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Mehrfachbeauftragung | 05/2020

Städtebauliche Entwicklung des Planbereichs Karlsruher Str. / Pforzheimer Str. in Ettlingen

1. Rang

Thomas Fabrinsky

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliche Fügung
Die städtebauliche Gliederung, die das Büro ASTOC mit der Zustimmung des Gemeinderates entwickelt hat. wird von uns übernommen.
Das adressbildende 4-geschossige Auftaktgebäude steht aufrecht in der Blickachse der Schillerstraße, das abknickende 3-geschossige Gebäude schafft den raumbildenden Übergang vom Kreisverkehr zur Karlsruher Straße. Die vorhandene Häuserzeile entlang der Pforzheimer Straße wird Richtung Kreisverkehr vervollständigt und zum Abschluss gebracht, indem wir das Gebäude ins Blockinnere abwinkeln. Eine abgeschnittene Giebelwand wird vermieden. Gleichzeitig wird eine Baukörperstaffelung mit der geplanten Neubebauung eingeleitet, die die Bewegung des Kreisels aufnimmt.

Das Gebäude
Das Gebäude wird konsequent in zwei Körper, die durch eine Fuge getrennt werden, gegliedert. In der Fuge befindet sich selbsterklärend der Zugang zum Gebäude. Es steht ein schmales, 4-geschossiges Volumen einem liegenden, 3-geschossigem Volumen beiseite. Die gemeinsame Materialität und die Gliederung der Fassade, zieht das Ensemble zu einer Einheit zusammen. Der liegende Baukörper wird durch einen Rücksprung in der EG-Straßenfassade in der Länge betont, er wird leichter, gleichzeitig erfährt die Erdgeschosszone durch die Überdachung der Schaufenster an zusätzlicher Bedeutung. Rückwärtig terrassiert sich der liegende Baukörper in jedem Geschoss zurück, sodass die Grundstückstiefe optimal ausgenutzt werden kann und sich gleichzeitig ruhige, sonnige Terrassenflächen ergeben.
Der stehende Baukörper steht im Gegensatz dazu „mit beiden Beinen" fest auf dem Boden und kommuniziert mit dem gegenüberliegenden Lauerturm auf Augenhöhe.

Die Fassadengliederung
Die Fassade ist als Lochfassade mit einer gleichmäßigen Rasterung der Fenster konzipiert, wobei die Öffnungen geschossweise jeweils um eine Fensterachse versetzt sind. Damit wirken die Flächen flächig, ohne vertikale oder horizontale Dominante, sodass auch die unterschiedlichen Gebäudehöhen schon fast spielerisch ineinander übergehen und als Einheit wirken. Da nur Aufenthaltsräume an den
Außenwänden angeordnet sind läuft das Fassadenbild ringsum, es gibt keine Rückseite. Die strenge Ordnung wird durch die Loggien subtil gestört, was zu einer angenehmen Belebung des Gesamtbildes beiträgt.

Die Nutzungen
Im Erdgeschoss finden sich bürgernahe Gewerbeflächen mit Schaufensterflächen, eventuell ein Cafe mit Außenbestuhlung. Ab dem 1. Obergeschoss sind die Nutzungen mit unserem Entwurf flexibel gestaltbar, siehe Piktogramme auf den Plänen. In den Plänen ist die Variante A mit Gewerbe im EG und 1.OG und Wohnen im 2.OG und 3.OG, dargestellt.

Die Erschließung
Die Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss können direkt vom Gehweg aus erreicht werden. Die Erschließung des Obergeschoss befindet sich in der Glasfuge zwischen dem 3- und dem 4-geschossigen Baukörper. Man betritt das Gebäude und kann gleichfalls gerade durch in den Hinterhof gelangen. Von diesem Entrée erreicht man die mit Tageslicht belichtete Geschosstreppe, sowie den Aufzug für die barrierefreie Erreichbarkeit aller Ebenen. Der Mittelflur im 2. OG der zu den Wohnungen führt mündet in eine Außentreppe die nach oben auf die Dachfläche führt. Dort befinden sich attraktive Dachgärten für die Bewohner. Diese Dachterrasse stellt außerdem den 2. Rettungsweg für die rückwärtigen Wohnungen dar.

Material- und Farbkonzept
Für das Gebäude wurde ein Materialkonzept gewählt, welches sich in die Umgebungsbebauung einfügt und dennoch modern und zeitlos ist.

Das Material Klinker
Dauerhaft, robust, wertig, das sind die Eigenschaften des Klinkers. Diesen sehen wir als das Material, auf allen von der Straße einsichtigen Seiten. Die Gebäuderückseite ist aus wirtschaftlichen Gründen geputzt denkbar, ebenso der Einsatz von Klinkerriemchen anstelle von hinterlüfteten Vollklinkern. Von den Materialeigenschaften ganz abgesehen, vermittelt der Stein jedem Gebäude Stattlichkeit, die an dieser wichtigen Stelle im Stadtbild von Ettlingen für uns gesetzt ist. Die Farbigkeit des Klinkers sehen wir in Anlehnung an die des gelben Sandsteins der Schillerschule. Im Detail liegt die Betonung in der horizontalen Schichtung der Steine, die die Länge betont. Dies wird durch ein Langformat, zurückliegende Lagerfugen und stumpf gestoßene Stoßfugen erreicht.

Das Material Stahl
Präzise, filigran, edel wünschen wir uns die Oberflächen der Metallteile in der Fassade. Dazu gehören ebenso die Aluschalen der Holz- Aluminium Fensterelemente, samt der rahmenbündigen Lüftungsklappen in den Gewerbeeinheiten, wie die Fenster- und Loggiabrüstungen in den Wohngeschossen, ohne technische Allüren mit einfachem, geschweißtem Stab als Füllung. Die Beschichtung ist in einem Eloxalton mit seidenmattem, metallischem Glanz vorgesehen.

