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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Neubau Langformschule InselCampus Wilhelmsburg in Hamburg

Perspektive von Süden

Perspektive von Süden

2. Preis

Preisgeld: 42.000 EUR

raumzeit - Läufer, Tausch, Tuczek

Architektur

Erläuterungstext

Inselcampus

Der Inselcampus hat für das entstehende Elbinselquartier in städtebaulicher, räumlicher, funktionaler und sozialer Hinsicht zentrale Bedeutung. Die herausragende Lage am Eingang zum Quartier, die Größe des Bauwerks und die Nähe zum Wasser erfordern eine kraftvolle städtebauliche Setzung, die aus den unterschiedlichen Richtungen, in der Fern- wie der Nahwirkung überzeugt. In der Auseinandersetzung mit den Zielstellungen deutlicher städtebaulicher Raumbildung einerseits und den Anforderungen der Kompaktheit, der räumlichen Nähe und kurzer Wege andererseits sucht das Projekt ein Optimum, das die Cluster-Logik der Schulorganisation in eine städtebaulich prägnante Form integriert und das mit differenzierten und qualitätvollen Räumen innerhalb der Großform der sozialen Bedeutung des Ensembles gerecht wird.

Städtebauliches Konzept
Mit deutlichen Raumkanten nach außen begrenzen die Bauten des Campus den geschützten Schulhofbereich. Die städtebauliche Vorgabe wird unter Einhaltung der Baugrenzen als Komposition aus drei Baukörpern gleicher Materialität, jedoch unterschiedlicher Volumetrie und Ausrichtung interpretiert. Der lagernde, viergeschossige Hauptbaukörper entlang der Jaffestraße tritt in einen Dialog mit dem kubisch aufragenden Volumen des fünfgeschossigen 'Turms' an der Südkante, während die Sporthalle als am stärksten erdverhaftetes Bauwerk mit einer charakteristischen Dachkontur den Schulhof nach Norden begrenzt. Wie es der städtebauliche Rahmenplan vorsieht, tritt die Schule als Langbau den drei Blöcken auf der Ostseite der Jaffestraße gegenüber. Der im Städtebau angelegte Versatz des Baukörpers entlang der Straße wird jedoch bewusst nicht aufgegriffen: Die Raumwirkung der Straße ist u. E. stärker, wenn den sich versetzenden Blöcken an der Ostseite eine gerade Kante an der Westseite gegenübersteht.
Der Hauptzugang zum Riegel liegt in der Achse der verschwenkenden Jaffestraße. Ein weiterer Zugang ist von Norden her vorgesehen; der Langbau wird hier zusätzlich von der Schulhofseite her erschlossen.

Hochbauliches Konzept
Die einfache Volumetrie und die Dimensionen der Baukörper erfordern eine kräftige Gliederung, vor allem am Riegelbaukörper. Primäre Zäsuren sind dabei die Einschnitte der Patios, je zwei pro Längsseite, die den an sich tiefen Baukörper natürlich belichten und in eine Mäanderform bringen. Als sekundäre Gliederung wird das Raster der Skelettkonstruktion im Relief der Fassade thematisiert, das zunächst durch Gleichmaß und Wiederholung gekennzeichnet ist, aber dann durch wechselnde Abstände einen bestimmten Rhythmus bekommt. Das Raster stellt sich als Rahmenwerk dar, einerseits mit opaken Füllungen, die die Ziegeloberfläche variieren, andererseits mit breit gelagerten Fenstern, deren Rahmungen in einem mattroten Farbton gut zum Ziegel passen. Gestaltung und Materialisierung knüpfen bewusst an industrielle Ziegelarchitektur der Moderne an. Wie dort gelegentlich anzutreffen, ist der Gebäudesockel in Stahlbeton vorgesehen. Zum Ziegelton tritt das Grün der Höfe und der zum Teil begrünten Fassaden.

