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Projektwettbewerb | 12/2016

Personenüberführung Ost, Rotkreuz

Fink

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 35.000 CHF

Fürst Laffranchi Bauingenieure

Bauingenieurwesen

Ilg Santer Architekten

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau/Architektur
Das Projekt Fink zeigt in mehrfacher Weise eine überzeugende Verortung und Auseinandersetzung für die neue Personenüberführung in ihrem spezifischen Kontext: Ein filigranes, über dem Gehweg liegendes, sich hoch aufschwingendes Tragwerk lässt die Überführung zum integralen Teil der Bahnhofinfrastruktur werden. In einer geschickten Interpretation des historischen Finkträgers werden dabei Aspekte von typologischer Nähe, von Ikonografie und Massstäblichkeit ausgelotet.

Einerseits verwebt sich das filigrane Tragwerk optisch selbstverständlich mit den Masten und Seilen der Fahrleitungsanlage des Gleisfelds. Gleichzeitig führt seine expressive Geometrie eine eigenständige identitätsstiftende Silhouette mit Wiedererkennungseffekt ein, ohne dabei aufdringlich oder rein ikonografisch zu werden – die Struktur ist offensichtlich aus der Tragwerksidee heraus entwickelt und bildet diese ab. Vor allem aber schafft es die raumgreifende Struktur mit ihren grossen Höhen gekonnt zu den neuen Massstäben der umliegenden bestehenden und kommenden Bebauungen zu vermitteln ohne selber monumental zu erscheinen. Die Personenüberführung wirkt dabei stets eigenständig und reaktiv zugleich und verströmt den Atem von Grosszügigkeit. Dem Konzept des subtilen "Sich- Einwebens" entgegen und eher plakativ wirken allerdings das strahlende Weiss des Tragwerks und der rote, grafische Bodenbelag.

Tragwerkskonzept
Das Projektteam greift auf interessante Art das in Vergessenheit geratene Tragsystem ‚Fink‘ auf, bei welchem die Lasten im Gegensatz zu klassischen Fachwerken nicht über biegebeanspruchte Gurte in Kombination mit Diagonalen und Streben, sondern bereichsweise mithilfe von unter- bzw. überspannten Balken - einer gewissen Hierarchie folgend - direkt zu den Auflagern abgetragen werden. Dieses Mitte des 19.Jh. vom Ingenieur Albert Fink für Eisenbahnbrücken entwickelte System wird im vorliegenden Projekt in eine Verschachtelung von überspannten Balkensegmenten übersetzt, was zu einem äusserst filigranen und expressiven Ausdruck führt. Dank der dem System inhärenten grossen statischen Höhe kann das gesamte Gleisfeld ohne Zwischenabstützung spielend überspannt werden.

Die Statik der Personenüberführung wurde von den Projektverfassern sorgfältig abgeschätzt und ist im statischen Bericht mit grossem Detaillierungsgrad sorgfältig beschrieben. Dasselbe gilt für die Konstruktion des seilverspannten Stahlbaus mit seiner orthotropen Fahrbahnplatte als auch für den Bauvorgang, welcher dank der Freivorbauweise dem gewählten Tragsystem angepasst ist und bezüglich des Bauens unter Bahnverkehr von Vorteil ist. Es erstaunt somit nicht, dass sowohl Investitions- als auch Betriebs- und Unterhaltskosten vergleichsweise niedrig sind. Die anfänglichen Bedenken der Jury betreffend Gesamtstabilität konnten im Rahmen der Überarbeitung von den Projektverfassern definitiv ausgeräumt werden. Dies gilt gleichsam für die Konstruktion der Treppenpodestanschlüsse an die Brücke im Perronbereich.

Gesamtwürdigung
Das filigrane System fügt sich in seiner klaren Haltung, in seiner Verhältnismässigkeit der Mittel sowie seinem alt-neuen Entwurfsansatz des Brückentragwerks sehr gut in das Bahnambiente ein. Die Erschliessungsbauwerke vermögen hingegen auch nach der Überarbeitungsrunde nicht zu überzeugen: Weder wurde eine grössere Nutzungsqualität der Treppen und Lifte erreicht noch konnte eine befriedigende Antwort für eine stringente Kombination von Erschliessungsbauwerken und Brückentragwerk aufgezeigt werden. In der vertieften Jurierung der Überarbeitung wurde zudem der Aspekt der Segmentierung der Gehwegplatte durch die vertikalen Tragelemente und ihre schrägen Abspannungen als negativ und einschränkend beurteilt. In der konkreten Umsetzung würden zusätzliche Leitelemente notwendig, die in Erscheinung treten und der Eleganz und Grundidee des Tragwerkkonzepts entgegen wirken.