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Einstufiger Studienauftrag im selektiven Verfahren | 04/2023

Entwicklung Bahnhofareal Horgen Oberdorf (CH)

2. Rang

Bislimi Engel Architekten GmbH

Architektur

WSP Suisse AG

TGA-Fachplanung

Claudia Wolfensberger

Landschaftsarchitektur

F. Preisig AG

Tragwerksplanung

Neukom Engineering AG

TGA-Fachplanung

studio durable - Planung und Beratung GmbH

Bauphysik, Akustikplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Gesamtkonzept / Städtebau
Der städtebauliche Entwurf orientiert sich am additiven Prinzip, welches die historischen Industrieareale charakterisiert. Vier nutzungsspezifische Baukörper – die Unterführung mit dem darüberliegenden öffentlichen Stadtgarten, das Wohn- und Geschäftshaus, der Kopfbau der Passerelle und das Bürogebäude – bilden entlang der starken Infrastrukturachsen in Längsrichtung ein vielfältiges, durchlässiges Ensemble.

Die präzise Anknüpfung an die bestehende Durchwegung und eine sensible Staffelung der öffentlichen und privaten Räume vernetzt die neue Überbauung mit dem Quartier, schafft klare Adressierungen und differenzierte Freiräume. Zentrale Sichtachsen vom bergseitigen Quartierteil in Richtung See bleiben frei, ebenso der talseitige Blick hinauf zur historisch wertvollen Schweiterfabrik. Der Entwurf lässt eine einfache Etappierung zu, die klare Nutzungstrennung ist aus markttechnischer Sicht von Vorteil, die vorgegebenen Nutzungsanteile sind eingehalten.

Der Stadtgarten über der Rampenanlage dockt an das Wohngebäude an und ist über den Gemeinschaftsraum für alle Bewohner direkt erreichbar. Die öffentliche Zugänglichkeit wurde präzisiert, dazu eine Treppe über der bestehenden Rampe angeordnet, ergänzt mit einem peripher angeordneten Lift. Dessen Lage auf dem Perron ist jedoch aus bahnbetrieblichen Gründen nicht erwünscht.

Die Ausgestaltung des Gartens mit verschiedenfarbigen Pflanztrögen aus Stahlblech-Transportbehältern wirkt sympathisch, in der Ausführung robust und langlebig und für die Bewohner als willkommener Aussenraum, besonders im Zusammenspiel mit den Sitzgelegenheiten vor dem Gemeinschaftsraum. Doch als Grünraum, welcher einen öffentlichen Mehrwert bringen soll, vermag er leider nicht zu überzeugen. Zu stark waren womöglich die Erwartungen an die wegweisende Projektidee, die Typologie eines auf Stützen hochgelagerten Stadtgartens kreativ und glaubwürdig umzusetzen.

Die Stadtterrasse hingegen vermag in ihrer skulpturalen Gestaltung und in ihrer Nutzung als Durchgangs- und Aufenthaltsort die Jury zu überzeugen. Angedockt an das Bürohaus, kann sie sowohl ein Ort des Aufenthalts für Passanten wie auch für die Büronutzer sein. Letztere könnten mit einem niederschwelligen, zeitlich begrenzten Take-Away-Angebot den Ort zusätzlich bereichern.

Architektur
Zwei mehrheitlich geschlossene Treppenhäuser markieren die Zugänge auf Erdgeschossniveau für die Bewohnerinnen und Bewohner und schaffen damit eine klare Adressierung. Dazwischen liegen die kompakt angeordneten Retailflächen, an den Kopfenden ergänzt mit weiteren Flächen direkt an den Publikumsströmen gelegen.

Die sechs Wohngeschosse werden durch eine fassadenbündige Stahlstruktur, welche die Laubengänge und Balkone trägt, als kubischer Gebäudekörper gefasst und in ein vertikales und horizontales Raster gegliedert.

