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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2021

Neubau Rathausergänzungsgebäude in Pfullingen

4. Preis

Preisgeld: 4.000 EUR

LIEB ARCHITEKTEN BDA

Architektur

Erläuterungstext

Entwurfserläuterung

Leitidee
Die historische Ortsmitte von Pfullingen, der sich im Bereich des Marktplatzes noch
sehr gut ablesen lässt, wurde am Kreuzungspunkt mehrere Straßen gebildet. Charakteristisch ist die Ausbildung des Marktplatzes als organisch entstandene Straßenaufweitung, im Gegensatz zu streng geometrischen Platzformen im barocken Städtebau. Seine Einfassung wird durch seine nahezu lückenlos aneinandergereihte Randbebauung hergestellt. Dabei steht das Ensemble südlich der Martinskirche, das auch das Rathaus II enthält, durch seine giebelständige Ausrichtung zur Kirche prominent hervor. Dem Standort des Rathausergänzungsgebäudes kommt am südwestlichen Rand dieses Ensembles eine besondere Bedeutung zu.
Der Neubau fügt sich ein in die vom Marktplatz aus entlang der Griesstraße entstehende
Raumsequenz. Gegenüber der Flucht des Bestandsrathauses vorspringend fasst er den Stadtraum Marktplatz ein und markiert dessen Abschluss an der Klemmenstraße. Aus der entgegengesetzten Richtung wird die Blickachse eingefasst, die von Südwesten über die Echaz kommend auf das prominent platzierte Rathaus 1 gerichtet ist.
Der im Grundsatz kompakten und dadurch im Inneren übersichtlich zu organisierende
Baukörper wird aus der Addition zweier länglicher mit Satteldächern gedeckter Volumina
gebildet die sich auf die Maßstäblichkeit der im historischen Stadtkern vorhandenen
giebelständig aneinander gereihten Häuser beziehen. So wird auch für die Sequenz der
giebelständigen Gebäude entlang der Klemmenstraße ein angemessener Abschluss
gefunden.

Funktionalitäten
Durch das gegeneinander Versetzen der zwei Volumina entsteht an der Schnittstelle
zwischen Rathaus II und Neubau eine räumlich gefasste Platzfläche, die einen gemeinsamen Vorbereich der dort angelagerten Nutzungen darstellt: Foyer des Neubaus,
Trauzimmer und das in einem späteren Bauabschnitt vorgesehene Bürgerbüro im Bestand. Das Trauzimmer verfügt neben der Erschließung über das Foyer über einen direkten Außenzugang. Der Vorplatz kann hier völlig autark von der Rathausnutzung für
Empfänge mitgenutzt werden.
Der Sitzungssaal wird durch die Erweiterung der Flächen an seinem derzeitigen Standort
im Rathaus II belassen. Als zentral gelegenes Herzstück des gesamten Ensembles stellt er gleichsam die „gute Stube“ am Marktplatz dar. Die historische Freitreppe am Rathaus II bleibt damit die repräsentative Verknüpfung des Sitzungssaals zum Marktplatz. Der Verbindungssteg vom Neubau zum Bestand ordnet sich dem unter und stellt eine funktionale Ergänzung dar, also barrierefreie Erschließung und 2. Rettungsweg.
Beim Betreten des Neubaus gelangt man in ein übersichtliches Foyer, das sich über kompakte Lufträume auch über die Obergeschosse erstreckt. Um diese gemeinsame
kommunikative Mitte sind alle Verwaltungsräume gruppiert.
Der primäre Erschließungskern mit Treppenhaus und Aufzug grenzt an den Haupteingang
und ist somit für die barrierefreie Erschließung des Sitzungssaals gut auffindbar. Das Eingangsniveau des Neubaus bezieht sich auf das EG des Rathauses II. Durch die
Topographie entsteht an der Klemmenstraße ein Sockel, der für das für die Verwaltungsnutzung erforderliche Maß an Diskretion schafft. Die Stellplätze der Mitarbeiter sind, über eine kurze Rampe von der Klemmstraße erschlossen, in diesem Sockelbereich untergebracht. Stellplätze für Besucher befinden sich auf der Hoffläche und werden südlich des Gebäudes Klemmenstraße 3 angefahren. Der zwischen Trauzimmer
und zukünftigem Bürgerbüro gelegene Durchgang schafft eine angemessene Verbindung
zum gemeinsamen Vorplatz.

