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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2015

Neubau Naturhistorisches Museum Basel und Staatsarchiv Basel-Stadt

3. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 35.000 CHF

Caruso St John Architects

Architektur

Conzett Bronzini Partner AG

Bauingenieurwesen

Ferrari Gartmann AG

Bauingenieurwesen

Kalt + Halbeisen Ingenieurbüro AG

Bauingenieurwesen

enerpeak salzmann ag

Bauingenieurwesen

BAKUS Bauphysik & Akustik GmbH

Akustikplanung, Bauphysik

Gruner AG

Brandschutzplanung

Antón & Ghiggi landschaft architektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Enzyklopädie
Das Projekt für das Naturhistorische Museum und das Staatsarchiv in Basel beabsichtigt, für die beiden Institutionen ein gemeinsames Gebäude zu erstellen, das den gesamten Umfang und Massstab ihrer reichhaltigen Nutzungen reflektiert. Die monumentalen Geschosse dieses Gebäudes mit seiner gewaltigen Unterkellerung werden sowohl Räume beinhalten, die stark frequentiert sind als auch Räume, die unzugänglich und ruhig sind, Räume für Ausstellungen und Unterricht sowie Räume für die Wissenschaft und zur Archivierung. Der Entwurf schlägt vor, dass alle Räumlichkeiten von einer übergeordneten Struktur mit aussergewöhnlichem Massstab und Konsistenz aufgenommen werden, deren nicht-hierarchische Gliederung die gleichwertige Bedeutung aller Naturen und Wissensbereiche widerspiegelt, so wie die Seiten eines Buches, die Regale einer Bibliothek oder die Räume eines riesigen Lagerhauses. In diesem Gebäude sollte das Publikum das unendliche Schauspiel von Natur und Wissenschaft erfahren, mit einem Wechsel aus objektbasierten und erzählerischen Displays, mit Bibliotheken und offenen Archiven.

Der Baukörper wurde so entworfen, dass er in Bezug auf seine Struktur und Systematik konsistent ist. Eine einfache strukturelle Gliederung sowie eine klare Anordnung der Bewegungsflächen und Haustechnik ermöglichen eine flexible Belegung der Geschosse. Die öffentlichen Ebenen, Büros und Lagergeschosse wurden allesamt horizontal angelegt und spannen von einem Ende des Gebäudes zum anderen.Gleichmässig gesetzte Treppen und Lifts bieten eine schnelle Verbindung zwischen den öffentlichen und privaten Ebenen. Die Fussbodenniveaus der hohen, öffentlichen Geschosse und niedrigeren Büro- und Lagergeschosse laufen überall durch und bieten somit Spielraum bei der Aufteilung des Grundrisses. Dadurch belegen das Naturhistorische Museum und das Staatsarchiv mit ihren gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen auf grosszügige, offen erweiterbare Weise das Gebäude und bieten hiermit das Potential für nachhaltiges Wachstum und Veränderung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur
Das Projekt mit dem Namen ENZYKLOPADIE hat den Anspruch, klassische Architektur zu sein. Dies ist unter den Bedingungen eines zeitgenössischen Bauvorhabens ein äusserst aufregendes und ambitioniertes Ansinnen. Denn der wohlproportionierte Baukörper mit präzise gesetzten Öffnungen, die sorgfältig gegliederte Fassade mit grosszügigen Dimensionen oder auch die physische Präsenz einer monolithischen Wand sind heutzutage aufgrund der oftmals einengenden Baugesetze und ökonomischen Einschränkungen alles andere als selbstverständlich. Der vorliegende Entwurf erreicht solche elementaren architektonischen Eigenschaften, die wir oft mit vertrauten Bildern von Gebäuden in städtischen Situationen in Verbindung bringen, auf überraschend erfolgreiche Art und Weise.

Die Formulierung des Gebäudevolumens ist einfach und überzeugend. Auf den im Bebauungsplan vorgesehenen Turm wird zugunsten einer zurückhaltenden städtebaulichen Setzung verzichtet. Trotzdem bildet der langgestreckte Baukörper eine kraftvolle Stirn zur Brücke am Vogesenplatz. Und auf den beiden Längsseiten weist er einmal eine horizontale, einmal eine stark vertikal betonte Gliederung auf. Es ist auffällig, wie unterschiedlich die beiden Seiten behandelt sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem angemessenen Auftritt des neuen öffentlichen Gebäudes. Man mag über den Palazzo an der Entenweidstrasse etwas erstaunt sein. Wie traditionell, wie industriell sollen die beiden Institutionen hier, an diesem Ort, in Erscheinung treten? Die janusköpfige Ambivalenz des vorliegenden Vorschlags kann als eine interessante mögliche Antwort auf diese wesentliche architektonische Frage verstanden werden.

Die Adresse des Hauses ist klar. Naturhistorisches Museum und Staatsarchiv haben jeweils einen eigenen Eingang an der Strasse. Entsprechend klar ist auch die Orientierung für den Besucher. Im Inneren des Gebäudes sind einfache, in sich geschlossene Raume aneinandergereiht. Das Staatsarchiv ist primär im Erdgeschoss, das Naturhistorische Museum vor allem im 1. Obergeschoss untergebracht. Es gibt Hallen, Treppenhäuser, Korridore, Säle und Zimmer. Ob Ausstellungsraum, Sammlung oder Archiv, die Raume sind grundsätzlich einheitlich gedacht. Diese Vorstellung gibt der inneren Struktur des Gebäudes Ruhe und Stabilität. Allerdings wirkt die daraus folgende, repetitive Ordnung an einigen Stellen auch reichlich schematisch und manchmal vielleicht sogar etwas beklemmend. Auf den Planen wird eine mögliche, abwechslungsreiche Bespielung der Ausstellungssäle aufgezeigt. Diese lustvoll variierte Innenausstattung wird für einen attraktiven Museumsbetrieb unerlässlich sein und ist daher als ein fester Bestandteil des Projekts zu verstehen.

