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4. Rang 5 / 5

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2022

Umbau Post- und Verwaltungsgebäude Vaduz zur neuen Liechtensteinischen Landesbibliothek (LI)

5. Rang

Dürig AG

Architektur

Dr. Deuring + Oehninger AG

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

POST
Das Postgebäude wirkt hermetisch und gegliedert zugleich. Es strahlt, der Aufgabe als Postgebäude entsprechend, Sicherheit aus und zeigt mit seiner Gliederung die verschiedenen Funktionen des Postbetriebes. Die Gliederung antwortet städtebaulich auch auf die verschiedenartigen Stadträume und -ebenen. Der Kundenzugang liegt an der Fussgängerzone des Städtle. Der Betriebszugang befindet sich an der Äulestrasse, die für motorisierten Verkehr zugelassen ist. Das Postgebäude mit den Anlieferungs-, Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen ist optimal auf die Situation ausgerichtet. Architektur, Städtebau, Programm und Verkehr bilden eine Einheit.

LANDESBIBLIOTHEK
Für eine Transformation zur Landesbibliothek braucht es, trotz all dieser Qualitäten, mehr Offenheit. Mit minimalen und präzisen Veränderungen in der Architektur wird diese Transformation erreicht. Die neue Nutzung als Landesbibliothek zeigt sich am minimalistischen
«Wegnehmen» von Fassaden in den verschiedenen Baukörpern und auf diversen Geschossen. Mit dieser einfachen Intervention des «Wegnehmens» wird die neue Nutzung Bibliothek sichtbar gemacht und die Kommunikation mit den Nutzern hergestellt. Das Haus wird ansonsten in seinem bisherigen und vertrauten Ausdruck, seiner Gliederung und seiner Architektur unverändert belassen.

TRANSFORMATION
Das Postgebäude zeigte mit seiner Gliederung und Fassaden das Programm der Post als staatstragende Institution und strahlt Sicherheit und Dauerhaftigkeit aus. Mit seiner Gliederung in mehrere Volumen bildet es die verschiedenen Funktionen ab und unterscheidet öffentlich zugängliche und private Bereiche.
Diese Gliederung macht aber auch für die Funktionen der Bibliothek Sinn: Die Publikumsbereiche liegen im Pavillon zum Städtle und im Sockel zur Äulestrasse mit direktem Bezug zu den Stadträumen. Die Lese- und Arbeitsbereiche befinden sich, etwas entrückt, im aufgeständerten ehemaligen Administrationstrakt, die Sondernutzungen im Dachpavillon.
Der geschlossene Ausdruck des heutigen Hauses wird mit grossflächigen Öffnungen von Teilen der Fassade kontrastiert. In drei mit dem Stadtraum in Bezug stehenden Geschossen werden ganze Fassadenbereiche entfernt und durch hochtransparente Glasfronten ersetzt. Die dahinter liegenden Räume und Nutzungen strahlen in den Stadtraum hinaus, ziehen den Besucher an und zeigen die Nutzungen als Landesbibliothek.

ORGANISATION
Das Programm wird, wie vom Veranstalter vorgeschlagen, auf die vier Gebäudekörper des Hauses (Sockel, Eingangspavillon, Gebäude und Dachpavillon) verteilt. Volumen, Funktion und Lage stimmen überein und sind intuitiv auffindbar. Das jeweilige Programm berücksichtigt die Stadtebenen, die Zugänge, die Funktion und die Bewegung.
Im ersten Untergeschoss auf dem Niveau der Äulestrasse sind ein Eingang (mit Garderobe und WCs) und der Makerspace angeordnet. Im restlichen Teil des UG1 befinden sich die Kulturgüterschutzräume, ein Teil der Magazine UG und weitere Lager. Über den Vorplatz auf dem Niveau Städtle gelangt man durch den Eingangsbereich in die Kinder- und Jugendbibliothek sowie ins Bibliotheks-Café. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind weitere Bibliotheksbereiche angeordnet (Sachbuchbereich, Belletristik Erwachsene, Hörbücher und Filme) mit den dazugehörigen Lese- und Lernplätzen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich auch ein Teil der Räume des Personals (Werkstatt, Akzessionsraum, Büros). Weitere Personalräume (Büros, Pausenraum, Duschraum) liegen zusammen mit dem Magazin OG im dritten Obergeschoss, dass für die Besucher nicht zugänglich ist. Im Dachgeschoss, umgeben von grosszügig begrünten Dachterrassen befinden sich weitere Bibliotheksräume (Liechtenstein Bereich, Ausstellungsbereich) mit Lese- und Lernplätzen sowie der Veranstaltungsraum mit Aussicht über das Alpenrheintal.

