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Studienauftrag im selektiven Verfahren | 10/2021

Gesamtsanierung und Erneuerung Freibad Marzili in Bern (CH)

Teilnahme

Mentha Walther Architekten

Architektur

Carolin Riede Landschaftsarchitektin

Landschaftsarchitektur

Fanzun AG

Projektsteuerung

Beurteilung durch das Preisgericht

Prägende und dominierende Elemente des Vorschlages sind in Anlehnung an die Typologie der Kastenbäder die hölzerne Fassung der Wasserbecken, das abschirmende Eingangsgebäude sowie die Idee einer den ursprünglichen Löifu nachzeichnenden abgesenkten Wiesenfläche. Die Zonierung mit dem gegenüber heute nach Süden verschobenen Eingangsbereich kann die städtebaulichen Chancen direkt neben der Bäckerei Fürst und gegenüber der Gelateria und der sich bündelnden Strassen leider nicht nutzen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Eingangsgebäude keinerlei öffentliche Nutzungen beinhaltet und somit ohne Interaktion mit dem Aussenraum und dem Marziliquartier bleibt. Auch wenn die Dramaturgie der Eingangsverengung und der sich öffnenden Weite des Bads nachvollzogen werden kann, wirkt letztlich die Zugangssituation wenig einladend. Sehr ungünstig im täglichen Gebrauch sind die auf dem Dach vorgesehenen Veloabstellplätze, erschlossen über eine schmale, spiralförmige Rampe. Sorgfältig wird in einer tiefgehenden Recherche die Geschichte und Entwicklung der verschiedenen Bädertypen dargelegt und hergeleitet. Bezogen auf das Marzilibad wird ein starker formaler Bezug zur Typologie des Kastenbads gesucht. Der vorgeschlagene «hybride» Badekosmos, am Standort der heutigen Wasserbecken, funktioniert in freier Interpretation der architektonischen Elemente eines gefassten Bads nach Innen und öffnet sich aber gleichermassen auch nach Aussen und nimmt im Zentrum des Marzilibads eine mittige und dadurch dominante Stellung ein. Entstehen im zweigeschossigen «Kosmos» sehr stimmige Raumsequenzen auf zwei Ebenen, so führt die voluminöse Raumstruktur in den entstehenden Restflächen darum herum zu einer erheblichen qualitativen Einbusse des zusammenhängenden Freiraumes und damit der Liegewiese. Auch die Verschiebung des Paradieslis an seinen ursprünglichen Standort kann den Eindruck des eingeengten, nunmehr rückwärtigen Freiraumes ohne Bezug zum Aareraum nicht korrigieren. Durch die Anordnung des Restaurants direkt an der Aare wird die Bedeutung des Eingangsgebäudes und des Zugangs geschwächt respektive eine unerwünschte Ballung der Hauptnutzungen im Badekosmos und entlang der Aare gefördert. In der Folge sind im für das Quartier bedeutenden Eingangsgebäude an der Marzilistrasse ausschliesslich Nutzungen des Betriebes angeordnet. Konstruktiv und architektonisch ist der Badekosmos ausgesprochen fein durchgearbeitet und verspricht durch seine Vielschichtigkeit und Durchlässigkeit zusammen mit den entstehenden, gerahmten Landschaftsbildern atmosphärisch sehr schöne Sequenzen. Kritisch ist die Nähe des Nichtschwimmerbeckens zum Schwimmerbecken ohne eine auf den Plänen sichtbare Abgrenzung. Die Zonenkonformität des Badekosmos gemäss der geltenden Überbauungsordnung, insbesondere der Ganzjahresgarderobe und der Gastronomie, müsste vertieft geprüft werden und wird als Projektrisiko eingestuft. Neben der grundsätzlichen Problematik des besitz- und raumgreifenden Badekosmos stellt sich die Frage nach dessen Positionierung. Zur Dampfzentrale wie zum Bueber entstehen fragmentarische, in der Empfindung und in Anbetracht der grossen Personenströme beengte Räume, welche das Trennende dem Verbindenden vorziehen und dem Wesen des geschätzten offenen Marzilibads zuwiderlaufen. Die Kosten der vorgeschlagenen Massnahmen werden im Quervergleich der Projekte eher als niedrig eingeschätzt, die teure Terrainabsenkung entlang des ehemaligen Löifus ist im Vergleich allerdings nicht eingerechnet. Leicht abgesenkt und flankiert von «Ufermauern» zeichnet eine breite Spur den begradigten, nicht originalen Verlauf des ursprünglichen Löifus nach. Die Tieferlegung wird bezüglich der Qualität des entstehenden Raumes aber auch insbesondere seines Nutz- und Aufenthaltswertes kritisch beurteilt. Sinnbildlich entstehen Schwierigkeiten zur präzisen Verortung der geschwungenen Wegverbindung zwischen dem Bueber und dem Spitz und dadurch unerwünschte Zonierungen der Liegewiese. Durch die entschiedene Entfernung der Mauer zwischen Marzilibad und Spitz, gestärkt durch die Verschiebung des Paradieslis, wird eine grösstmögliche freiräumliche Durchlässigkeit erzielt. Die Möglichkeit, das Bad mit Schiebelementen betrieblich zu trennen, wird schematisch angedeutet, architektonisch und technisch aber nicht weiter ausformuliert. Die Ausbildung des Aarehafens, wenn auch etwas kurz geraten, entspricht weitgehend den Anforderungen. Die Lage des Restaurants im Badekosmos bedarf einer komplizierten Anlieferung mit aufwendigem Warenumschlag. Der dezentral in verschiedenen Gebäuden vorgeschlagenen Gastronomie fehlt die Wirtschaftlichkeit. Der Freiraum wird unter Berücksichtigung des Baumbestandes mit Schwergewicht entlang des abgesenkten «Kanals» mit neuen Bäumen ergänzt. Zur Erhöhung der Biodiversität werden zaghaft die Ränder des Kosmos und das Pergoladach des Eingangsgebäudes mit Kletterpflanzen berankt. Grosse Beachtung wird der möglichst geringen Versiegelung des Marzilibads geschenkt. Wenige Wege und Plätze führen zu einer positiven Liege- und Grünflächenbilanz. Bezüglich Nachhaltigkeit kann mit einem guten Verhältnis der Grauen Energie gerechnet werden, mit Ausnahme des hohen Materialverbrauchs für den grosszügigen Terrassenbau. Die Terrassenbeläge und die ungeschützten Holztragkonstruktionsanteile lassen einen hohen Unterhalt erwarten. Die Idee des hybriden Badekosmos bestimmt den freiräumlichen, architektonischen und atmosphärischen Inhalt des Vorschlages. Auf der Ebene der architektonischen Qualitäten werden die stimmigen Raumsequenzen anerkannt und geschätzt. Freiräumlich wird das offene Marzilibad aber dadurch in seiner Grosszügigkeit beschnitten, mit einer Typologie und Bildern, welche sich weder aus der Geschichte noch aus dem heutigen Selbstverständnis des Marzilibads ableiten lassen. Die Konzentration aller öffentlichen Nutzungen entlang der Aare vergibt die Chance, dem Eingangsgebäude und damit dem Marziliquartier eine attraktive Aufwertung anzubieten.