheidungen auf einen späteren Zeitpunkt und an ein Kuratorium delegiert. Dem Beurteilungsgremium fällt es damit schwer, die Umsetzung der Projektidee im Detail zu prüfen.