ZUGÄNGE
Das Haus ist mit dem Stadtraum über jeweils eigene, den Innenräumen vorgelagerten Aussenräumen verbunden. Auf den zwei Stadtebenen Städtle und Äulestrasse befinden sich Eingänge für Besucher, Personal und Anlieferung.
Der Haupteingang (Besuchereingang) zur Bibliothek auf der Ebene des Städtle wird vollständig verglast. Der Eingangsraum, das Café und die Jugendbibliothek sind von aussen einsehbar und führen den Besucher in das Gebäude.
Mit einem Eingang auf der Ebene Äulestrasse wird der Zugang zur Bibliothek von zwei Seiten möglich. Das Foyer und die Treppe verbindet nicht nur Eingänge und Nutzungen, sondern auch Stadträume. Die Äulestrasse wird damit aufgewertet und eine zukünftige Qualitätssteigerung des Verkehrsraum für den Langsamverkehr antizipiert. Dem Fussgänger soll langfristig auch in der Äulestrasse Priorität eingeräumt werden. So könnte auch die, den Stadtraum störende, Passerelle zum Parkhaus zurückgebaut werden.
Der Pavillon auf dem Dach, verglast und mit vorgelagerten Terrassen, öffnet sich seiner Lage entsprechend rundum zur Stadt und bietet so ein eindrucksvolles Panorama. Alle Fassaden werden neu aufgebaut.

ERSCHLIESSUNG
Der bestehende Erschliessungskern wird belassen und dient weiterhin auch als Fluchtweg. Neu hinzu kommen zwei Wendeltreppen: Eine Treppe als interne Verbindung der Bibliotheksräume und eine Weitere als Verbindung der beiden Zugangs- und Stadtebenen.

FASSADEN
Im ersten Untergeschoss zur Äulestrasse wird eine schmale Raumschicht angebaut und raumhoch verglast. Im Eingangsgeschoss wird die platzseitige Fassade demontiert und vollständig verglast neu aufgebaut. Beide Fassaden liegen im Eigenschatten des Gebäudes. Im Bereich des Cafés wird die Verschattung mit Sonnenschirmen erreicht.
Im Dachgeschoss werden alle Fronten demontiert und neu konstruiert. Die Fassaden sind, wie die anderen Neubauteile auch, vollständig verglast und mit Sonnenschutzglas ausgerüstet.
Diese Dachgeschossfassaden werden mit Gelenkarmmarkisen verschattet. Gleichzeitig entstehen so verschattete Aussensitzplätze.
Die bestehenden Fassadenelemente werden weiterverwendet. Sie werden demontiert, gereinigt und erscheinen in neuem Glanz. Der Baukörper wird rundum stark isoliert, im Hohlraum der bestehenden Paneele gibt es ausreichend Platz dafür. Die Fenster werden ersetzt und zur Hälfte mit einer Steuerung für die Lüftung ausgerüstet. Die andere Hälfte kann, wie bisher, von Hand geöffnet werden. Der Sonnenschutz wird ebenfalls mit neuesten Modellen ersetzt. Auch hier ist eine neue Steuerung vorgesehen.

MATERIAL & NACHHALTIGKEIT
Wenige präzise Eingriffe genügen für die Transformation von Post zu Bibliothek. Es ist von Vorteil für das Haus und das Konzept, dass die Vorgaben zum Raumprogramm auf die Flächen und die Gliederung abgestimmt wurden.
Die Gebäudestruktur muss für die heutigen Normen der Erdbebensicherheit leicht angepasst werden, kann aber problemlos weiterverwendet werden. Auf Anbauten wird, mit Ausnahme des Einbaues im unteren Erdgeschoss und eine Erweiterung des Dachpavillons, verzichtet.
Die Hülle wird mit Ausnahme der Eingriffe erhalten. Die Gebäudetechnik, die Steuerung, die Beleuchtung und alle Oberflächen werden ersetzt, um dem Stand der Technik und den Ansprüchen an die Nachhaltigkeit zu genügen.
Der geringe Anteil von Neubauteilen, ein schonungsvoller Umgang mit dem Bestand, die Wiederverwendung der Struktur und der Fassade wirken sich günstig auf die Nachhaltigkeit aus.

