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Einladungswettbewerb | 05/2020

Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses am Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig

Visualisierung

Visualisierung

1. Preis

Preisgeld: 48.000 EUR

Unnewehr Packbauer Architekten Partnerschaft

Architektur

MOZIA Monari + Zitelli Architekten Partnerschaft mbB

Architektur

grauwald studio Gesellschaft für Architektur und Bild

Visualisierung

Erläuterungstext

Anlass und Zielsetzung
Der Bauplatz befindet sich in exponierter Lage an der Westseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes unmittelbar südwestlich der Leipziger Innenstadt. Ziel des Verfahrens ist die Neubebauung des Grundstücks mit einer seinem Umfeld angemessenen und architektonisch hochwertigen Bebauung. Der gestalterische Reiz der Aufgabe lag in der Entwicklung eines Stadtbausteins, der sich in seine Umgebung einfügt und auf diese Weise zwischen Vergangenheit und Gegenwart vermittelt. Eine Konkurrenz zur umgebenden Bebauung wird bewusst nicht gesucht, sondern vielmehr eine sinnhafte Ergänzung und Stärkung des umgebenden Stadtgefüges angestrebt. Dennoch soll die Neubebauung an diesem prominenten Standort durch eine den Ort prägende Gestalt eine eigene Identität entfalten.
Städtebauliche Konzeption und Nutzungsverteilung
Die besondere Herausforderung der Aufgabe lag darin, eine städtebauliche Konzeption zu finden, durch die eine schlüssige Einfügung in das städtische Umfeld gewährleistet ist. Das Baufeld mit seinen baurechtlichen Bindungen gibt im Wesentlichen einen Hinweis auf eine Blockrandbebauung als städtebauliche Grundfigur. Gestaltungsspielraum bestand vornehmlich in der Bildung von geschossweisen Staffelungen und der plastischen Ausformulierung der Fassaden.
Entwurfsziel war die Entwicklung eines Stadtbausteins, der sich von Körnung und Höhe her wie selbstverständlich in das bestehende Stadtgefüge einbettet, dieses sinnvoll ergänzt und stärkt. Parameter dieser Überlegung sind die bestehende Probstei St. Trinitatis, der ausgedehnte Raum des Wilhelm-Leuschner-Platzes sowie die umgebende Blockrandbebauung in Höhe und Struktur.
Die Entwicklung des Neubaukörpers ist ein klares Bekenntnis an die vorherrschende Blockrandbebauung, formuliert sich aber je nach Situation durch Staffelung der Umgebung unterschiedlich aus. Die innere Struktur des Gebäudes wird genutzt, um über Vor- und Rücksprünge der Fassade einen kleinteiligeren Rhythmus zu schaffen, damit die Länge des Gesamtblocks zu gliedern und zudem die Porosität der vorherrschenden Blockbebauung aufzunehmen. Die öffentlichen Nutzungen Büro und Hotel werden von der Seite des Wilhelm-Leuschner-Platzes erschlossen. Zum Platz hin bildet sich eine repräsentative Fassade mit einem Hochpunkt an der Ecke Nonnenmühlgasse/Wilhelm-Leuschner-Platz. Dieser Hochpunkt nimmt direkten Bezug auf den zurückweichenden Baukörper der Probstei St. Trinitatis und bildet einen Abschluss des Blocks von eigenständiger Prägung. Von hier aus staffelt sich der Baublock sukzessive nach unten, sodass er mit seiner Traufhöhe die Höhen der umgebenden Bebauung aufnimmt. Unterstützt wird die Kurvatur des Blocks durch die jeweils mittigen Rücksprünge und die damit einhergehende Betonung der Ecken. Hiermit wird nicht nur die Struktur des Gebäudes in der Fassade abgebildet und in ihrer Großmaßstäblichkeit gebrochen, sondern auch eine in sich ruhende und harmonische Gesamtform geschaffen, die sich über Höhen und Körnung wie selbstverständlich in die städtische Umgebung einfügt.
Die privaten und weniger öffentlichen Nutzungen wie Wohnen und Pflege orientieren sich in Richtung der im Rahmen des Bauvorhabens neu geschaffenen Ruth-Pfau-Straße und werden auch von dort erschlossen. Während die Pflegezimmer zum Teil noch in Richtung Nonnenmühlgasse ausgerichtet sind und zusammen mit der Büronutzung eine starke Rückwand zur Probstei St. Trinitatis ausbilden, setzt sich das Wohnen in Höhe und Ausgestaltung der Fassaden von den restlichen Nutzungen ab. Es liegt eingebettet wie eine Intarsie im hinteren, von den großen Straßen abgewandten Teil des Blocks und schafft über die Gestaltung der Fassade und der Balkone eine private Atmosphäre zur Ruth-Pfau-Straße.
