modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 02/2024

Umgestaltung Herne-Bay-Platz und Platz von Gardelegen in Waltrop

Innenstadt Waltrop

Innenstadt Waltrop

2. Preis

Preisgeld: 11.000 EUR

OTTL.LA Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Umgestaltung Herne-Bay-Platz und Platz von Gardelegen
von der wohl schönsten zur grünsten Einkaufsstraße

Der Entwurf zur Umgestaltung des Herne-Bay- und des Kiepenkerlplatzes versteht die Innenstadt Waltrops als einen öffentlichen Raum mit diversen Anforderungen und einem individuellen Nutzungsprofil. Ziel ist es daher einen attraktiven, durchgrünten Stadtraum zu schaffen, der durch Angebot, Gestaltung und Atmosphäre von sich aus Besucherströme generiert und auf Grund seiner Freiraumqualität als Zielort in der Stadt angesteuert wird.
Das Ziel ist klar gesetzt: Waltrops Fußgängerzone soll sich von der einst schönsten, zur grünsten Einkaufsstraße entwickeln.

Entwurfskonzept und stadträumliche Einordnung
Um für die Auswirkungen der Klimakrise gewappnet und generationsübergreifend attraktiv zu sein muss eine Einkaufsstraße im 21. Jahrhundert anders funktionieren als bisher. Lineare Straßenräume als grüne Flanierzonen, die mit klimaresilienten, markanten Plätzen eine gestalterische Einheit bilden und sich zu einer vielfältigen Freiraumsequenz zusammenfügen. Der Entwurf versteht die beiden Stadtplätze dabei als individuelle Ankerpunkte mit unterschiedlichen, sich ergänzenden Nutzungsstrukturen und Bedeutungen im Freiraumgeflecht der Innenstadt: Als grünes Herz wird der Kiepenkerlplatz in einen Klima-Hain transformiert, großzügig entsiegelt und zu einer markanten Wegmarke zwischen Stutenteich und Moselbachpark, St. Peter und dem 3. Ort. Als Teil der Fußgängerzone dient er der Verknüpfung, der Wegeführung und Orientierung.
Der Herne-Bay Platz ist das neue Entree, Ort zum Warten, Treffpunkt, Macro-Habitat und Pocket-Park. Er orientiert sich in seiner Gestaltung und Materialwahl an der neuen Stadtachse entlang der Stadthalle, schließt die städtebauliche Ecksituation zum Parkplatz durch ein dichtes Baumdach und wir so zu einem eigenständigen Ort und Anlaufpunkt am Eingang der Fußgängerzone.
Die neugeschaffenen, extensiven Grünräume sorgen für Kühlung an heißen Sommertagen, nehmen Regenwasser auf und bieten Orte zur Kontemplation.

Gestaltqualität, Atmosphäre und Aufenthaltsqualität
Die neuen, grünen Waltroper Plätze sind als inklusive, schwellenlose Stadträume gestaltet. Sie sind übersichtlich, gut zu durchwegen und vielfältig in ihrer Pflanzenwahl, den Sitzorten und Nutzungsmöglichkeiten. Beide Plätze räumen Fußgängern Vorrang ein, bieten ausreichend Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und beschattete Sitzplätze und Treffpunkte mit gut einsehbaren Spielräumen für Kinder und Aufenthaltsbereiche für Jugendliche.

Platz von Gardelegen - Kiepenkerlplatz
Als grünes Herz der Einkaufsstraße ist der neue Kiepenkerlplatz das zentrale Gelenk der Einkaufsstraße. Die beiden Grünflächen zonieren die Platzfläche und bilden ruhigere, dennoch einsichtige Sitzbereiche und breite, großzügige Laufflächen aus. Diese Dualität überträgt sich auch auf das Material: bossierter und glatter Klinker bilden subtile unterschiede in der Haptik und Geschwindigkeit aus und unterstreichen die punktuell räumlich dichteren und linear offenen Bereiche des Platzes. Verbindende Elemente sind überspringende Baumplfanzungen, sowie offene Rinnen, die die Einkaufsstraßen an die Platzrahmung anbinden.
Der Platz bildet einen dichten Klima-Hain aus der sowohl klimatische als auch stadtökologische Funktionen erfüllt und sich räumlich prägnant in den Stadtkörper legt. Eine durchdachte Zonierung erlaubt eine multifunktionale Platznutzung trotz hohem Grünanteil. Rettungs- und Feuerwehrflächen finden ebenso Platz wie die Bühne für Feste und Veranstaltungen am Kiepenkerl.

