modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Einladungswettbewerb | 12/2020

Entwicklung Lüdin Areal in Liestal (CH)

1. Rang

Steib Gmür Geschwentner Kyburz Partner AG

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Nipkow Landschaftsarchitektur BSLA SIA

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurfsgrundsatz «die Geschichte des Ortes wird weitergeschrieben» trifft die Intentionen aus dem Workshop-Verfahren sehr genau. Den Verfasserinnen und Verfassern ist bewusst, dass mit der Änderung der Nutzung neue Bedürfnisse bezüglich Funktionalität, Städtebau und Freiraumgestaltung zu befriedigen sind und damit die heute prägenden Elemente des Industrieareals verschwinden. Sie suchen nach neuen, vielfältigen architektonischen Ausdrucksformen, die aus den besonderen Eigenschaften des Ortes entspringen. Diese Ankündigung wird im Projekt «Altstadtblick» überzeugend umgesetzt.

Als Voraussetzung für diese architektonische Transformation wird zuerst die städtebauliche Haltung geschärft. Das Spannungsfeld zwischen der städtischen Situation entlang der Bahnhof- und Rheinstrasse im Nord-Osten und der pittoresken Lager am Orisbach in direkter Nachbarschaft zur Altstadt werden säuberlich getrennt. Die Ablösung der mittleren Gebäudezeile von der Randbebauung schafft die Voraussetzung, das Motiv der differenzierten vielfältigen Architektur aufzunehmen. Es entstehen drei Hauszeilen, die entsprechend ihrer städtebaulichen Bedeutung und ihrer Position im Stadtgefge einen eigenen Charakter erhalten. Entlang der Bahnhof- und Rheinstrasse fasst eine städtisch anmutende Randbebauung den Stadtraum. Der rhythmisierte Längsbau in der Mitte erinnert in seiner Architektursprache an die industrielle Vergangenheit. Das niedrige Atelierhaus am Orisbach begleitet die Gasse und die Schützenstrasse und setzt die Zeile der Vorstadthäuser fort. Diese bilden zusammen mit dem Lüdin Gebäude an der Rheinstrasse 3 das Ensemble, das dem Ort die spezifische Identität verleiht und die Entwicklung der Vorstadt lesbar macht. Dieses Ensemble ist die verbleibende Spur des vormals auch gewerblich genutzten Areals.

Durch die geschickte Setzung und Volumetrie der Bauten werden prägnante Aussenräume geformt. Trotz zurückhaltender Ausgestaltung entstehen gut differenzierte Räume mit fein abgestimmter Öffentlichkeit.

Das Zusammenspiel der hohen, unterschiedlich gestaffelten Neubauten mit dem Bestandsbau an der Bahnhofstrasse sowie deren leichten Drehungen lassen einen Hofraum entstehen, dessen Mitte durch ein Wasserspiel akzentuiert wird.
Eine angemessene Ausstattung komplettiert diesen Aufenthaltsraum. Da keine direkten Zugänge aus den umgebenden Bauten in den Hof vorgesehen sind, ist in der Überarbeitung noch aufzuzeigen, wie dieser die angedachte Funktion eines Wohnhofes übernehmen kann. Die Höhenlage der Erdgeschosswohnungen zum Wohnhof lässt die Möglichkeit eines direkten Zugangs zum Hofraum, beziehungsweise die Schaffung von privatem Aussenraum offen.

Geschickt wird auf eine direkte Verbindung zum Kantonsgericht aus dem in Nord-Südrichtung verlaufenden Hofraum verzichtet. Damit wird eine Dopplung und somit eine Schwächung der Erschliessungsachse der Gasse vermieden. Der grüne Hofabschluss gegen Süden verdeutlicht, dass es prioritär ein Aufenthalts- und kein Durchgangsraum ist und verleiht dem Hof eine wohltuende Ruhe.

Demgegenüber ist der schmale Gassenraum geprägt durch die stark unterschiedliche Geschossigkeit der beidseitigen Bauten. Die trichterfrmigen Aufweitungen der beiden Eingänge in den Gassenraum binden subtil an die angrenzenden Erschliessungsflächen an – im Norden an den Platz und zum Durchgang zur Schützenstrasse und im Süden zum Gerichtsgebäude und zur Treppe zum Brüggli hinunter. Durch seine zentrale Lage und geschicktem allseitigen Anschluss an die umgebenden Erschliessungen hat die Gasse eine wesentliche, integrative Bedeutung.

Die städtebauliche Ausformung der Neubauten zusammen mit dem Erhalt des Lüdin Ensembles lässt einen hofartigen Platz entstehen. Seine Lage an der Kreuzung verschiedener Erschliessungsachsen verspricht eine gute Öffentlichkeit und die hofartige, von der Strasse abgewandte Ausbildung eine angemessene Aufenthaltsqualität. In der Überarbeitung der noch nicht funktionierenden Tiefgaragenzufahrt ist die Qualität dieses Platzes unbedingt zu erhalten.

Der öffentliche Erdgeschossdurchgang im Norden eröffnet ab der Kantonalbank-Kreuzung eine direkte Anbindung an den zukünftig aufgewerteten Grünraum des Orisbachs sowie der Allee. Trotz seiner zurückhaltenden, versteckten Ausbildung verknüpft dieser Durchgang ideal die zahlreichen Arbeitsplätze entlang der Rheinstrasse mit der wichtigen, zentralen Grünanlage Liestals.

Die neue Verbindung anstelle der Schützenstrasse zwischen Atelierhaus und Orisbach weist gegenüber der parallel verlaufenden Gasse eine ganz andere Raumqualität auf. Sie ist geprägt durch den dicht bewachsenen Bachraum und bietet sich als vegetative geprägte Nord-Süd- verlaufende Alternative zur mineralischen Gasse an. Die Vorbereiche im Erdgeschoss und die Belagsmaterialisierung sollten in der Überarbeitung noch differenzierter ausgebildet werden. Im Gegensatz zu den anderen Aussenräumen ist der Bereich zwischen Lüdin Areal und der Erweiterung des Gerichtsgebäudes rudimentär bearbeitet.

Die Wohnungen sind durchwegs von hoher Qualität. Die Höhenstaffelung des mittleren Längsbaus führt zu einer überraschenden Weitsicht aus den Wohnungen an der Bahnhofstrasse (Altstadtblick). Besonders zu erwähnen ist das überlegte Erschliessungskonzept an der lärmbelasteten Bahnhofstrasse sowie die Studios im Atelierhaus am Orisbach. Mit diesen Studios wird der Programmpunkt «an allen erdenklichen Lagen im Erdgeschoss Voraussetzungen zu schaffen, dass sowohl Kleingewerbe, Ateliers oder wohnähnliche Nutzungen möglich sind» gut umgesetzt. Der Gassenraum schliesst direkt an die Ateliers an. Insgesamt überzeugt das Projekt von der städtebaulichen Haltung, der architektonischen Ausformulierung der Bauten bis zu den Wohnungsqualitäten. Die städtebaulichen Vorstellungen aus dem Richtkonzept wurden zu einem schlüssigen Projekt weiterentwickelt. Es hat alle Voraussetzungen, damit sich auf dem Lüdin Areal ein urbanes Vorstadtquartier entwickeln kann.

Auch die Umgebungsgestaltung überzeugt durch das gut durchdachte Erschliessungskonzept und eine gekonnte Ausarbeitung der Aussenräume. Der solide Vorschlag weist ein gutes Potenzial für die folgende Überarbeitung auf und zeugt von einem sehr guten Verständnis für den Ort.