Naturhistorisches Museum
Trotz der klaren und übersichtlichen Konzeption der Museumsraume gibt es vonseiten des Museums schwerwiegende Bedenken zur vorgeschlagenen Raumorganisation. Es fehlen insgesamt rund 560 m2 Ausstellungsflache. Vertikal- und Horizontalerschliessung werden als mangelhaft beurteilt. Namentlich die Beschränkung auf einen Warenlift fur beide Institutionen wird aus verschiedenen Gründen als unrealistisch betrachtet. Dass auch die Erschliessungszone fur Dauerausstellungsformate genutzt werden soll, wird vom Nutzer kritisch beurteilt. Die Besucherführung erfolgt nach dem ≪Sackgassenprinzip≫. Eine durchgängige Wegeführung wurde klar bevorzugt.

Die Sammlungen sind auf unterschiedlichen Stockwerken angeordnet. Sie befinden sich im 3. und 4. Untergeschoss und im 2. Obergeschoss. Gesamthaft gibt es 25 Sammlungsraume. Einige Bereiche sind mit dem Staatsarchiv vermischt. Eine effiziente und sichere Bewirtschaftung der Sammlungen ist so nicht gegeben. Die für den Besucher gewünschten Einblicke in Sammlungen und Werkstatten sind nur an wenigen Stellen möglich. Das Museum wünscht sich mehr solcher Schaufenster-Situationen.

Staatsarchiv
Die Bereiche für das Staatsarchiv sind aus Sicht der Nutzer im Wesentlichen gut konzipiert und sowohl für Mitarbeiter als auch für Besucher attraktiv angeordnet. Empfang, Lesesaal und Archivfenster im Erdgeschoss mit direkter Beziehung zum Strassenraum werden als optimal empfunden, ist doch die gute Sichtbarkeit und Auffindbarkeit der Institution eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Betrieb eines Staatsarchivs. Einige Funktionsbereiche, etwa das Transfer Backoffice, sind noch nicht am richtigen Ort. Auch fehlt ein digitales Magazin. Als wirklich problematisch wird auch hier die fehlende Abgrenzung zur Nachbarinstitution im Bereich der Logistik und Warenlifterschliessung beurteilt. Die damit verbundenen Kreuzungen von Personen- und Warenströmen mussten in einer Weiterentwicklung beseitigt werden. Dort wo die Begegnung zwischen den Besuchern und Benutzern der beiden Institutionen gewünscht ist, funktioniert sie einfach und ziemlich selbstverständlich. Cafeteria und Auditorium sind von beiden Seiten her gut zugänglich.

Tragwerk
Das Gebäude ist im Wesentlichen als Massivbau konzipiert. Die Wände sind tragend und werden vor Ort betoniert. Die Decken hingegen sind als vorfabrizierte Elemente ausgebildet. Dies hat neben Vorteilen im Bauablauf vor allem auch eine architektonische Wirkung: Die Decken haben eine Struktur und einen Massstab. Sie werden als tektonisch wirksame Teile des Gebäudes inszeniert und tragen damit auch zum Charakter der Innenräume bei. Gesamthaft kann das statische Konzept als einfach und schlüssig bezeichnet werden. Wegen der vier Untergeschosse ist mit erheblichem Aufwand fur Aushub, Baugrubensicherung und Grundwassermassnahmen zu rechnen.

Energie, Gebäudetechnik
Der vorgeschlagene Baukörper ist sehr kompakt und daher unter dem Aspekt der Energieeffizienz optimal proportioniert. Der Glasanteil ist relativ gering und daher energetisch ebenfalls günstig. Das Projekt schlägt auf der Seite zu den Geleisen eine Art Installationswand vor. Fast alle Schächte sind in diese Wand integriert. Das ist fur die Installationen gut, weil dank der Einführung von der Seite her mit wenigen Kreuzungen zu rechnen ist. Das Haustechnikkonzept wird im Hinblick auf spätere Anpassungen als flexibel genug beurteilt. Zusammenfassend: einfaches und wirtschaftliches Haustechnikkonzept mit niedrigem Energieverbrauch.

Wirtschaftlichkeit
Die Gesamtkosten liegen innerhalb des prognostizierten Bereichs der Vorgabe.

Würdigung Projekt
Gesamthaft ist das Projekt ENZYKLOPADIE als ein sehr kultivierter und souveräner Entwurf zu würdigen. Das vorgeschlagene Gebäude ist klar gegliedert und weist eine einfach verständliche Struktur auf. Damit strahlt es Ruhe und Selbstverständlichkeit aus. Diese Eigenschaften zu erreichen, ist unter den hochspezifischen Bedingungen der Wettbewerbsaufgabe eine beachtliche Leistung. Wahrscheinlich ist es aber auch diesem Streben nach Ordnung und Klarheit geschuldet, dass an einigen Stellen beträchtliche betriebliche Mangel in Kauf genommen wurden. So konnten schliesslich die Zweifel im Bezug auf die Funktionalität des Entwurfs nicht ausgeräumt werden.