Über die offen, gleisseitigen Laubengänge werden sämtliche Wohneinheiten wirtschaftlich erschlossen. Die zwischen Laubengang und Balkonschicht aufgespannten Wohneinheiten folgen einem gemeinsamen Layoutkonzept mit wechselnden Raumschichten mit öffentlicheren und privateren Wohnbereichen. Gleichzeitig erfährt der Laubengang eine Gliederung in private Vorzonen, dabei soll die Privatsphäre der an den Laubengang anschliessenden Zimmer mittels schmalem Deckendurchbruch zur Vertikalbegrünung sichergestellt sein. Diese Massnahme vermag jedoch aus Sicht der Vermietung nicht zu überzeugen, da die Mehrzahl der Wohnungen ein geschlossenes Zimmer zum Laubengang aufweist.

Der durchgesteckte Hauptraum der Wohnung schafft einen Bezug zu beiden Gebäudeseiten und ist gut möblierbar. Die Küche am Laubengang fördert die gewünschte Kommunikation zwischen den Nachbarn und das Wohnzimmer mit der eingezogenen Loggia, der grossen Fensterfront und dem Seeblick garantiert einen hohen Wohnwert. Die Sanitärräume sind zentral und geschickt angeordnet, sie können je nach Wohnungsgrösse den angrenzenden Wohnflächen zugordnet werden, was eine gewünschte Planungsflexibilität positiv beeinflusst.

Im Attikageschoss entstehen durch allseitige Volumenrücksprünge grosszügige Dachterrassen. Direkt an den Erschliessungskernen liegen die Waschräume. Die zugehörigen, zur gemeinschaftlich Nutzung gedachten Terrassen stehen allerdings eher in Konkurrenz zum Gemeinschaftraum am Stadtgarten.

Wie das Wohnhaus erhält auch das Bürogebäude einen Erschliessungs- und Infrastrukturrücken zum Gleisfeld. Über die interne Erschliessung und im 2. OG zusätzlich über die Passerellenebene, werden die fünf Bürogeschosse effizient erschlossen. Sind grössere zusammenhängende Mietflächen gewünscht, so kann dies eine interne Wendeltreppe ermöglichen. Noch nicht gelöst ist die Entfluchtung im überdeckten Bereich des Erdgeschosses.

Das städtebauliche Konzept des additiven Prinzips wird auch in der Gestaltung aufgenommen und die Identität der beiden Häuser nochmals geschärft. Während das Wohn-/Geschäftshaus als langgezogener Riegel förmlich über dem Bahnhofplatz schwebt, steht das Bürohaus fest am Boden verankert auf seinen robusten Stahl-Betonstützen. Die eingezogenen Loggias und das fein gliedernde Stahlgerüst verschaffen dem Volumen des Wohnhauses eine angenehme Körnigkeit. Das Laubengerüst kann durch die Bewohner individuell bespielt werden, wobei sich das Leben auf der Fassade im Laufe der Zeit immer wieder neu formen wird. Das Bürohaus wiederum tritt als kompaktes, ruhiges und schlichtes Volumen in Erscheinung. Seine Brüstungsbänder gliedern die Fassaden in der Höhe, während die vertikalen feinen Stahlelemente dem Haus einen differenzierten Massstab verleihen.

Bereits tief ins Detail gelöst sind die konstruktiven Themen, deren Lösungsansätze an den Grundsätzen einer zeitgemässen und nachhaltigen Architektur ansetzen

Fazit
Es liegt ein Projekt vor, das unter Einbezug der Kritiken eine sehr hohe städtebauliche wie auch architektonische Qualität aufweist und eine klare, glaubwürdige bis ins Detail ausgearbeitete Vorstellung der Autorenschaft vermittelt, wie an diesem Ort gebaut und gelebt wird. Gescheitert ist das Projekt schlussendlich am nicht eingelösten Versprechen, einen öffentlichen Mehrwert durch den Stadtgarten zu schaffen und an der mangelnden Intimsphäre einer Vielzahl von Wohnungen, welche aus Nutzersicht eine Qualitätseinbusse darstellt und als Risiko beurteilt wird.