Herne-Bay-Platz
Der Herne-Bay-Platz versteht sich als durchgrünter Pocket-Park mit eigenständiger Identität. Durch seine Lage am Eingang in die Einkaufsstraße ist er Verbinder, Verteiler und Verweilort zugleich. Eine großflächige, aktive Grüninsel entsiegelt den ehemaligen Parkplatz und er erhält ein hohes Baumdach aus Arten wie Liquidambar, Sophora und Gleditsia. Dass auf dem Platz auch eine Zufahrt für Anlieger verläuft ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Er präsentiert sich als Stadtplatz mit durchgehendem Klinkerpflaster, ausgeprägten Aufenthalts- und Sitzbereichen und einem Rahmen aus Betonstein, der an den Vorbereich der Stadthalle anbindet. Verschiedene Nutzungsbereiche sprechen unterschiedliche Zielgruppen an: Ob Tischtennis mit den Enkeln, Schaukeln während man auf den Schulbus wartet oder generationsübergreifendes Verweilen auf der Bürgerbank.
Richtung Süden öffnet sich der Platz mit einer gut einsehbaren Außengastronomie zur Durchwegung Richtung Dortmunder Straße. Bei einer möglichen Umwidmung der Scheune kann die grüne Vorzonen hier durch eine Wegedecke direkt an den Platz andocken und die Flächen auch im Außenraum bespielen. Die Abkürzung Richtung Einkaufsstraße erhält lineare Bodenleuchten und eine überarbeitete Fassadenbegrünung und wird vom Angstraum zum grünen Verbinder.
Nach Norden bildet der Herne-Bay-Platz eine klare Kante zum Parkplatz aus, die den umgebenden Hausblock optisch schließt und sich zur Bushaltestelle in einen grünen Puffer ausweitet. Hier finden sich Fahrradständer und eine Reparaturstelle mit Pumpe und Werkzeug. Um weiteren Verwechselungen vorzubeugen bekommt der Herne-Bay-Platz eine Info-Tafel zur englischen Partnerstadt. Durch die üppige Begrünung und Vielfalt in der Vegetationsauswahl wird der Platzbereich zum Macro-Habitat im städtischen Kontext und bildet ein Trittstein-Biotop zwischen modernem Moselbach- und traditionsreichem Stutenteichpark.

Retention und Regenwassermanagement
Ziel ist es die Retentionskapazität der Plätze zu steigern und das Thema Schwammstadt und Regenwassermanagement sichtbar im Stadtraum abzubilden. Durch Baum-Rigolen und Mulden zur Verdunstung werden die neuen Grüninseln zu Wassersammlern. Eine Schicht aus resistenter, wassersensitiver Staudenpflanzung nutzt zusammen mit den resilienten Klimabäumen das gesammelte Wasser und reduziert somit den Bedarf an Bewässerung. Offene, wasserführende Rinnen machen das Thema der Schwammstadt erfahrbar und anschaulich. Sie sind an die Rinnen der Fußgängerzone angebunden. Rund um den Kiepenkerl-Brunnen verbindet eine Pflasterrinne aus Kleinstein die beiden Grüninseln. Hier bleibt Regenwasser länger stehen, es kann mit Gummistiefeln geplanscht werden und das anstehende Wasser kühlt den Aufenthaltsbereich an den Sitzbänken.