Der Boden im städtischen Raum
Wir stellen uns eine homogene, fugenlose Asphaltfläche, die bis an das Gebäude heranführt vor. Um die „öffentlichen" Flächen maximal großzügig wirken zu lassen, wird im Grundmaterial nicht vom Gehwegbelag unterschieden. Zur besseren Orientierung dienen flächenbündige, 10 mm breite Metallkanten, die in den Belag eingelassen werden.

Tiefgarage, Stellplätze, Müll und Trafo
Die geforderten Stellplätze für KFZ und Fahrräder finden sich in der Tiefgarage. Der Müll wird ebenfalls in einem Müllraum in der Tiefgarage gesammelt, um die wenigen oberirdischen Freiflächen nicht zusätzlich zu belasten. Auch für den Trafo ist ein leicht zugänglicher Platz in der Tiefgarage ausgewiesen. Bei den KFZ-Stellplätzen ist eine Mischung von „normalen" Stellplätzen und Doppelparkern geplant. Die tiefer zu gründenden Doppelparker sind hierbei in Grundstücksmitte vorgesehen, um die
Baugrubensicherung ( Verbau ) zu vereinfachen. Die offene Tiefgaragenabfahrt liegt unaufgeregt, seitlich neben dem Gebäude im Bauwich. Der entstehende seitliche Abstand ermöglicht die natürliche Belichtung und Belüftung sämtlicher Räume über die komplette Gebäudeseite. Darüber hinaus bleibt die wertvolle EG-Gewerbefläche vom Flächenfraß der Rampe verschont. Die Fahrrad- Besucherstellplätze werden in Eingangsnähe oberirdisch in kleinen Gruppen angeordnet.

Außenanlagen
Die 300 m² Versickerungsfläche wird im hinteren Teil des Grundstücks nachgewiesen, wobei wir mit einer Erdüberdeckung über der Tiefgarage von ca. 60 cm rechnen. Befestigte Flächen in diesen Bereichen werden mit offenen Fugen versickerungsfähig hergestellt. Als Kompensation für dieversiegelten Flächen bieten wir einen leicht zugänglichen Dachgarten auf dem 3-geschossigen Gebäude an, der zum „Urban Gardening" einlädt und barrierefrei erreichbar ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Es überzeugt in der Blickachse der Schillerstraße einen markanten viergeschossigen, städtebaulichen Hochpunkt zu formulieren. Ebenso ist es richtig, die Häuserzeile entlang der Karlsruher Straße in der vorgefundenen Gebäudeform und Typologie zum Abschluß zu bringen.

Durch den Rücksprung des 3-geschossigen Neubauteils entspricht der vorgeschlagene Entwurf in Grundzügen auch hier den Vorgaben der Rahmenplanung.

Dies überzeugt das Preisgericht nach Abwägung aller gebotenen Alternativen durchgehend und einstimmig.

Die beiden entstehenden öffentlichen Plätze sind präzise definiert und können im Umfeld einer dominierenden Verkehrsführung kleine kraftvolle Orte werden.

Auch als Gegenüber zur markanten Schillerschule wird die Ausbildung der kantigen Plätze als stimmige Antwort gesehen.

Die Hauptzugänge des Gebäudes sind sehr gut an den öffentlichen Außenbereichen gelegen und bieten sinnvolle Zugänge zu Cafe/Gewerbeflächen und Wohnungen.

Der öffentliche Raum wird so gut belebt und durchwegt.

Das Gebäude kommt sehr wirtschaftlich mit einem Erschließungselement aus und zeigt im Inneren eine klare Organisation. Vor allem im Erdgeschoss hängen Gewerbeflächen großflächig zusammen und können flexibel genutzt werden.

Im 2. Obergeschoss überzeugen die Wohnungstypologien nicht durchgängig. Der lange Erschließungsflur und die einseitige Lage der Wohnungen zur Straße werden kritisiert.

Die Gestaltung der Fassaden überzeugt in ihrer Haltung als klarer Massivbau. Auch die Ausbildung breiter massiver Pfeiler im Erdgeschoss sind wohltuend und gründen den Massivbau. Das Versetzen der Öffnungen in den Fassadenabwicklungen wirkt leicht modisch und könnte überprüft werden. Der Fassadenversatz des zwischen EG und den oberen Geschossen des 3-geschossigen Gebäudeteils scheint sinnvoll aus dem Kontext der Karlsruher Straße hergeleitet. Insgesamt scheint die Massivität der Fassadengestaltung noch nicht der vorgeschlagenen Materialwahl eines WDVS- Systems mit Riemchen zu entsprechen. Hier wäre eine authentischere Materialwahl wünschenswert.

Leider ist es der Gesamtunterbauung des Grundstücks geschuldet, dass kaum Vollgrünflächen im Freibereich übrig bleiben. Es wäre schön, wenn hier mehr Fläche für eine entsprechende Baumpflanzung generiert werden könnte, um sich vor allem im rückwärtigen Bereich mit den Grünflächen zu verflechten.

Der Entwurf liegt durch eine leicht höhere Nutzfläche im wirtschaftlichen Bereich.

Die Arbeit überzeugt durch eine präzise städtebauliche Haltung, die es mit einer unaufgeregten Entwurfshaltung schafft, einen selbstverständlichen Baustein für einen bewegten Gelenkpunkt des Altstadteingangs von Ettlingen anzubieten.