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Studienauftrag | 02/2022

Uni-Quartier Dreispitz in Münchenstein (CH)

Teilnahme

Made in

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Atelier Girot

Landschaftsarchitektur

moveIng AG

Verkehrsplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Der radikale Entwurf des Teams um Made In sieht im Studienperimeter eine Grossform entlang der Frankfurt-Strasse vor, welche im Ideenperimeter durch drei Wohnungsriegel parallel zum Transitlager ergänzt wird. Das lange Gebäude weist in der Mitte eine dreieckige Öffnung auf und ist gegen Norden hin abgerundet. Das neue Quartier soll durch eine zusätzliche Tramlinie mit den Haltestellen «Dreispitz Universität» und «Dreispitz Zirkus» erschlossen werden. 


Der Vorschlag zeichnet sich durch einen starken architektonischen Impetus aus. Die verschiedenen Nutzungen sind übereinandergestapelt und das Dach ist als öffentlich zugänglicher Ort konzipiert. Die Grossform nimmt zwar Bezug auf bestehende Industriegebäude wie etwa das Transitlager, die Verfasser wollen sich aber dezidiert vom «historischen Ballast des Dreispitzareals» befreien. Sie beschreiben die bestehende Situation des Areals als «dicht, starr und verstopft» und zitieren Marcel Proust: «Die Erinnerung an die Vergangenheit ist nicht unbedingt die Erinnerung an die Dinge, wie sie waren» (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 1913). Die Studie sieht eine Tabula rasa vor, einzig die Unterführung Ruchfeldstrasse soll bestehen bleiben. 


Der nördliche Teil mit den Fakultäten der Universität und des SCCB ist durch eine äussere Rampe, vier innenliegende Treppen- und Liftkerne sowie Rolltreppen erschlossen. Im südlichen Teil sind Wohnungen vorgesehen, die mit innenliegenden Kaskadentreppen erschlossen werden. Das Wohnprogramm richtet sich ausschliesslich an Studierende. Es besteht aus Clusterwohnungen in unterschiedlichen Grössen und Typen für Wohngemeinschaften. Auf dem öffentlich zugänglichen Dach sind Sportflächen, ein Helikopterlandeplatz, ein olympisches Schwimmbecken und in der Rundung ein Theater vorgesehen. Im ersten Untergeschoss sind Veloabstellplätze und im zweiten Untergeschoss Autoabstellplätze geplant. Die Technik- und Lagerräume liegen im dritten Untergeschoss. 


Keller und Parkierung im Untergeschoss gehen teilweise über den Studienperimeter hinaus bis in den Bereich des Kunstfreilagers. Beim grossen Solitär handelt es sich aufgrund der Gesamthöhe von rund 35 Metern um ein Hochhaus. Es wird kein Zweistundenschatten nachgewiesen. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Ideenperimeter oder Wohnnutzungen im Gebäude Helsinki zu lange verschattet werden. 


Im nördlichsten Bereich mit Universität und SCCB wird der Immissionsgrenzwert für eine Schulnutzung an der Nord-, Ost- und Westfassade überschritten. 

Die Studie sieht zu viele Auto- und zu wenige Veloabstellplätze vor. Pläne und Text enthalten zudem widersprüchliche Angaben über die Anzahl und Lage der Abstellplätze. Anlieferung und Logistik sind nicht beurteilbar. Die Frankfurt-Strasse soll autofrei werden, was aber wegen der Erschliessung anderer Teilgebiete nicht möglich ist. Die neue Tramlinie verstösst gegen die Rahmenbedingungen des Studienauftrags. 


Die grossmassstäbliche Bebauung führt zu einer erheblichen Behinderung der Durchlüftung des Campus und der angrenzenden Wohnüberbauung in Ost-West-Richtung. Bei den hohen Gebäuden sind trotz breiter Abstände gegenseitige Verschattungen nicht auszuschliessen. Die hohe Dichte der Gebäude reduziert den Fussabdruck. Die Freiflächen sind aber in grossen Bereichen als Sandbelag angedacht. Dieser ist zwar sickerfähig, es fehlen aber schattenspendende Massnahmen, weshalb sich die Flächen stark aufheizen würden. Das schmale, fünfgeschossige Atrium des Universitätsgebäudes kann die nach innen orientierten Räume nicht ausreichend natürlich belichten. Die drei parallel zum Transitlager angeordneten Wohnzeilen im Ideenperimeter lassen die Fallwinde tagsüber passieren, schirmen aber die nächtlichen Winde ab. 


Der Beitrag lebt von der prägnanten architektonischen Sprache und eignet sich weniger als Grundlage eines Masterplans. Er zelebriert die Leere der Freiräume und die Bewegung im Gebäude. Die Stärke des Ansatzes liegt in der architektonischen Qualität und in der Radikalität, mit der die Grossform gestaltet ist – seine Schwäche in den überdeterminierten Parametern, die zu wenig Flexibilität in der Umsetzung zulassen, und in der fehlenden Qualität der Aussenräume. Das Beurteilungsgremium bezweifelt, dass die Stringenz und Homogenität der Studie bei der Umsetzung durch verschiedene Architekturbüros sichergestellt werden kann.