Materialität – Nachhaltigkeit
Die städtebauliche Grundtypologie ermöglicht einen kompakten und tiefen Baukörper.
Somit lassen sich energetisch effiziente Bauweisen realisieren.
Natürliche und angemessene Materialien bestimmen den äußeren und inneren
Ausdruck. Oberhalb der Tiefgarage werden tragende Strukturen in Holzbauweise
ausgeführt. Die geschlossenen Außenwände werden dabei als Sandwich bestehend
aus Kreuzlagenholzwänden und Dämmung hinter einer in Sichtbeton hergestellten äußeren Schale errichtet.
Die der Witterung exponierten geschlossenen Außenwandflächen werden aus
hellem Sichtbeton ausgeführt. In diese sind Holzelemente eingelassen, alternierend
als festverglaste Fenster und Holz-Lüftungsflügel. Gegliedert durch eine außenliegende Gitterstruktur, bestehend aus tragenden Holzstützen und Querriegeln hinter denen der außenliegende Sonnenschutz untergebracht ist. Im inneren dominiert das Material durch das Sichtbar belassen der BSH-Decken und der tragenden Außenwände.
Durch die Verwendung tragender Flurwände entstehen große Stützenfreie Büroflächen,
die mit leichten Trennwänden individuell und flexibel in einzelne Büroeinheiten
gegliedert werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der neue Rathausergänzungsbau fügt sich mit seinen zwei gegeneinander versetzten Giebelhäusern sehr selbstverständlich in die vorhandene, kleinteilige Stadtstruktur Pfullingens ein. Durch das Vorrücken des kürzeren Gebäudes in den Straßenraum der Griesstraße wird der Sichtkontakt zum Marktplatz hergestellt. Das wird vom Preisgericht positiv beurteilt. Gleichzeitig entsteht dadurch ein gut proportionierter Eingangshof mit einer Verbindung zum oberirdischen Parkplatz von der Südseite. Das prominent und gut liegende Trauzimmer an diesem Hof könnte seine Sondernutzung noch etwas deutlicher zeigen. Der danebenliegende Haupteingang in den Ergänzungsbau ist leider kaum als solcher erkennbar und zeigt nicht die gewünschte einladende Geste. Auch im Inneren ist räumliche Qualität gestört: Die gesamte innere Struktur lässt die von außen vermittelte Klarheit der beiden nebeneinander gestellten Satteldachhäuser leider vermissen. Die beiden Orte der vertikalen Erschließung liegen etwas ungünstig, hier würde man sich eine einfachere Orientierung und helle sowie breitere Flure wünschen. Die Raumspangen sind zu tief und bieten nicht die gewünschte Flexibilität. Begrüßt wird, dass der Ratssaal weiterhin an seinem Ort verbleibt, seine barrierefreie Anbindung zum Neubau aus über lediglich einen Flur und ohne ein vorgeschaltetes angemessen dimensioniertes Foyer funktioniert nur unzureichend. Über dem Tiefgaragengeschoss basiert der kompakte Baukörper auf einer Holzkonstruktion. Nur schwer verständlich wirken dann die geschlossenen Wandteile aus vorgehängten Betonfertigteilen. Große zusammenhängende und über drei Geschosse gehende Glas-Holzelemente wirken maßstabslos und hinterlassen gleichzeitig die Vertikale übermäßig betonende Betonfläche an den Ecken. Die Gebäudekenndaten liegen im günstigen Bereich und lassen im Hinblick auf die klare Tragstruktur eine wirtschaftlichen Erstellung erwarten. Der Entwurf überzeugt in erster Linie durch seine bescheidene Einfügung in den städtebaulichen Kontext. Leider kann der Entwurf aber im Inneren die erwartete Hoffnung nur bedingt erfüllen.
Modell

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