Material- und Möblierungskonzept
Der Entwurf setzt konsequent auf die Wiederverwertung und Restaurierung des Vorgefundenen sowie der zurückhaltenden Ergänzung und Akzentuierung durch neue Elemente. Das markante Material in der Fußgängerzone bleibt der Klinkerbelag. Die Plätze greifen die Haptik und Farbe, sowie Formate auf und schaffen über eine Oberflächenbearbeitung des Bestandsmaterials unterschiedliche Geschwindigkeiten in den stark frequentierten Stadträumen. Durch eine Bossierung der Oberfläche wird der Belag rauer, langsamer und verstärkt die Zonierung der Aufenthaltsbereiche. Die Haptik bricht hier mit der glatten Oberfläche der Einkaufsstraße, wird rutschfester, weniger glänzend und wertet die Grüninseln und Sitzbereiche auf. Der Herne-Bay-Platz setzt zudem die Materialwahl der neuen Stadtachse entlang der Stadthalle fort. Das graue changierende Betonpflaster betont hier die Eigenständigkeit des Ortes auch abseits der Einkaufsstraße.
Bänke und Ausstattungselemente sind wertig, dauerhaft und pflegearm ausgeführt. Besonderen Wert wird auf angenehme Haptik, warme Oberflächen und eine einfache Reparierbarkeit gelegt. Das verwendete Mobiliar ist inklusiv. In der Einkaufsstraße werden die markanten, prägenden Bestandsleuchten überarbeitet und mit LED-Technik ausgestattet und auf den Plätzen durch moderne Mastleuchten ergänzt. Das schafft Differenzierung in den Teilräumen und erhält gleichzeitig die wertigen und bekannten Ausstattungselemente in der Innenstadt.
Doch allein durch die Umgestaltung der Ankerpunkte in der Innenstadt wird die Fußgängerzone noch nicht zur grünsten Einkaufsstraße. Das Konzept setzt auf die Aktivierung und Einbindung der WaltroperInnen. In Workshops mit Vereinen und Freiwilligen können Bürgerbeete in Eigenregie gebaut werden. Sie finden Platz entlang der Dortmunder Straße, Isbruch-, Hagel- und Rösterstraße, sowie des Neuen Wegs und werden durch BürgerInnen und Anlieger in einem Patenschaftenmodell betreut. Durch insektenfreundliche Bepflanzung, einzelne Kleingehölze und die Adaption der Beete an die Bestandsgehölze entsteht ein budegtschohnendes einheitliches Bild mit zusätzlichen Sitzmöglichkeiten und in einer zurückhaltend bunten, pastellnen Farbpalette, das sich nicht als Dauerlösung aber als Startschuss für eine lebendige Innenstadtentwicklung versteht.

Vegetationskonzept
Über 30 Gehölze werden auf beiden Plätzen in Form von Klima-Hainen aus verschiedenen Klimabaum-Arten (Klima-Mix) gepflanzt und begrünen in einer Mischung aus unterschiedlichen Habitus, Farb- und Blühaspekten die Innenstadt. Die wechselfeuchten Blühstauden- und Gräsermischungen sind abgestimmt und möglichst pflegeextensive. Sie bilden Blühaspekte zu unterschiedlichen Jahreszeiten und unterstreichen durch ihre Texturen und Skalierung die Unterschiedlichkeit der beiden Stadtplätze. Der Herne-Bay-Platz ist durch eine strapazierfähige Wiesenmischung geprägt, die zur Straße hin mit einem Grünen Puffer aus Sträuchern überpflanzt ist.

Wirtschaftlichkeit in Bau und Betrieb, Nachhaltigkeit
Großer Wert wird bei der Umgestaltung auf die Wirtschaftlichkeit gelegt. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Auswahl der Oberflächen, dem hohen Recyclingwert und der Verwendung von dauerhaften Materialien bei der Umgestaltung. Die vegetativen Flächen sind simpel in der Instandhaltung und robust im Unterhalt. Oberflächen sind leicht zu reinigen und können mit gelagerten Baustoffen repariert werden. Drei Faktoren führen zudem zu einem hohen Einsparpotential für CO2 bei der Umgestaltung: Verwendung von bestehenden und reparierbaren Materialien, Entsiegelung und Durchgrünung der bestehenden Flächen, sowie qualitätvolle und nutzungsoffene Umgestaltung mit hohem Aufenthaltswert, langer Haltbarkeit und Beständigkeit.
So wird wenig neues, in Materialien gebundenes CO2 freigesetzt, neue Gehölze nehmen zudem CO2 auf und BürgerInnen und NutzerInnen identifizieren sich auf lange Zeit mit den neuen Plätzen.

