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Ideenwettbewerb im kooperativen Verfahren mit vorgeschaltetem Auswahlverfahren | 06/2021

Innenraumkonzepte für die Kirche St. Maria in Stuttgart

Anerkennung

Anna Andrich Ltd

Architektur

Erläuterungstext

TAUSEND PLATEAUS

Die Neugestaltung des Kirchenraum St.Maria beruht auf einer neuen Bodengestaltung in der Form einer Topographie. Subtile Hoch- und Tiefebenen formen Nischen, Promenaden und Plateaus und verweben den Innen- und Außenraum in einem Gefüge von intimen und offenen Bereichen. Die Eigenschaften der Topographie inszenieren formelle und informelle Begegnungen ohne dabei den fliessenden und flexiblen Charakter der Kirche zu verlieren. Sowohl die Offenheit des Pastoralkonzepts als auch die liturgischen Feierformen der Gemeinde soll bewahrt und gefördert werden.

Das Projekt fügt sich der Architektur der Neu Gotik und tritt in einen Dialog mit dem urbanen Charakter des Bestandes. Das massive statische Skelette der Gotischen Kirche ist historisch durch einen bewegten plastischen Boden ergänzt der in ständiger Bearbeitung ist. Auch St.Maria weist auf eine vielseitige Bodenschichtung die sich stets den Anforderungen und Bedürfnissen der Zeit anpasst. Das bestehende Niveau des Innenraum ist von der Stadt abgehoben und auf die liturgischen Orte ausgelegt. Der Entwurf ergänzt diese Orientierung durch weitere Vektoren um somit die Raumdirektion zu erweitern. Sie soll sich sowohl auf die Kirche als auf den umliegenden Stadtraum beziehen und somit demokratisch wirken.

Das Mittelschiff wird auf das Niveau des Vorplatz (-0.64cm) gesenkt um den Innen- mit dem Außenraum ebenerdig und somit inklusive und barrierefreie zu erschliessen. Vorplatz und Mittelschiff verfliessen zu einem feierlichen grossen Raum. Eine neue Achse durch die Seiteneingänge vernetz dir Kirche weiter zur umliegenden Stadt. Gezielte Einschnitte in den Seitenschiffen, Chor und Querhaus verorten eine Familie von Nischen (-0.48cm) präzise im Kontext und gliedern den Raum weiter. Eine Familie von Plateaus (+0.00) fasst das Gefüge und schafft Raum für Sitzbänke und Bühnen. Durch die verschiedenen leichten Abhebungen sind Mittelschiff, Nischen und Plateaus sowohl einzelne als auch miteinander bespielbar.

Studio Anna Andrich
info@annaandrich.com

Beurteilung durch das Preisgericht

Das räumliche Konzept des Wettbewerbsbeitrags basiert auf einem leergeräumten
Kirchenraum, weclher durch eine topografische Gestaltung des Fußbodens zoniert wird. Die Absenkung des Fußbodenniveaus schafft nicht nur einen barrierefreien Zugang, sondern eine ebenerdige Verbindung in den Stadtraum. Das Höhenniveau des Vorplatzes wird in den Kircheninnenraum verlängert und bildet eine durchgehende Mittelzone. Die Bereiche der Seitenschiffe bleiben teilweise auf dem Ursprungsniveau der Kirche und bilden somit eine differenzierte, informelle Sitz- und Bühnenlandschaft. Die Übergänge zwischen dem tiefergelegten Mittelgang und den höheren Bereichen der Seitenschiffe erinnern an archäologische Schnitte durch die Geschichte der Kirche. Freistehende Einbauten bilden die dienenden Nebennutzflächen. Die Nutzbarkeit und ausreichende Größe der Ebenen werden kritisch gesehen. Die Sanitärbereiche sind in der bestehenden Sakristei angeordnet. Die Lichtgestaltung soll laut Erläuterungstext die Zonierung des Fußbodens verfolgen, eine konkrete Ausformulierung bleibt offen. Ebenfalls bleibt die Bestuhlung weitgehend unklar.
Das Fußbodenmaterial im Innen- und Außenbereich soll einheitlich gestaltet werden. Die
blauen, großformatigen Platten werden als Zitat an das marianische Patronat der Kirche aufgefasst.
Die Plateaus in den Seitenschiffen sollen aus poliertem Terrazzo abgehoben werden. Die im Chorbereich verorteten Prinzipalstücke werden aus lichtreflektierendem Stein beschrieben.
Die Angaben über die Verortung der Prinzipalstücke bleiben unklar und überzeugen nicht.
Die Bearbeitung des Innenbodens ermöglicht es schwellenfrei an den Außenbereich anzuschließen und damit die bestehenden und unterschiedlichen Höhenniveaus an den drei Zugangsseiten zu kompensieren.
Bei den Abtragungen des Innenbodens um bis zu 60cm werden erhebliche und nicht lösbare statische Probleme befürchtet. Baukonstruktive Bedenken lassen eine Realisierbarkeit grundsätzlich bezweifeln. Die fehlende Barrierefreiheit der topografischen
Fußbodengestaltung wird als nicht zeitgemäß gesehen. Den Prinzipalien wird nicht die vom Auslober gewünschte Aufmerksamkeit geschenkt. Das Preisgericht sieht einen kreativen und poetischen Beitrag zum Wettbewerb und eine originelle Interpretation des pastoralen Konzepts von „st maria als“. Durch die zonierte Gestaltung des Fußbodens entsteht ein diversifizierter und mehrdeutiger Kirchenraum der in die Zukunft verweist.

Beurteilung durch die Denkmalpflege:
Die Bodenmodellierung ist mit Eingriffen in den Bestand verbunden, die in ihrer statischen
Konsequenz nicht absehbar sind. Auch für das Erscheinungsbild ist die Bodenmodellierung mit einer gewissen Beeinträchtigung verbunden: Der feste Boden schwimmt und der Kirchenraum verliert dadurch an Ruhe.