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Offener Wettbewerb | 03/2022

Neubau Besucher- und Informationszentrum Biosphärengebiet Schwarzwald in Todtnau

3. Preis

Preisgeld: 21.000

Jonas Krahé Architektur

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee des Konzepts

Das Besucher- und Informationszentrum in Todtnau ist ein Ort des Lernens und des Austauschs, ein Treffpunkt im Zentrum des neuen UNESCO Biosphärengebietes Schwarzwald. Ganz natürlich erscheint es diesen Mittelpunkt in Form einer Rotunde auszubilden und das Gebäude damit auch symbolisch zum Zentrum des Biosphären-reservats werden zu lassen. Die UNESCO definiert ein Biosphärenreservat als Modellregion und Lernort für nach-haltige Entwicklungen. Ein Biosphärengebiet erfüllt neben dem Naturschutz und der Forschung auch die Förderung von nachhaltigen Wirtschaftsformen. Der Bau des Besucher- und Informationszentrums bietet die Chance in seiner Umsetzung selbst zum Modellprojekt zu werden. Aus diesem Grund soll der Holzbau ausschließlich aus heimischen Hölzern und alle Bauarbeiten von lokalen Betrieben hergestellt werden. Kurze Lieferketten und die Förderung des lokalen Handwerks stärken das Bewusstsein für eine nachhaltige Art zu Planen und Bauen in der Bevölkerung. Informations-veranstaltungen und Workshops während des Baus, wie beispielsweise ein Schindelmacherkurs bei dem das traditionelle Handwerk präsentiert und ausprobiert werden kann, runden den pädagogischen Anspruch des Projekts ab.

Städtebauliche Einfügung, Außenraum und Neuordnung

Neben der Symbolik fügt sich die runde Gebäudekubatur harmonisch in eine unruhige städtebauliche Situation mit unterschiedlichen Fluchten und Höhen ein und erzeugt dabei Stabilität. Es entsteht ein durchgängiger, identitätsstiftender Stadtraum im Spannungsfeld des Rathauses und des Besucherzentrums. Die Form der Rotunde folgt dem gewachsenen Geländeverlauf. Das Gebäude fügt sich dadurch auch in der dritten Dimension sensibel in die Situation ein und macht einen Bau ohne große Geländeanpassungen sowie Aushubsmaßnahmen möglich. Die vorhandenen Serpen-tinen an der Ostseite des Gebäudes bleiben erhalten und machen die gewohnte, fußläufige Durchwegung des Grundstücks nach wie vor möglich. Die Position des Haupteingangs in Richtung Süden spannt einen Bezug zwischen Rathaus und dem neuen Außenbereich des Besucherzentrums auf. Vor dem Besucherzentrum entsteht ein Vorplatz mit Wasserspiel. Eine bepflanzte Sitzinsel mit Holzdeck zoniert den Vorplatz des Besucherzentrums und den Außenbereich des Restaurants. Sitzstufen zu allen Seiten fassen den Außenraum und laden zum Verweilen ein. Generell soll die Begrünung des Außenraums in Anlehnung an die Vegetation im Schwarzwald gestaltet und damit auch selbst zum Ausstellungselement werden. Der nördliche Nebeneingang macht einen unabhängigen Betrieb von Verwaltung, Seminarbereich und Anlieferung möglich.

Architektur, Grundrissorganisation und Ausstellungskonzept

Der Ausstellungsbereich mit Foyer und Restaurant werden vom südlichen Haupteingang aus erschlossen. Das Restaurant orientiert sich zum neuen Platz vor dem Gebäude und lässt sich durch Öffnen der Glaselemente um den Außenbereich erweitern. Vom Foyer aus beginnt eine großzügige Wendeltreppe, die die beiden Ausstellungsgeschosse und das Foyer angemessen miteinander verbindet. Die Außenwände im gesamten Gebäude werden an gezielt gesetzten Stellen durch großzügige Verglasungselemente geöffnet und ermöglichen wichtige Blickbeziehungen nach außen zum eigentlichen Ausstellungsexponat: dem Schwarzwald. Der Ausstellungsbesuch beginnt mit dem Ticketkauf am Empfang und führt die Besucher nach der Nutzung der Garderobe und des WCs über den Aufzug in die Ebene 3. Dort beginnt die Ausstellung mit der Ausstellungsgalerie 1 „Das Leben vom Land - in vergangenen Zeiten“. Über die Wendeltreppe gelangt man auf Ebene 2 zur Ausstellungsgalerie 2 „Das Leben vom Land - heute und in Zukunft“ und der Wechselausstellung. Das Auditorium trennt beide Bereiche und kann bei Bedarf in die Ausstellung integriert werden. Es liegt über zwei Geschosse zwischen dem Ausstellungs- und Seminarbereich und lässt sich je nach Bedarf beiden Bereichen zuschalten oder unabhängig voneinander nutzen. Ein weiteres Geschoss darunter befindet sich Ebene 1 und damit das Foyer mit Shop. Nach dem Ausstellungsbesuch kann über den Aufzug die Dachterrasse mit Pflanzenkundebereich und Aussichtspunkt auf Ebene 4 erkundet werden. In Ebene 1 lädt das Restaurant mit Außenbereich und der „Ort der Begegnung“ zum Ausklang des Besuches ein. Vom nördlichen Zugang auf Ebene 3 werden die Verwaltung und der Seminarbereich in Ebene 4 erschlossen. Außerdem befindet sich hier die Anlieferung des Gebäudes sowie die Ver- und Entsorgung.

