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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

ETH Zürich, Areal Zentrum Sanierung Gebäude MM

1. Rang

Preisgeld: 20.000 CHF

von Ballmoos Krucker Architekten AG

Architektur, Projektsteuerung

Ghisleni Partner AG

Projektsteuerung

mavo Landschaften

Landschaftsarchitektur

dsp Ingenieure & Planer AG

Bauingenieurwesen

Gruner Wepf AG, Zürich

Verkehrsplanung

3-Plan Haustechnik AG

TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau, Architektur, Freiraum

Wandeln bedeutet bedächtig und langsam umherzugehen. Eine Lust am Wandeln kann entstehen, wenn man dieses in einem ansprechenden Landschaftraum frei von Zwängen und gedankenlos tun kann.

Das Projekt LUST AM WANDELN präzisiert die heutige Situation der 1977 durch Geisendorf an den Semper´schen Hauptbau der ETH Zürich angebauten Polyterrasse, indem die existierenden Bewegungsströme in ihrer Vielfalt möglichst elegant und selbstverständlich neben- und ineinander funktionieren können, ohne dass im täglichen Gebrauch Friktionen oder unternutzte Resträume entstehen.

Bewusst landschaftlich wird in der Verlängerung der Leonhardstrasse eine parallel zum Hang laufende Raumsequenz von Stadtbalkonen gedacht und entwickelt, die die Polyterrasse mit der Terrasse der Uni, dem Rechberg und schliesslich dem Deutschen Seminar verbindet. Am neuralgischen Kreuzungspunkt vom Ausgang der Polybahn, Tannenstrasse und Leonhardstrasse wird der Bewegungsstrom nach Süden von einer fast organisch aus der künstlichen Topographie gearbeiteten Rampe aufgenommen. Diese führt sanft und unmerklich hinauf über die Polyterrasse und zum Westportal des Hauptgebäudes, das als Ziel der Bewegungssequenz in jedem Moment gut sichtbar bleibt. In ebenso weicher Bewegung führt symmetrisch von der Terrasse eine Rampe nach Süden wieder hinunter und weiter zur Uni. Die öffentlich sehr gut zugängliche Polyterrasse verbleibt dabei frei von Nutzungen und behält eine grosse Flexibilität für wechselnde Veranstaltungen und Grossevents.

Am Fusspunkt der nördlichen Rampe öffnet sich nach Abbruch des Alumnipavillons über flache Terrainstufen und Sitzkanten eine untere Terrasse zur Stadt und Cafeteria. Jenseits des Bewegungsstroms entsteht so unter einem Baumdach von Zierkirschen ein intimerer Bereich zum Verweilen. Ein Durchgang unter der Rampe führt über die Leonhardstrasse und zum C-Geschoss des Hauptgebäudes. Die gesamten Aussenanlagen wirken inklusive des Bepflanzungskonzepts schlüssig, wobei die geometrische Führung der Linien etwas weniger formelle Strenge haben könnte.

Sichtbarer Haupteingriff und Herzstück des Projekts ist eine sinnfällig in die kontinuierlich verlaufende Bewegung des nördlichen Rampenbaukörpers eingebettete, neu angelegte, breit gewendelte Treppe, die von einem kristallinen Glaskörper bekrönt wird. Der von Ferne und aus der Stadt bewusst zurückhaltend in Erscheinung tretende Akzent vermag die asymmetrische Grundstruktur des Geisendorfschen Eingriffs und dessen neue Präzisierung nach aussen zeitgemäss abzuzeichnen. Er bleibt in der Gesamtwirkung aber Teil der Topographie und Landschaft und addiert sich nicht zum symmetrisch aufgebauten Solitär des Semperbaus. Die neue Aussentreppe verbindet auf kurzem Weg die Polyterrasse mit dem Zugang zum Hauptgebäude im C-Geschoss und zur Bushaltestelle des ETH-Links an der Leonhardstrasse. Als Innentreppe weitergeführt bindet sie schliesslich die Mensa im B-Geschoss an.

Der neue Haupteingang zu den Sportanlagen ist mit dem Rampenbaukörper im Süden verknüpft. Hier gelangt man von der Cafeteria-Ebene wie auch von der darunterliegenden Ebene direkt an den Schalter sowie zu den Garderoben und Sportflächen des ASVZ.

Wenn im Äusseren der Anlage zur Klärung der Situation fast unsichtbare, aber dennoch massgebliche Veränderungen vorgenommen werden, so beschränkten sich die Eingriffe im Inneren auf eine sanfte Umsortierung und «Entrümpelung», die es jedoch vermögen, auch hier eine selbstverständliche Klarheit der Bewegungen und Abläufe herzustellen.

Die neu durchgehend rollstuhlgängige und verkehrsberuhigte Leonhardstrasse weitet sich im Bereich des unterirdischen Zugangs zum Hauptgebäude im C-Geschoss deutlich auf. Die heute bestehenden räumlich schwierigen Negativecken und Resträume sind aufgelöst. Der überdeckte, heute nach aussen abgeschottete und dunkle Ort wird über die Diagonale der neuen Treppenanlage, über neue Oberlichter, durch die vollständige Öffnung der Achse 52 und die Anlagerung von transparenten und belebten Nutzungen wie dem ETH Store und der ETH Info nach aussen geöffnet. Aus dem Zugang des C-Geschosses hinaustretend blickt man neu dem Westlicht entgegen und schräg hinüber, durch den schmalen Durchgang auf die neue Terrasse und vielleicht sogar über die ganze Stadt hinweg.