Raum- und Funktionsprogramm
Die allgemeinen Unterrichtsräume sind so zwischen Riegel und Turm aufgeteilt, dass im Riegel die Jahrgänge 1-10, im Turm die Vorschule und die Sekundarstufe II untergebracht sind. In den Obergeschossen sind die Klassenräume jeweils clusterweise um Foren organisiert, die über die Höfe direktes Tageslicht erhalten und über vorgelagerte Balkone verfügen. Generell sind die Erschließungsflächen auf ein Minimum reduziert. Das Erdgeschoss des Riegels (5m Geschosshöhe) dient vor allem den gemeinschaftlichen Nutzungen, ist klar und flexibel disponiert. Das Foyer ist von der Straße zum Hof durchgesteckt und kann für Veranstaltungen und Aufführungen genutzt werden, zumal sich direkt die Musik-und Theaterräume anschließen. Im Süden liegt die Mensa; im Norden liegen Lounge, Bibliothek, Gymnastikhalle zur einen, Bewegungsraum, Lehrküche und temporäre Gruppenräume zur anderen Seite einer Erschließungsachse, die über zwei Patios belichtet wird, von denen auch die angrenzenden Räume profitieren. Im nördlichen Bereich des EGs wird der Geländeversprung genutzt, um die Räume mit normaler Höhe wie Verwaltung und Technikräume anzuordnen.

Funktionalität und Nutzungsqualität
Über eine breite Türenanlage und großflächige Verglasungen öffnet sich die Schule im EG zum Straßenraum und bietet ein einladendes Bild. Die innere Vertikalerschließung über zwei großzügige Treppenhäuser samt Aufzügen führt in die Obergeschosse, und zwar jeweils in die Mitte zwischen zweien der (pro Geschoss vier) Cluster. Die Clusterforen stellen sich als gut belichtete und natürlich belüftete Kommunikations- und Lernumgebungen dar, die durch ihre Lage und Raumqualität integrierende Funktion im Cluster übernehmen.
Alle Bereiche werden barrierefrei erschlossen, so auch der als Reaktion auf das ansteigende Terrain gestaltete Versprung der Erdgeschossebene, der sich mittels Rampe und Aufzug überwinden lässt.
In den Außenbereichen ist der Baumbestand weitestgehend berücksichtigt und trägt, zumal mit den großen Pappeln in Richtung Wasser zur Atmosphäre auf dem Gelände bei.

Wirtschaftlichkeit in Baukosten, Unterhalt, Betrieb und Pflege
Die klare Disposition, die relativ kompakte Ausformulierung der Baukörper und die robuste Grundstruktur bietet gute Voraussetzungen für einen relativ einfachen, unkomplizierten Bau. Der Einsatz von Fertigteilen reduziert die Bauzeit. Der weitgehende Verzicht auf mechanische Belüftung oder Klimatisierung trägt zu einem energiesparenden Unterhalt bei.

Energie- und Nachhaltigkeitskonzept
Kompakter Baukörper mit günstigem Verhältnis von Hüllfläche zu Volumen; langlebige und flexible Tragstruktur teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen: Betonstützen und Holz-Beton-Decken; hoher Dämmstandard, Dreifachverglasung, mechanische Belüftung nur bei Essensbereich, Küche und Bibliothek, Nachtauskühlung über Klappen, Co2 Ampeln Photovoltaikelemente auf dem Dach zur Redzierung des Strombezugs aus dem öffentlichen Versorgungsnetz.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau 
Das Konzept des Ensembles aus Sporthalle, einem Mäander als straßenraumbildende Großform und dem Punkthaus als ein in den Parkraum wirkender Akzent wird positiv gewertet. Mit der klaren Form des Mäanders gelingt einerseits eine volumetrische Integration in die angrenzende Stadttextur, andererseits auf der Hofseite eine potenziell öffentliche Durchlässigkeit in Nord-Südrichtung und damit ein räumlicher Bezug zum fortführenden Grünraum. Der Hauptzugang ist wie selbstverständlich im Stadtraumgefüge verortet, wie auch die Nebenerschließungen von der Schulhofseite gut funktionieren.