Baukonstruktion, Materialität und technische Ausrüstung

Wesentliche Elemente des Entwurfs sind eine nach außen sichtbare Holzkonstruktion der Fassade, die durch Glaselemente und Holzschindeln geschlossen werden. Die Konstruktion bezieht sich auf vertraute, traditionelle Baumethoden im Schwarzwald, wie der Fachwerkkonstruktion und geschindelten Fassaden. Sie macht den handwerklichen Anspruch und die Konstruktion des Gebäudes vorwiegend in Holz als CO2-positive, hochwertige und nachhaltige Bauweise sichtbar. Ein äußerer Ring aus Stützen und BSH-Wandscheiben sowie Kerne in Stampfbeton bilden die Lastabtragung der offenen BSH-Trägerrostdecke als Primärtragwerk. Die Bauweise ermöglicht durch Verfertigung eine zeitgemäße, präzise und effiziente Aufrichtung der Tragkonstruktion. Die Kerne in Stampfbeton sorgen für Speichermasse und tragen damit zu einem konstanten Raumklima bei. Außerdem dienen sie der horizontalen Aussteifung und schaffen gestalterisch Bezüge zu Gesteinsschichten, die die Entstehung des Schwarzwaldes vor etwa 70 Millionen Jahren erst möglich gemacht haben. Die Außenwände in Massivholz tragen zu einem angenehmen Raumklima bei. Alle nichttragenden raumtrennenden Elemente werden in Trockenbau realisiert und sind dadurch flexibel und kostengünstig.

Bauplanungs- und Bauordnungsrecht

Ein notwendiges Treppenhaus bildet den ersten baulichen Rettungsweg und wird in Ebene 3 über den Nebeneingang des Besucherzentrums entfluchtet. Als zweiter baulicher Rettungsweg dient die Fassade und Dachterrasse über die die Feuerwehr Personen über eine Drehleiter in Sicherheit bringen kann. Die Aufstellfläche der Feuerwehr ist direkt vor dem Gebäude möglich. Das gesamte Gebäude ist barrierefrei konzipiert. Alle Abstandsflächen werden ein-gehalten.

Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Auch energetisch soll das Gebäude zum Vorzeigeprojekt werden. So wird es über eine Lüftungsanlage und verdeckte Nachtstromöffnungen in den Fassaden kontrolliert be-, und entlüftet. Durch die integrierte Wärmerückgewinnung wird in Kombination mit der hochwertigen Fassadendämmung ein sehr niedriger Energiebedarf erreicht. Die Flächen der Flachdächer werden maximal zur solaren Energiegewinnung durch Photovoltaik genutzt. Eine nachhaltige Form der Wärmegewinnung über eine Erd-wärmepumpe gespeist durch den Strom der Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgen für ein in sich schlüssiges Energiekonzept. Die Form der Rotunde bewirkt darüber hinaus ein optimales A/V-Verhältnis von 0,25 und verringert den Energiebedarf während des Betriebs. Denkbar ist zudem die Aktivierung der Bodenplatte, um die im Sommer überschüssige Energie in den Wintermonaten nutzbar zu machen.   

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau / Architektur

Die Arbeit reagiert auf das heterogene Umfeld mit einem ungerichteten, runden Volumen, das zentral auf dem Grundstück platziert wird. Dabei werden sowohl die Parkplätze an der Freiburger Straße als auch die vorhandene Durchwegung zum Rathaus erhalten. Das viergeschossige, kompakte Volumen wird so in den Hang eingebettet, dass wenig Aushub erforderlich wird und ein Zugang von Norden und Süden möglich ist.