Funktionalität

«Wandeln» scheint keine gängige Sportdiziplin zu sein, zumindest sind die Anforderungen im Bereich Sport im Projekt noch ungenügend umgesetzt und bedürfen einer eingehenden Überarbeitung. Der Flächenzuwachs des Sportbereichs ist nur minimal und muss auf jeden Fall vergrössert werden. Die heute ungünstige Erschliessung mancher Sporträume wurde nicht verbessert, so dass die ganze Sportanlage weiterhin stark fragmentiert erscheint. Die Führung der Besucher nach der Zutrittskontrolle ist im praktischen Gebrauch so nicht möglich und muss angepasst werden. Es sollte eine Sportbar mit räumlichem Mehrwert geschaffen werden.

Der Gastronomiebereich auf dem C-Geschoss ist aufgeräumt und flexibel bespielbar. Einzig die akustische Abtrennung der Bar erscheint nicht aus - reichend zu sein. Durch das Entfernen des bestehenden Treppenhauskerns öffnet sich die Eingangssituation der Mensa, wodurch die Besucherströme entflechtet werden können. Der ETH Store ist an der Unterführung sinnvoll angeordnet, so dass er noch ein wenig vom Tageslichteinfall profitiert und durch seine Fensterfront die Unterführung zu beleben und den Verkehr auf natürliche Weise zu entschleunigen vermag. Der Info-Desk ist ebenfalls zentral und gut auffindbar platziert. Die Betriebsabläufe erfahren durch die Selbstverständlichkeit der Bewegungsströme eine deutliche Verbesserung gegenüber der heutigen Situation. Bezüglich Veranstaltungen ist die genaue Logistik, speziell hinsichtlich Anlieferung und einer ggf. notwendigen Liftnutzung zu prüfen.

Verkehr

Die Verkehrsströme sind sinnfällig gelenkt. Insbesondere gefallen die grosszügige und intuitive Führung von der Polybahn zum Hauptgebäude der ETH und die offenen Zugänge zur Leonhardstrasse auf dem C-Geschoss. Die Fussgängerquerung der Leonhardstrasse zum Zugang des Hauptgebäudes ist von sichtbehindernden Stützen befreit. Die Anordnung der einzelnen Funktionen im Logistikbereich führt zu Manövern, die den Verkehrsablauf stören, insgesamt ist aber genügend Raum vorhanden, um dies zu optimieren. Die gebäudeinternen Warenflüsse sind zu wenig reflektiert und die Gestaltung der Karl-Schmid-Strasse ist nicht mit allen Funktionen abgestimmt.

Statik
Die massgeblichen statischen Eingriffe konzentrieren sich auf das CGeschoss. Neben der Auflösung der heute geschlossenen, als Scheibe ausgebildeten Achse 52 in eine offene, über alle Geschosse durchlaufende Skelettstruktur und dem Verzicht von zwei Stützen der heutigen Aussenwand wird die Decke der Durchfahrtsstrasse zurückgebaut, durch eine gerichtete Unterzugsdecke mit neuen Oberlichtern ersetzt, die kraftschlüssig mit der Sporthallendecke verbunden ist.

Gebäudetechnik

Die verschiedenen neuen Konzepte der Gebäudetechnik sind in dieser Phase klar und auf einfache Weise integriert worden. Die horizontalen und vertikalen Erschliessungswege der verschiedenen Medien sind konzeptionell vorhanden und soweit möglich mit kurzen Wegen effizient gehalten. Der Miteinbezug von bestehenden Anlagenteilen und deren Funktionalitäten wird mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten in das neue Konzept angedacht und aufgezeigt. Der Energiehaushalt wird mit effizienten Systemlösungen schlank gehalten. Für die Medien-Erschliessungsmöglichkeiten von erneuerbaren Energien im Bereich des Gebäudeperimeters werden machbare Ideen eingebracht.

Nachhaltigkeit

Wenn auch das Projekt in seinen Eingriffen absolut zurückhaltend bleibt, überschreiten die auf Basis Wettbewerb ermittelten Baukosten das in der Auslobung gesetzte Kostendach. Basierend auf einem Verhältniswert von momentan 49Prozent HNF/GF sind die prognostizierten Lebenszykluskosten je Quadratmeter HNF p.a. im beschriebenen Projekt vergleichsweise hoch. Das Projekt ist nachhaltig vor allem hinsichtlich Minimierung der Eingriffe, die im Inneren die unterschiedlichen Ausbaustandards wo möglich bestehen lassen und die Einzelteile zu einer Collage zusammenfügen, statt das durchgehend Neue zu suchen. Eine in der Grundhaltung sehr vernünftige und für die Aufgabe richtige Strategie. Das Projekt weist eine gute Qualität in der ökologischen Nachhaltigkeit auf, wobei einige der eingeführten Ansätze (z.B. Anergie-Geocooling) noch nicht nachvollziehbar sind und im konzeptionellen Ansatz konkretisiert werden müssen. Durch die relativ kleinen Eingriffe ist auch der Wert der grauen Energie für die Sanierung eher tief berechnet und positiv zu bewerten.

Projektwürdigung

Das Projekt besticht durch seine leise ordnende Kraft, die die Schwächen des Bestands aufzuheben vermag, ohne den Organismus vollständig umzuprogrammieren. Heute bestehende Resträume sind aufgelöst und die äussert komplexen Verbindungen zu einem selbstverständlichen und unangestrengten Bewegungsablauf verbunden. Deutlich konzentriert sich das Projekt auf den Aspekt der Bewegung in den öffentlichen Räumen und weniger auf die Neuprogrammierung der vorhandenen Nutzungen.