STRUKTUR
Zur Abtragung der horizontalen Kräfte aus Wind und Erdbeben dienen hauptsächlich die beiden Kerne aus Stahlbetonwänden. Diese weisen vom Dachgeschoss bis in die Untergeschosse durchgehende Wände auf. Ein FE-Modell und die entsprechenden Nachweise der massgebenden Elemente auf Basis der Ursprungspläne zeigen, dass die vorhandenen Wände im Erdgeschoss die aktuell gültigen Erdbebenanforderungen nicht erfüllen.
Aufgrund der exzentrisch angeordneten Kerne resultieren Torsionsschwingungen. Der westliche Liftkern wird verhältnismässig stärker beansprucht. Als Verstärkungsmassnahme sollen die Wände des westlichen Liftkerns sowie die östliche Treppenhauswand aufgedoppelt werden. Für eine ausreichende Erdbebensicherheit in Gebäudelängsrichtung wird eine der südlichen Stützen im OG1 mit einer zusätzlichen Wandscheibe verstärkt.
Die bereits vorhandene Querwand im Luftraum zwischen dem Erdgeschoss und Obergeschoss wird beibehalten. Diese Verbindung rückt den Schubmittelpunkt des Gebäudes näher ins Zentrum, die Torsionsschwingungen werden reduziert.

TECHNIK
Der externe Energiebedarf für Wärme wird über einen Anschluss an das Netz gedeckt. Der externe Strombedarf wird mittels Photovoltaikpaneelen auf dem Dach reduziert und soll im Sinne der Zero-Emission-Zielsetzung CO2-frei als Labelstrom bezogen werden. Damit ist eine 100% CO2-neutrale Energieversorgung gewährleistet.
Die Wärmeabgabe erfolgt, wie bisher, über Radiatoren und Konvektoren an der Fassade. Bedingt durch die hohe Vorlauftemperatur der Fernwärme kann dieses flinke und einfach zu regulierende System eingesetzt werden. Zusätzlich wird eine Überhitzung, speziell in den Übergangsmonaten, aktiv verhindert.
Mit Ausnahme der klimatisierten Archivräume sind alle Räume über motorisierte und CO2- gesteuerte Fensterflügel natürlich belüftet.
Die Versorgung mit elektrischer Energie erfolgt über einen Anschluss ans Netz und die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der produzierte Strom wird mittels AC/DC Wandler in erster
Priorität ins interne Stromnetz eingespeist. Die Stromverteilung erfolgt, wie bisher, über gut zugängliche Brüstungskanäle. Für die Beleuchtung werden konsequent LED-Leuchten eingesetzt.

UMGEBUNG
Kleine Eingriffe in die Umgebungsflächen auf beiden Stadtniveaus machen die Bibliothek behindertengerecht zugänglich. Die vier kleinen Bäume in der südöstlichen Ecke des Vorplatzes auf Niveau Städtle werden zugunsten eines grossen Ginkgo Baumes an einen anderen Ort in der Stadt versetzt. Diese Ecke ist der einzige Bereich des Vorplatzes, der nicht unterbaut ist.
Einzig hier kann ein grosser, schöner Baum wachsen. Ansonsten können die qualitätsvollen Platz- und Aussenräume unverändert weiterbestehen.

WIRTSCHAFTLICHKEIT
Der Erhalt der Gebäudestruktur, der Fassade, der Erschliessung mindert den Abbruch und wirkt sich positiv aus auf die graue Energie und die Kosten. Gebäudetechnik und Innenausbau sind auf jeden Fall zu erneuern und damit kostenmässig gegenüber anderen Projekten neutral. Bei den beiden Erweiterungen im Sockel und auf dem Dach handelt es sich verhältnismässig kleine Volumen. Die neuen Verglasungen sind kostenintensiv, aber verhältnismässig klein. Für die Transformation und die Identität der Bibliothek aber unverzichtbar.

GRÜN
In verschiedenen Geschossen und Nutzungsbereichen entstehen verschiedene, aber konzeptuell zusammenhängende Ansätze für die gewünschte Innenbegrünung. Eine Grünwand auf der unteren Stadtebene, begrünte Lichtkörper im Erdgeschoss auf der Ebene Städtle, ein hängender Wintergraten im Erschliessungsbereich es Dachgeschoss und begrünte Terrassen erfrischen die Bibliothek auf verschieden Geschossen.
Lageplan

Lageplan

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