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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Arealentwicklung Bostudenzelg in Thun (CH)

1. Rang

Preisgeld: 35.000 CHF

Rykart Architekten AG

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Ernst Gerber Architekten + Planer AG

Architektur

Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Quartier Bostuden wie auch die anschliessenden Quartiere sind sehr heterogen überbaut. Eine stadträumliche, identitätsstiftende Gesamtidee ist nicht entstanden, da die einzelnen Überbauungen auf einem Erschliessungsplan mit Einzelparzellen basieren. Die grosse, zusammenhängende Parzellenform des Wettbewerbsgebietes bietet aus dem Siedlungskörper wunderbare Weitblicke auf die umgebenden Alpenbergwelt und die Hügelgebiete der Voralpenkette.

Basierend auf diese Ausgangslage ist das Bebauungskonzept des Projekts «Freiraum» ausgelegt. Die dem Perimeterrand entlang aufgereihten linearen und punktförmigen Bauten interagieren und verweben sich mit den bestehenden angrenzenden Siedlungsstrukturen und schaffen in der Mitte einen grosszügigen Freiraum, welcher orientierungs- und identitätsstiftend dem ganzen Quartier und seiner Umgebung dienen wird. Der Allmend-Freiraum in der Mitte wird durch zwei Punkthäuser mit öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss in verschiedene Bereiche von unterschiedlicher Grösse unterteilt. Die Siedlung öffnet sich an präzis definierten Stellen zum Quartier hin und bietet damit einen konkreten Mehrwert für die Wohnbevölkerung und Arbeitnehmenden aus dem Umfeld.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projektteam sieht im heterogenen Kontext ein Siedlungspatchwork mit wenig identitätsstiftenden, urbanen Strukturen und räumlicher Ordnung. Umso mehr sind die Projektverfasser vom Areal Bostudenzelg mit dem heute grünen, offenen Freiraum und dem befreienden Weitblick auf die umgebende Alpenwelt beeindruckt. Diese beiden Merkmale bilden die Grundlage für ihren Überbauungsvorschlag «Freiraum».

Der Entwurf überrascht durch seine Einfachheit und Radikalität: alle Gebäude gruppieren sich um einen zentralen, grossen Freiraum, der in seiner Dimension ein völlig unerwartetes Ereignis darstellt. In diesem zentralen, allmendartigen Parkraum stehen zwei weitere Gebäude, die den Raum gliedern, den Siedlungszugang mit Siedlungsplatz definieren und im Erdgeschoss mit öffentlichen Nutzungen für alle Generationen beleben.

Die Randbebauung wird mit frei angeordneten linearen und punktförmigen Bauten gebildet. Sie lassen sich flexibel zu Baufeldern zusammenfassen und reagieren so auf den Anspruch zur Gliederung in spätere, noch nicht bekannte Einheiten für verschiedene zukünftige Entwickler und Eigentümerschaften.

Das Bebauungskonzept enthält kompakte 5–6-geschossige Zeilenbauten, die mit dem klassischen, zweispännig erschlossenen Wohnprinzip des Durchwohnens organisiert sind. Die zweiseitig belichteten Wohnungen in den 8–9-geschossigen Punktbauten werden mittig 4–5-spännig erschlossen. Sie beherbergen im Erdgeschoss neben halböffentlichen Nutzungen auch ein spezielles Angebot an Atelier- und Gemeinschaftswohnungen. Die zwei 9- und 10-geschossigen Solitärbauten beherbergen 6-spännig erschlossene, einfache Genossenschafts- und Mietwohnungen. Leider wird hier die Chance nicht genutzt, an dieser speziellen Lage ein etwas innovativeres Wohnangebot zu schaffen. Durch die konsequente Süd-West/Nord-West-Hauptausrichtung erhalten alle Einheiten eine gute Wohnqualität und freie Weitsicht.

Die Erschliessung sämtlicher Gebäude erfolgt ringförmig um den zentralen Park und ist als breite, multifunktionale Zone ausgebildet. Sie wird angereichert durch Spiel- und Aufenthaltsbereiche, Vorplätze, Vor- und Pflanzgärten oder Werkplätze. Ebenfalls an diesem Ring, aber in der Nähe des Haupt-Arealzugangs, befindet sich der Quartierplatz. Auch hier sind in den Erdgeschossen gemeinschaftliche und öffentliche Nutzungen untergebracht.

Die äusserste Schicht ist als Obstgarten angedacht, der zu den angrenzenden Siedlungen vermittelt. Je nach Wohnungstypologie und EG-Nutzung sind hier einzelne Bereiche auch als Privat- oder Gemeinschaftsgärten angelegt. Ein feinmaschiges Netz aus Fusswegen durchwirkt diesen Grüngürtel und verknüpft den inneren Parkraum allseitig mit den umgebenden Siedlungen und Arealen. Durch diese Öffnung nach aussen wird der Siedlungsfreiraum zum öffentlichen Raum für alle.

An drei präzise gesetzten, mit öffentlichen Nutzungen versehenen Stellen finden die Arealzugänge und Übergänge zum umliegenden Quartier statt. Eine zusätzliche Verflechtung mit der Nachbarschaft wäre wünschenswert. Die zentrale Erschliessung für alle Verkehrsteilnehmenden erfolgt über die Bubenbergstrasse. Fussgänger und Velofahrende werden über einen attraktiven Siedlungsplatz und ein übersichtliches Wegnetz mit klarer Adressbildung geführt. Die halböffentlichen Gebäudevorzonen dienen verschiedenen Funktionen wie Spiel- und Aufenthaltsbereichen und Veloabstellplätzen. Der motorisierte Individualverkehr inkl. Besucherparkplätze wird über eine einzige zentrale Rampe in die ringförmig angeordnete Tiefgarage geführt. Die unterirdisch angeordneten Veloabstellräume werden über zwei separate Rampen ab internem Wegnetz erreicht. Das sparsam konzipierte Untergeschoss lässt viel nicht versiegelte Freifläche für die Versickerung offen.

Die Ausnützung von ca. 1.53 liegt im Mittelfeld aller Vorschläge und erfüllt damit den geforderten Wert.

Der Titel der Arbeit ist Programm. Den Verfassern ist es mit der klaren städtebaulichen Haltung und einem einfachen, massvollen und flexiblen Bebauungs- und Wohnkonzept für unterschiedliche Bauherrschaften und Zielgruppen gelungen, ein Stadtstück zu entwickeln, dem ein grosses integratives Potenzial für das gesamte Quartier innewohnt. Die Dimension des zentralen Freiraums ist einzigartig im näheren und weiteren Umfeld und vermag einen grossen Beitrag an das zukünftige «Miteinander» im Quartier zu leisten: die Allmend macht ihrem Namen alle Ehre. Sie hat das Potenzial, mit der Siedlungsentwicklung zu wachsen, sich zu verändern und über partizipative Prozesse eine hohe Identifikation und Akzeptanz in der Bevölkerung herbeizuführen. Das Nutzungsspektrum ist nach oben hin offen und bietet für alle sozialen Schichten und Altersklassen ein passendes Angebot. Dank der städtebaulichen Figur findet auch keine Segregation statt: alle Nutzungen finden in ihrer Mitte statt, niemand wird ausgegrenzt, alle können teilhaben.