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Offener Wettbewerb | 02/2023

Erweiterungsbau Gymnasium Neufeld in Bern (CH)

4. Rang / 4. Preis

Preisgeld: 40.000 CHF

Büro Krucker Architekten AG

Architektur

WaltGalmarini AG

Tragwerksplanung

Johannes von Pechmann Stadtlandschaft GmbH

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

«L’architecture est le jeu savant correct et magnifique des volumes assemblés sous la lumière», zelebriert Le Corbusier 1923.
Mit dem Wettbewerbsnamen aus dem verkürzten Zitat der Moderne eröffnen die Verfassenden von «Le Jeu Savant» ihre ortsbauliche Interpretation der Anlage des Gymnasiums Neufeld. Der Entwurf führt die ursprüngliche Planung, mit dem mächtigen Hauptbau des Unterrichtsgebäudes und den beiden in gegenseitiger strenger orthogonaler Grundstruktur angeordneten tiefen Flachbauten, die Geschichte des Areals fort. Alle Baukörper liegen im ausgedehnten weiten Feld der Ebene und werden zusätzlich mit einem Podium akzentuiert, welches die Bauten in eine räumliche und funktionale Beziehung zueinander setzt.
Mit dieser städtebaulichen Prämisse setzen die Verfassenden den Neubau folgerichtig als ein zusätzlicher dritter Flachbau an die Bremgartenstrasse. Der Hauptbau behält so seine geplante und dominante Stellung. Der Projektvorschlag setzt sich typologisch und räumlich sowie materiell klar vom bestehenden Ensemble ab und stellt für sich allein genommen einen interessanten Lösungsansatz dar. Den Dialog und Bezug zum Bestand lässt er mit seiner architektonischen Erscheinung (Materialisierung, Betonung der Vertikalen in den Fassaden) sowie Negierung des Sockelthemas jedoch vermissen. Zwar ist das Neubauvolumen bewusst tief gehalten (daher auch die Abgrabungen), rückt allerdings durch seinen grossen Fussabdruck beträchtlich nahe an den Hauptbau heran. Der ursprüngliche visuelle Dialog mit dem Wald im Norden und der Stadt Bern im Süden, folgerichtig die Hauptausrichtung der Anlage, wird so wieder lesbar. Der Neubau ist kein Objekt im herkömmlichen Sinne, sondern eine «Gebäudelandschaft», welche sich mit dem nahen Sportumfeld und dem bestehenden Sportgebäude zu einem neuen Vis-à-vis an der Bremgartenstrasse etabliert und zu der bis heute fehlenden Adresse an diesem Ort führt.
Zwei über dem Stadtboden in Erscheinung tretende Zeilen werden von einer «inneren Strasse», einer Passage, durchquert, welche an der Bremgartenstrasse durch den Neubau als «Promenade architecturale» beginnt, vertikal und horizontal über Treppen und Rampen sämtliche Unterrichts- und Sporteinheiten verbindend, durch den Neubau führt und wiederum im Bestand bei der Mensa unter dem Podiumslevel endet. Dieses räumliche Feuerwerk adressiert die Anlage und führt bis hinauf zu den begehbaren Dächern eine innere Erschliessungsfigur ein, welche auf jedem Niveau auch die äusseren Wege, Gassen und Plätze einbezieht, Chapeau!
Entlang dieser «Hauptstrasse» biegen die «Wege» ab und führen auf den einzelnen Etagen zu den Unterrichtsräumen, zu den Räumen der Lehrpersonen, zur Schulleitung, zum Aufenthalt der Schüler und zu den Garderoben. Ebenso werden die grossen Räume der Doppelturnhalle und der Fahrzeugeinstellhalle integraler Teil dieses Flechtwerkes. Die Verknüpfung der inneren Bewegungseinheit mit den dazugehörigen, angrenzenden Freiräumen ist exemplarisch: auf jeder Hauptebene gibt es Zugänge und auf der Dachebene endet die Erschliessungsfigur mit einem «Möglichkeitsraum», welcher noch entsprechend zu kuratieren wäre. Ein Raum für einen Schülerclub, ein Café, ein Ort für eine gesellschaftliche Vernetzung mit dem Stadtraum.