Umsetzung des Raum- und Funktionsprogramms und Nutzungsqualität
Das Erdgeschoss als Schnittstelle zwischen Schule und Quartier ist leider unbefriedigend gelöst. Hier fehlt eine großzügige Raumidee, wie die großen Nutzungsbereiche wie Mensa, Multifunktionsraum und Bibliothek als zentrale kollektive Bereiche sowohl Schnittstelle zum Stadtraum als auch zugleich Schnittstelle zu den restlichen Schulnutzungen in den Obergeschossen gelingen. Das gewünschte „Campusherz“ wird somit nicht abgebildet. Vielmehr ist das Erdgeschoss in wesentlichen Teilen durch Mittelflure geprägt. Es fehlen wesentliche zentrale kollektive Nutzungsnachweise bzw. eine entsprechend angemessene räumliche Konzeption derer. Auch fehlt eine öffentliche Erdgeschossnutzung im südlichen Bereich der Schule.

Zudem erscheint die Vorschule im Erdgeschoss des Punkthauses fragwürdig, da hier sowohl städtebaulich als auch funktional eine öffentlichere Nutzung erforderlich wäre und wechselseitig die Vorschule einen weniger öffentlichen Ort bräuchte. Dagegen wird die Anordnung der Räume des allgemeinen Unterrichts entlang der Hoffassade und auch der dazugehörige Ausdruck als belebende Idee begrüßt.

In den Regelgeschossen ist die Typologie des Punkthauses und des Mäanders im Sinne einer Clusterschule gut gelöst. Vor allem im Mäander liegt ein großes Maß an räumlicher Qualität in den Klassenräumen, aber auch in den zentralen anzueignenden Flächen, vor allem, da diese auch immer sehr gut belichtet (teilweise über zwei Seiten) und über Terrassen und Loggias eine starke Außenraumorientierung erhalten. In den Übergängen sind die kurzen Flurbereiche nicht überzeugend.

Die Nutzungsverteilung der Sek II im Punkthaus und Sek I mit Grundschule im Mäander ist nicht naheliegend, aber vorstellbar. Insgesamt ist durch die klare Grundrissstruktur eine hohe Flexibilität in der organisatorischen Ausgestaltung gegeben.

Hochbauliches Konzept und Wirtschaftlichkeit
Innerhalb der Vorgaben erlangt das Ensemble in seiner Klarheit eine hohe materialhafte Qualität, mit den großmaßstäblichen liegenden Regelöffnungen eine angemessene Großzügigkeit und formuliert so glaubhaft ein öffentliches Gebäude als wesentlichen Stadtbaustein des neu entstehenden Quartiers. Die Wirtschaftlichkeit des Entwurfs liegt im Durchschnitt.

Qualität des Energie- und Nachhaltigkeitskonzepts
In seinen robusten, anpassungsfähigen tragenden Strukturen bietet das Konzept ein hohes Maß an architektonischer Nachhaltigkeit, das A/V-Verhältnis ist noch vertretbar, das Verhältnis von verglasten zu opaken Fassadenflächen gut. Die Unterrichtsräume werden trotz geringen Fensterflächenanteils gut belichtet. Die Materialverwendung wird gemäß den aktuellen Erkenntnissen mit einer Hybridkonstruktion und Ziegelfassade langlebig und wiederverwertbar konzipiert. Auch wenn etwas dürftig dargestellt, steht zu vermuten, dass eine Low-Tech-Konzeption der Haustechnik durch z. B. einfaches Querlüften leicht umsetzbar sein wird. Eine Nachtluftkühlung ist über ausgewiesene Fassadenpaneele geplant, kann jedoch aufgrund der reduzierten Speichermasse durch vollflächig abgehängte Akustikdämmung nicht effizient wirken. Weitere konzeptionelle Ansätze zu zeitgenössischen Energiekonzepten fehlen weitestgehend, werden jedoch integrierbar sein.

Insgesamt bietet die Arbeit einen sehr guten städtebaulichen Beitrag, wie auch die architektonische Formulierung der drei Baukörper in ihrer Einfachheit und Erkennbarkeit ausdrücklich hervorgehoben wird. Jedoch wird kontrovers diskutiert, inwiefern in allen Bauteilen die Wiederholung als prägendes Strukturmotiv vielfältige Raumangebote für eine zeitgenössische Schule ausreichend bietet.
Perspektive_Schulhof nach Süden

Perspektive_Schulhof nach Süden