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Einstufiger Studienauftrag | 02/2022

Studienauftrag Neubau Primarschule Walkeweg in Basel (CH)

Siegerprojekt «Come out an play»

Siegerprojekt «Come out an play»

Gewinner / Zur Realisierung empfohlen

Lukas Manz Architekt

Architektur

Barbara Thüler Architektin

Architektur

Farquet Architectes Sàrl

Architektur

Studio Céline Baumann GmbH

Landschaftsarchitektur

Makiol Wiederkehr AG

Brandschutzplanung, Bauingenieurwesen

ZPF Ingenieure AG · ZPF Structure AG

Bauingenieurwesen

Nova Energie Basel AG

Energieplanung

Ingenieurbüro Stefan Graf

TGA-Fachplanung

Perita AG

Projektsteuerung

Kopitsis Bauphysik AG

Bauphysik

Beurteilung durch das Preisgericht

Aus der zunächst überraschenden städtebaulichen Setzung resultiert eine Fülle an räumlichen und atmosphärischen Qualitäten, die nachhaltig begeistert. Das Team von «come out and play» gruppiert das oberirdische Gebäudevolumen in drei einfache geometrische Baukörper: Das Klassenhaus im Norden wird um zwei kleinere Bauten mit den öffentlicheren Nutzungen am Quartierplatz ergänzt, so dass ein Dreier-Ensemble entsteht, das einen spannungsvollen Zwischenraum aufspannt – ein kleines «Quartier im Quartier». Die Schulkinder bewegen sich im Laufe des Tages von einem Gebäude zum anderen, profitieren vom Wechsel zwischen Innen und Aussen, vielseitigen Blickbezügen und die Schule gewinnt einen ihr eigenen Ort, eine innere Mitte. Dieser Aussenraum ist Ankunftsort, Pausenhof und Adresse zugleich, trägt massgeblich zur Identität des Ortes bei und verschmilzt dabei ganz unverkrampft mit dem öffentlichen Raum. Die offene Mitte schafft in beide Richtungen eine maximale Durchlässigkeit: Zu den Wohnzeilen im Osten bildet der «tiny forest» einen guten Übergang zu den privaten Vorgärten und im Süden bieten die Aula und die Tagesstruktur eine echte Chance vom Quartierleben tatsächlich rege in Anspruch genommen zu werden. Es ist ein maximal niederschwelliges Angebot. Es sind echte Schnittstellenräume, die sich zu wertvollen Kontaktzonen zwischen Schul- und Quartiernutzung entfalten können. Auch der Pausenplatz mit Sportangebot auf dem Dach des Ateliergebäudes ist öffentlich zugänglich. Dank der klugen städtebaulichen Disposition kann Architektur hier in einem Masse zu Synergien anregen, die man sich bisher vielleicht noch gar nicht vorstellen konnte. Sofern die Rückzugsmöglichkeiten für Lehrkörper und Kinder gewahrt bleiben, wird diese Rechnung tatsächlich aufgehen: Wer teilt, hat mehr.

Bei vollständiger Erfüllung des Raumprogramms weist das Projekt die im direkten Vergleich kleinste Geschossfläche auf und bietet eine sehr gute Erschliessungseffizienz. Leitgedanke ist hier die Suffizienz: Es wird nur das gebaut, was wirklich notwendig ist, und zwar ganz ohne dass man das der Schule ansieht. Trotz der grösseren Fassadenabwicklung erzielt das Projekt mit dieser Strategie eine erfreulich gute Wirtschaftlichkeit.

Das entscheidende Mehr an Fassade entpuppt sich in der vertieften Betrachtung als weiterer Vorteil: Sämtliche Klassen- und Werkräume sind entsprechend gut mit Tageslicht versorgt, bieten eine optimale Voraussetzung zum Querlüften und weisen eine angenehme Raumproportion aus, die sich im Alltag in der gewünschten Nutzungsflexibilität bemerkbar macht.

Die Erweiterung mit je einer Aufstockung auf dem Klassenhaus und auf dem Ateliergebäude schafft für beide Szenarien eine überzeugende Lösung. Auch im vollen Ausbau fügen sich die drei Volumen selbstverständlich in die Umgebung ein und ein respektvoller Abstand zum Friedhof bleibt ausreichend gewahrt. Dass die Erweiterung in zwei Schritten umgesetzt werden könnte, ist zudem auch logistisch von Vorteil.