Die fussläufige Erschliessung auf der Westseite schafft eine wichtige und schlüssige Nord-Süd-Verbindung auf der gewachsenen Stadtebene. Diese Verbindung ermöglicht so einen niveaufreien Zugang direkt ins Erdgeschoss wie auch über eine Aussentreppe direkt auf die nördliche Terrasse. Folgerichtig und selbstverständlich können an dieser Verbindung überdachte Fahrradabstellplätze angeordnet werden.
Vor der Turnhalle wird ein neuer Aufenthaltsort mit Wasserbecken und Wasserspiel im Schatten der bestehenden Bäume vorgeschlagen. Elegant wird durch Treppe und Sitzstufen die Höhendifferenz zur Rampe Zugang Nord überbrückt und dadurch ein direkter Bezug zum Turnhallengebäude hergestellt respektive diese besser an diesen Aussenraum adressiert.
Die Balance zwischen Pflanzen- und Hartflächen auf den beiden Dachflächen sowie die Formgebung in Nachahmung von Roberto Burle Marx schafft attraktive Aufenthaltsräume. Jedoch wird es hier durch den Verzicht auf Bäume und Gehölze, was hinsichtlich des Substrataufbau und räumlicher Dominanz nachzuvollziehen ist, in den Sommermonaten an Schatten mangeln. Nebst der Dachgestaltung bleibt die Ausarbeitung des Freiraumes sehr schematisch und noch wenig ausgearbeitet.
Ein viergeschossiger Hofraum ermöglicht die natürliche Belichtung der innen liegenden Unterrichtsräume dieser Gebäudelandschaft. Auf der Hofraumebene liegen die Unterrichtsräume für das bildnerische Gestalten und das Vis-à-vis ebendieser Räume dient für die Tageslichtversorgung der Doppelturnhalle. Darüber liegen auf die drei Geschosse verteilt die naturwissenschaftlichen Bereiche der Biologie, der Chemie und der Physik. Über den Turnhallen ordnen die Verfassenden die Musikerziehung und über diesen den überhohen Aufenthaltsraum der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten an. Westlich der Haupterschliessung liegen die Räume der Lehrpersonen und der Schulleitung. Die Disposition dieser Funktionseinheiten ist logisch, auffindbar und gut organisiert.
Das Tragwerkskonzept erscheint einfach und schlüssig. Die oberen Geschosse besitzen Decken in Holz-Beton-Verbundbauweise mit parallellaufenden Balkenlagen, die an kurz spannende hölzerne Längsträger angeschlossen sind. Ausgesteift werden sie durch Betonkerne und massive Stirnwände. Die Einfachheit der Konstruktion korrespondiert mit den linear aufgereihten Räumen. Die tief liegende Turnhalle in Massivbauweise wird von vorgespannten Trägern überspannt, die teilweise ein bis zwei darüber liegende Geschosse abfangen, was innerhalb der Gesamtverteilung der Baukörper verglichen mit dem höheren Nordtrakt adäquat erscheint. Aufstockungen sollten aber nur über dem Nordtrakt vorgesehen werden. Die sonst geometrisch diszipliniert mit direkter Lastabtragung arbeitende Struktur verlangt einzig über dem Parkgeschoss im 3. UG einzelne abfangende Unterzüge und über dem 4. UG einige betonierte Wandscheiben. Die Turnhalle wahrt einen Respektsabstand vor der Fundation des bestehenden Hauptbaus. Allerdings reicht die Bodenplatte der neuen Turnhalle unter den mutmasslichen Grundwasserspiegel, was entsprechende Massnahmen erfordert.
Das hervorragend durchdeklinierte Projekt gefällt einerseits durch seine eigenständige Haltung bezüglich seiner ortsbaulichen Setzung und der neuen Interpretation seiner Adressierung an der Bremgartenstrasse. Andererseits hebt sich die volumetrische Komposition mit Dachterrassenlandschaft vom Bestand insgesamt zu stark ab und schafft keine überzeugende Einbindung im schützenswerten Ensemble. Das sorgfältig austarierte Tragwerkskonzept unterstützt den Entwurf und integriert überzeugend die Thematik der Hitzeminderung und der Biodiversität. Das Projekt leistet seinen Beitrag zur Reduktion des Einsatzes von grauer Energie.