Neue Orte ohne Konsumzwang
Durch die Umgestaltung der zwei zentralen Stadtplätze in und entlang der Fußgängerzone in Waltrop enthält der Innenstadtbereich zwei neue klimasensible, durchgrünte Anlaufpunkte für BürgerInnen und Besuchende, die in die anliegenden Straßen strahlen. Man trifft sich auf der schattigen Bank am Kiepenkerl, schlendert mit einem Eis über den Herne-Bay-Platz und nimmt Platz auf einem der Bürgerbeete entlang der Dortmunder Straße. Attraktive konsumfreie Stadtplätze treten in Synergie mit den Restaurants und Geschäften der Fußgängerzone und schaffen die nun grünsten Einkaufsstraße in NRW.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ziele dieser Arbeit ist es, eine »Einkaufsstraße im 21. Jahrhundert« unter dem Eindruck der Klimakrise zu entwerfen. Die beiden Wettbewerbsräume Herne-Bay-Platz und Platz von Gardelegen werden daher stark begrünt - um Niederschlag aufzunehmen, das Mikroklima positiv zu beeinflussen und Habitate zu schaffen. Die Verfasseden sehen die beiden Plätze eingebunden in den größeren Zusammenhang einer Grünvernetzung zwischen Moselbachtal und Stutenteich.

Beim Herne-Bay-Platz gelingt die Umwandlung in einen Pocketpark. Die überwiegende Fläche wird begrünt oder versickerungsfähig gestaltet. Viele neue Bäume werden gepflanzt und Rasen- und Wiesenflächen angelegt. Einher geht dies mit einem klugem Flächenzuschnitt, der die wichtigen Wegebeziehungen zu Tiefgarage und dem Nachbar im Süden ebenso wie die gut einsehbare Verbindung zur kleinen Gasse berücksichtigt. Gleichzeitig entstehen gut und vielfältig nutzbare Räume für Fußgänger*innen. Die sehr nah an der Kreuzung liegende Zufahrt von der Isbruchstraße auf den Platz und weiter zur Tiefgarage gilt es, verkehrsplanerisch zu prüfen. Der Herne-Bay-Platz wird ein Ort mit hoher Aufenthaltsqualität für Waltrop.

Auch der Platz von Gardelegen in der Fußgängerzone soll stark begrünt werden. Das erzeugte Raumbild ist atmosphärisch eindrucksvoll, jedoch zeigen sich hier die Grenzen des Ansatzes. Historisch im Kern von Waltrop gelegen ist dieser Raum gut, aber durchaus eng durch Gebäude gefasst. Die beiden Grüninseln wirken eher wie eine Barriere im Kreuzungspunkt von fünf Straßen. Auch die weiteren Elemente wie die offene Rinne, die Trampoline und Bänke sind zu raumgreifend. Die Feuerwehraufstellflächen erscheinen zu knapp bemessen. Der für die Bühne vorgeschlagene Ort ist für einige der bestehenden Veranstaltungen in der Ausrichtung wenig attraktiv und wahrscheinlich problematisch bei der Genehmigung durch die Feuerwehr. Die Fällung der beiden erhaltenswerten Bäume im Süden wird kritisiert.

Die Ausstattung ist der Aufgabe angemessen. Sehr positiv sind die Vorschläge zur Wiederverwendung des Klinkerpflasters, dessen schöne Oberflächenbehandlung und der Variation in der Verlegeweise. Auch die weiteren Gedanken für Bürgerbeetund Partizipation der Anwohner*innen und des Einzelhandels zeigen, dass die Gedanken zur Klimaanpassung und Materialsuffizienz hier konsequent weitergedacht werden.
Platz von Gardelegen

Platz von Gardelegen

Platz von Gardelegen

Platz von Gardelegen

Materialdetail - Platz von Gardelegen

Materialdetail - Platz von Gardelegen

Herne-Bay-Platz

Herne-Bay-Platz

Herne-Bay-Platz

Herne-Bay-Platz

Materialdetail - Herne-Bay-Platz

Materialdetail - Herne-Bay-Platz

Konzept Innenstadt Waltrop

Konzept Innenstadt Waltrop