In der Organisation des Klassenhauses wurde die strenge Spiegelsymmetrie der beiden Treppen kritisch diskutiert. Hier wäre eine formale Gewichtung zu prüfen, um der differenzierten Hierarchie von Haupttreppe (vorne) und Nebenerschliessung (hinten) gerecht zu werden. Etwas unglücklich ist ausserdem die Zuordnung der offenen Zonen im Bereich der Lehrpersonen. Der Abwägungsentscheid zwischen natürlich belichteter Turnhalle und/oder einem stärkeren Aussenraumbezug des Kindergartens ist im Dialog mit der Schule weiter auszuloten. Die Turnhallen sind schlüssig in der bestehenden Baugrube unter dem grössten der drei Bauvolumen platziert, so dass im Aussenraum glaubwürdig echte Bäume wachsen können und entsprechende Versickerungsflächen freigehalten werden.

Die Tragstruktur kombiniert die guten konstruktiven Eigenschaften eines reinen Holzbaus mit der Speicherfähigkeit des Lehms, ohne dabei in eine verträumte Öko-Ästhetik abzudriften. Photovoltaik-Elemente werden zu grossen Vordächern, die für Sonnen- und Witterungsschutz sorgen. Der Öffnungsanteil der Fassade bleibt sparsam, die erforderlichen geschlossenen Wandflächen werden dabei gestalterisch mit dem Thema Re-Use aufgeladen. Nachhaltigkeit wird hier nicht nachträglich auf den Entwurf appliziert. Der architektonische Ausdruck wird schöpferisch aus dieser neuen Themenwelt entwickelt und gekonnt zu einem stimmigen Ganzen gefügt.

Innovationskraft und Konzepte zur Nachhaltigkeit
Das Projekt verblüfft unter dem Aspekt der ökologischenergetischen Nachhaltigkeit. Liegen die Qualitäten bezüglich Nachhaltigkeit auf der Hand, scheint der erste Eindruck bezüglich Umgang mit Ressourcen eher gegenteilig zu sein: das Projekt ist wenig kompakt, der Fussabdruck gross, die Vielfalt der Materialien nicht wirtschaftlich, auch durch die ökologische Brille betrachtet. Erstaunlicherweise hat das Projekt aber im Vergleich die kleinste Energiebezugsfläche und auch die kleinste Geschossfläche. Damit wird die eher mässige Kompaktheit der drei Baukörper kompensiert und das Projekt überzeugt auch bezüglich Ressourcenbedarf und CO2-Emissionen.

Die Nutzungsqualität ist durch ein vielfältiges Angebot an Räumen bei gleichzeitigem bewussten Umgang mit Materialien hoch. Das Projekt bedient damit zusätzlich die Anforderung an ein Haus, an welchem Schulkinder Nachhaltigkeit erlernen können. Die Entflechtung der Nutzungen auf drei Baukörper ermöglicht auch ein hohes Wohlbefinden in den Innenräumen, ohne dass dafür unterstützend zu viel Technik eingesetzt werden muss.

Weniger vorteilhaft ist der vergleichsweise grosse Fussabdruck der Gebäude. Noch nicht ganz gelöst scheint beim Klassenhaus die Erschliessung über die in den Baukörper eingezogenen Wendeltreppen, das Loch im Dach dient sicher nicht der Tageslichtführung. Mikroklimatisch schafft die Kleinteiligkeit viele angenehme Nischen und ist besonders für die Tagessituation gut. Auch der Windfluss für eine gute Durchlüftung sollte gut funktionieren.

Soziale Nachhaltigkeit und Mehrwert fürs Quartier
Das Ensemble aus drei Einzelgebäuden orientiert sich mit Charme und Chuzpe direkt ins Herzen des Quartiers. Es schafft mit der frischen Idee des zweigeschossigen, zum Quartierplatz öffenbaren «Träff» einen maximal öffentlichen Charakter. Das flankierende Ateliergebäude verzahnt schulische Nutzungen und Tagesstruktur geschickt miteinander. Diese clevere Geste erlaubt es, die «eigentliche Schule» vom belebten Quartierplatz zurückzuversetzen, was der Konzentration auf das Lernen und der schulischen Community Platz schafft. Es gelingt damit, die öffentliche Geste und Vernetzung mit dem Quartier und das nach innen gewendete Eigenleben der Schule miteinander zu vereinbaren.