Der Haupteingang befindet sich leicht ins Volumen zurückversetzt im Süden zum Rathaus hin orientiert. Im Erdgeschoss befindet sich neben dem Foyer das Restaurant, das auf der Südwestseite einen vorgelagerten Außenbereich erhält. Der restliche Außenraum wird begrünt.

Der Entwurf verwendet geschickt unterschiedliche Geometrien, um das Volumen im Inneren zu gliedern. Ein Kern sowie das zweigeschossige Auditorium werden in den Kreis als massive Körper aus Stampfbeton eingestellt. Zwischen diesen und den tragenden Fassadenelementen bildet eine Deckenrost aus Brettschichtholz stützenfreie Räume, die flexibel dem Deckenraster folgend unterteilt werden können.

Eine übersichtliche Besucherführung mit überwiegend gutem Zugang zu den Services zeichnet den Entwurf aus, die Panoramaterrasse ist zudem attraktiv. Der Ausstellungsbesuch beginnt im Foyer, von dem aus eine großzügige Wendeltreppe in die Ausstellungseinheiten in den beiden folgenden Obergeschossen führt. Der Aufzug muss von dort für Rollstuhlfahrer erreichbar sein.

Im Foyer müssen Empfangstresen und Touristinfo zusammengeführt und der Hausmeisterraum integriert werden. Das Sekretariat ist an dessen Stelle auf Ebene 2 zu positionieren, um Anlieferung und den zweiten Zugang zu beherrschen, sowie abendlichen Veranstaltungseinlass zu gewährleisten. Die Anlieferung der Gastronomie ist deutlich zu verbessern und eine Besuchervereinzelung im Zugang zu den Ausstellungsbereichen zu schaffen (eintrittspflichtiger Besuch).

Der Ausstellungsbereich im 1. Obergeschoß ist frei um die Kerne herum bespielbar. Im darüberliegenden Geschoss sind außer einem weiteren Ausstellungsbereich große Teile des Geschosses für Nebenräume reserviert, deren Anordnung optimiert werden sollte. Die Lage und Größe der Technikzentralen zu den Versorgungsschwerpunkten ist teilweise ungünstig. Das Zusammenspiel von Ausstellung und Fassade ist im Weiteren zu präzisieren.

Der Seminarbereich befindet sich zusammen mit der Verwaltung im 3.Obergeschoß mit der Möglichkeit zur Nutzung einer Terrasse mit Blickbezug zum Hasenhorn. Für diesen Bereich ist die Möglichkeit des Caterings und Toiletten zu überdenken. Die Fassade wird mittels massiver Holzscheiben, die mit Schindeln verkleidet werden und verglasten Flächen gegliedert. Es entsteht ein Gebäude, das durch eine Mischung aus vertrauten Materialien, einer besonderen Form und einer klaren Gliederung gekennzeichnet ist.

Das Gebäude vermittelt ein frisches, modernes Image mit nutzbarer Nähe zum NNL-Logo. Der Vorbereich wirkt ausgesprochen einladend. Die Aussicht auf Ebene 4 ist gelungen und gut für Gruppen nutzbar. Der Vorplatz/Sammelbereich mit Wasserspielplatz ist atmosphärisch, vor allem auch für Klassen und Familien interessant. Die Verfasser bieten explizite Bezüge zu BnE, UNESCO und Partizipationsideen. Grünflächen sind konsequent mit eingeplant. Besuchsverlauf sollte nochmal durchgearbeitet werden (Lokalisierung Aufzug, Empfang/Kasse, …). Es wäre gut, wenn die Fensterflächen in Feinabstimmung mit dem finalen Ausstellungskonzept flexibler setzbar wären.

Der kompakte Baukörper wird durch ein gutes A/V-Verhältnis gekennzeichnet, liegt jedoch in Bezug auf den Energieverbrauch über dem Sollwert. PV Nutzung ist vorgesehen, jedoch optimierbar (derzeit 50% der Dachfläche).

Insgesamt überzeugt der Entwurf durch eine geschickte und flächeneffiziente städtebauliche Anordnung eines kompakten Volumens und flexible Möglichkeiten für die Ausstellung. Er fügt sich sowohl durch seinen Maßstab als auch seine Materialität in die Umgebung ein, macht aber gleichzeitig als Solitär mit seiner besonderer Gestaltung auf die besondere öffentliche Nutzung als Besucher- und Informationszentrum aufmerksam.