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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Neues Bürger- und Kulturhaus im historischen Rathaus in Weismain

Visualisierung 02

Visualisierung 02

3. Preis

Preisgeld: 4.500 EUR

schoper.schoper Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Der Charme einer mittelalterlichen Stadt besteht selten in der Qualität ihrer Einzelarchitekturen, vielmehr in der Homogenität ihrer architektonischen Erscheinung, die oft auch anonymen Ursprungs sein kann. Weismain ist eine solche Stadt, die vor allem durch die homogene Fassung ihrer Hauptstraße »Am Markt« besticht. Wenn nun mit der Erweiterung des Rathauses die Möglichkeit besteht, einen neuen Baustein in diesen homogenen Bestand einzufügen, so sollte dieser Neubau in diesen gegebenen Rahmenbedingungen zwar nicht »aus der Reihe fallen« – und dennoch erscheint eine gewisse subtile Abweichung von der Homogenität des Stadtbildes auch für den neuen Kern der Stadt, das neue Kultur-, Bürger- und Rathaus möglich oder gar wünschenswert, sofern dieses den »Zauber« des Bestehenden beibehält und weiterdenkt.

Die Frage der architektonischen Aussage bei der Erweiterung des bedeutenden Neydeckerhauses beantworten die Architekt*innen im vorliegenden Entwurf »Jakobsleiter« mit einem gestalterischen »Sowohl – Als auch«: Sowohl die Alleinstellung des Neydeckerhauses und die Beibehaltung der Feuergasse in ihrem stadtbildenden Rhythmus, als auch der Versuch, den Typus des »steinernen Hauses« durch Fortführung seiner ihm eigenen Struktur (a-b-a) in diesem Rhythmus zu einem neuen Ganzen (a-b-a-b-a) zu erweitern. So zeigt der Entwurf für das neue Rathaus zum Markt hin statt bisher einer nun zwei Durchfahrten, die formal als Rundbögen quasi gleichartig ausgebildet sind. Doch während die bestehende ältere durch ein Holztor verschlossen ist, zeigt die neue Durchfahrt – südlich anschließend an das alte „officium“ – einen offenen, ja öffentlichen Charakter, der die Besucher und Bürger zum Eintreten und zum Besuch des dahinterliegenden Bürgergartens einlädt. In eben dieser zweiten Durchfahrt findet sich nach wie vor die ortstypische Feuergasse wieder – nun allerdings nicht mehr als ein trennendes, sondern als verbindendes Element zwischen den Häusern, denn in dieser Feuergasse führt nun die frei eingestellte Treppenskulptur der »Jakobsleiter« die Besucher*innen in die verschiedenen Geschosse, während der stufenfreie Zugang aller Räume in allen Geschossen über einen Aufzug parallel dazu möglich ist.

Die innere Neuordnung der Funktionen zwischen Rathaus und Bürger-/ Kulturzentrum erfolgt zwischen dem »Steinernen Haus« und dem »Neubau« schlüssig und nachvollziehbar: Das Neydeckerhaus selbst wird auf seine dokumentierte Struktur hin zurückgebaut und von verzichtbaren Einbauten neueren Datums befreit; es beherbergt somit das Trauzimmer und die verschiedenen Bürgersäle (EG und 1.OG) mit großzügigen Foyers, den Ratssaal und das Büro des Bürgermeisters (jeweils 2. OG); damit stellt es sich nun als ein offenes Bürgerhaus dar. Der Neubau Am Markt 21 wie auch der Anbau im Garten nehmen dagegen die Funktionen des Rathauses in sich auf (Fachbereich I und II sowie den Sonderbereich IT) – und sind in den einzelnen Etagen so gegliedert, dass Synergien mit kurzen Wegen zwischen benachbarten Bereichen genutzt werden können.

Der Bestand des Steinernen Hauses wird im Zuge der anstehenden Untersuchungen zurückgeführt auf seine (vermeintlich) ursprüngliche Erscheinung in sichtbarem Sandstein: die gemalten Verzierungen mit Rückgriff auf barocke Vorbilder kommen in unserem Entwurf in zurückhaltender Weise zum Ausdruck, indem die Muster zwar beibehalten, ihre kontrast- reiche Farbgebung aber zugunsten einer Licht-Schatten-Facettierung im Sinne eines Trompe l’œil umgewandelt wird.