Die intuitive Zugänglichkeit der grosszügigen und multifunktional nutzbaren Hartfläche auf dem Dach des Ateliergebäudes bildet die beste Voraussetzung für eine intensive Nutzung, auch durch das Quartier. Noch nicht gelöst ist dagegen eine inklusive Erschliessung von Dach und Gebäuden für mobilitätseingeschränkte Personen; die Position der Lifte muss unbedingt überdacht werden.

Nutzersicht
Die Aufteilung der Schulnutzungen auf drei verschiedene Gebäude ist prinzipiell möglich, gleichzeitig ergeben sich daraus für den Schulbetrieb verschiedene Herausforderungen bezüglich der Übersichtlichkeit bei der Pausenaufsicht und den Verbindungen zu den Gebäuden im «Finkenbetrieb». Mit Kontakt zum Quartierplatz und dem Quartier steht das Aula-Gebäude mit Bibliothek und einem Tagesstruktur-Teilbereich. Daneben bietet das Ateliergebäude mit den Spezialräumen und dem Hauptbereich der Tagesstruktur eine weitere Anknüpfung von der Schule zum Quartier. Hinter der Aula befindet sich der eher intime Pausenplatz der Schule mit dem «tiny forest».

Beim Kindergarten ist sowohl der Zugang zu den Räumen, als auch die Ausrichtung gegen Norden noch nicht befriedigend gelöst. Die Klassenzimmer sind im Klassenhaus zu Clustern mit jeweils drei Klassen angeordnet. Bei den für die Schulkinder vorgesehenen Garderoben wird aus pädagogischer Sicht die Situation für diese jeweils 60–70 Schulkinder als zu eng beurteilt.
Zur Anlage des «tiny forest» als Pausenplatz und Treffpunkt vor Schulbeginn sind seitens Pädagogik Vorbehalte betreffend Umsetzbarkeit vorhanden (Robustheit der Oberflächen). Attraktiv für die Schule ist der Pausen- und Sportplatz auf dem Dach des Ateliergebäudes mit direkter Verbindung über den Laubengang zum Klassenhaus.

Qualität Freiräume
Das Freiraumkonzept setzt das Konzept der Nutzungsdiversität fort. Durch die drei Baukörper entstehen verschieden grosse Freiräume mit unterschiedlichen Begabungen. Die Dachlandschaft wird dabei ebenso eingebunden wie die Bodenfläche. Die Adresse zum Quartierplatz ist attraktiv und verzahnt die Schulanlage über den Freiraum mit dem Quartier. Das Konzept hat seine Qualitäten in der Nutzungsvielfalt und in der Einbindung in den Quartierraum. Bemängelt werden der hohe Bodenverbrauch der Gebäude und die geringe Qualität bei der Biodiversität. Die Kindergartensituation funktioniert in der Verbindung von innen und aussen aufgrund der angedachten Topografie nicht, der direkte Aussenraumbezug fehlt. Ebenfalls weist der Aussenraum des Kindergartens im Norden wenig Qualitäten auf. Der «tiny forest» wirkt bezüglich des zu erwartenden Nutzungsdrucks zu romantisch. Gewürdigt wird, dass dieses Konzept den Quartierplatz in die Pausennutzung einbezieht und so die Atmosphäre eines lebendigen Quartiers fördert. Insgesamt ist die städtebauliche Qualität des Projektes überzeugend. Es bedarf aber Nachbesserungen im Freiraum und den Einbezug dessen Nachhaltigkeitsthemen.

Résumé
Das Verfasserteam hat durch aufmerksames Zuhören in diesem intensiven Verfahren ihr integrales Denken unter Beweis gestellt. Sie haben eine eigenständige architektonische Sprache entwickelt, um den Herausforderungen der Zukunft ernsthaft und zugleich mit einer gewissen Spielfreude zu begegnen. Das Projekt hat rege Diskussionen ausgelöst, mit welcher inneren Haltung man den ambitionierten und gleichzeitig so dringend notwendigen Forderungen nach ganzheitlich gedachten Konzepten in der Klimakrise am besten begegnet.

«come out and play» hat dazu ein Beispiel gesetzt: Scheinbar mühelos ist es dem Verfasserteam gelungen, einen eleganten Städtebau mit einer materialgerechten und ressourcenschonenden Konstruktion, einem glaubwürdigen LowTech-Ansatz, einer differenzierten Aussenraumgestaltung und einem klugen, zukunftsorientierten Nutzungskonzept in einer ausdrucksstarken Architektur zu vereinen.

Grundriss EG

Grundriss EG

Längsschnitt

Längsschnitt

Raumprogramm und Erschliessung

Raumprogramm und Erschliessung