Die Konstruktion des Neubaus ist klassisch und orientiert sich ebenfalls am Steinernen Haus – ein kerngedämmter Massivbau mit einer massiven, selbsttragend aufgemauerten Hülle aus ortstypischem Sandstein, deren massive Teile ebenfalls durch ein zurückhaltendes (Schatten-)Muster aus zurückversetzten Steinen gegliedert sind; die Fenster sind als Holzfenster mit mittigen Steinsäulen (EG) bzw. säulenartigen Mittelstulpen (OGs) gedacht; die Fuge der ehemaligen Feuergasse zwischen den Gebäudeteilen erhält eine verglaste Hülle mit einer Corten-Stahl-Verblendung, die in ihrem Muster an die Fachwerkbauten der unmittelbaren Umgebung anspielt und damit sowohl Zäsur wie auch Verbindung darstellt: den Weg über die »Jakobsleiter« stellen wir uns als ein beeindruckendes Alltagserlebnis im Gewahrwerden der südlichen Wand des Steinernen Hauses vor, die im Licht- und Schattenspiel ihre materielle und geschichtliche Lebendigkeit preisgeben wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser hat die Fortführung des steinernen Hauses vorgenommen, jedoch mit dem Element der Fuge feingliedrig abgesetzt. Materialität und Baukörper erscheinen zum Marktplatz hin homogen und fügen sich grundsätzlich gut in das bestehende Ensemble. Der Stufengiebel bleibt erlebbar, die Firsthöhe jedoch ist tiefer gesetzt. Somit erfolgt eine Unterordnung gegenüber dem historischen Rathaus.

Zum rückwärtigen Bereich hin entsteht eine befestigte Freifläche zusammen mit dem Abseitengebäude, welches neuzeitlich in einer hölzernen Fassade aufgestockt wurde. Die Freiflächen im weiter hinten liegenden Bereich sind deutlich differenziert in einen Lehrgarten und einer gut gestalteten, begrünten Freifläche, welches eine multifunktionale Nutzung erwarten lässt. Der Abschluss zur Von-Rudhart-Straße erfolgt mit einem entsprechenden Stellplatzangebot, welches durch eine halbhohe Mauer abgegrenzt ist.

Das Steinerne Haus lässt eine denkmalfachgerechte Sanierung erwarten. Alle Räume sind in ihren „eigentlichen Ursprung“ gut ablesbar. Die funktionale Qualität ist bedarfsgerecht und in sich sehr stimmig. Das Abseitenhaus bietet ein flexibel nutzbares Raumangebot für die Verwaltung, zumal mit der geschickt eingeführten Treppe zum Halbpodest des Steinernen Hauses als auch der Führung des Flures im Bereich der Brandwand und der daraus resultierenden Idealbelichtung der Räume zum Innenhof.

Das „Neue Haus“ ist geschickt gesetzt. Die Erschließung der Räume erfolgt idealerweise in der Mitte. Die Haupträume sind zum Marktplatz und zum Innenhof gut belichtet. Zudem ist eine flexible Raumstruktur vorhanden, die sich den Veränderungen des Bedarfs gut anpassen kann.

Zentrales Element des Entwurfs ist die „Jakobsleiter“. Mit diesem Element werden sämtliche Geschoße flexibel erschlossen. Zudem wird durch die gebildete Fuge, das Steinerne Haus mit seiner Bestandsfassade erlebbar. Diese Fuge bildet auch einen wichtigen Bezug zwischen Marktplatz und Innenhof und ist als öffentlicher Durchgang vorgesehen.

Aus denkmalfachlicher Sicht ist der Übergang vom historischen Rathaus auf den neu zu errichtenden Anbau trotz der vorhandenen zeitgenössischen Zäsur nicht deutlich genug ausgeprägt. Die Konzeption des Neubaus wirkt aufgrund der sehr ähnlichen Fassadengestaltung auch durch den als mögliches Zitat verwendeten Rundbogen beinahe wie eine Kopie des Denkmals.

Nicht dem historischen Grundriss entsprechende Abschrägungen, welche vor allem in den Durchgangs-, bzw. Zugangsbereichen zu den Räumen zu finden sind, sind kritisch zu bewerten.

Die verwendeten Materialien entsprechen den denkmalpflegerischen Vorgaben und lassen ein gutes Gesamterscheinungsbild erwarten. Wenige neue Materialien wie der Corten-Stahl der Fuge mit den eingearbeiteten Ornamenten zeigen einen zeitgemäßen Einsatz.

Die vorgeschlagene Lösung ist kompakt und lässt eine wirtschaftliche Lösung erwarten. Bezüglich der Baumasse könnte der rückwärtige Dachbereich etwas tiefer gesetzt werden.
Lageplan

Lageplan

Visualisierung 01

Visualisierung 01

Ansicht

Ansicht

Konzept

Konzept