Die Erdgeschosszone wird rundherum mit öffentlichen Nutzungen versehen. In Richtung Wilhelm-Leuschner-Platz und Nonnenmühlgasse sind größere Gewerbeflächen angesiedelt, die von ihrer Art und Größe der öffentlichen Lage entsprechen (z. B. Restaurant, Shops). An der Ecke Wilhelm-Leuschner-Platz/Dimitroffstraße liegen die öffentlichen Teile des Hotels (Lobby und Restaurant).
Materialität und Fassade
Das zeitgemäße Büro- und Geschäftshaus sowie der Hoteltypus mit einem auf innere Flexibilität bezogenen Anspruch scheinen heute ein beinahe globaler Bautypus zu sein. Bandfassaden oder eng gerasterte Lochfassaden mit achsweisen Trennwandanschlüssen ermöglichen flexible Flächenzuschnitte und erzeugen in ihrer Rigidität die oft bemängelte Gesichtslosigkeit unserer Städte. Diese funktionalen Anforderungen mit einer aus dem Kontext der Altstadt transformierten Gestalt zu verbinden, war ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit.
Der repräsentative Neubau soll sich so an diesem wichtigen Ort in die umliegende Altstadtbebauung einfügen. Um dies für den Betrachter lesbar zu machen, werden gestalterische Qualitäten der historischen Fassaden definiert und an den Neubau adaptiert. Die traditionelle Dreiteilung von Altstadtfassaden in Sockel, Mittelzone und Dachgeschoss wird im vorliegenden Entwurf aufgenommen und neu interpretiert. Das Erdgeschoss erhält großformatige horizontale Öffnungen, die als Schaufenster und Eingänge fungieren und durch ihre tiefen Fensterlaibungen die massive Erscheinung des Sockels verstärken. Die Schaufenster werden in breite Bronzerahmen gefasst und somit betont. In diese Rahmen integriert sind auch die Eingangstüren der Läden. Die Eingänge in den Büroteil und das Hotel werden durch einen Rücksprung in der Fassade in Form von Kolonnaden betont, bilden so einen geschützten Vorbereich und entfalten ihre eigene Prägnanz im Fassadenbild. Ab dem zweiten Obergeschoss werden die Fenster ebenfalls mit Bronzerahmen in die Steinfassade gesetzt. Mit zunehmender Höhe wird die Breite der Bronzerahmen jedoch sukzessive vergrößert. Die Breite der vertikalen Klinkerlisenen reduziert sich dadurch mit jedem Geschoss, die Erscheinung wird leichter. Diese Veränderung der bronzenen Rahmen verleiht der Fassade eine besondere Feinheit. So wird die unten vorgegebene Fassadenordnung mit zunehmender Höhe fließend aufgelöst. Die Überlagerung dieser Themen und deren Detailreichtum führen zu einer Vielschichtigkeit und mehrfachen Lesbarkeit der Fassaden.
Im Bereich der Ruth-Pfau-Straße wird der Bau als Putzfassade mit weit aus der Fläche herauskragenden Balkonen ausgeführt und setzt sich insoweit vom restlichen Block in Materialität und Struktur ab. Im Ergebnis soll eine dem Wohnen adäquate Fassade entstehen, die der Ruth-Pfau-Straße eine intimere Atmosphäre verleiht.
Brandschutz
Sämtliche Flächen der Büroeinheiten liegen unter 400 m², sodass auf notwendige Flure verzichtet werden kann. Hierbei handelt es sich um eine gleichzeitig wirtschaftliche wie flexible Lösung. Alle Nutzungseinheiten verfügen jeweils über einen baulichen Rettungsweg und anleiterbare Fenster entsprechend der Sächsischen Bauordnung. Auf eine Anordnung von teuren Sicherheitstreppenräumen verzichtet der Entwurf.
Flexibilität
Aufgrund von Langlebigkeit und Wertbeständigkeit der Immobilie wird vom Auslober eine hohe Flexibilität der einzelnen Gebäudeteile gewünscht. Der vorliegende Entwurf wird dieser Forderung durch nachfolgende Maßnahmen gerecht:
- klare Setzung der Treppenräume
- Möglichkeit der Unterteilung sämtlicher Flächen in 400 m²-Einheiten,
- durchgängiges 1,30 m-Fassadenraster sowie
- durchgehende Geschosshöhen in den Obergeschossen.
Aufgrund der vorgenannten Punkte ist es ohne größere Eingriffe in die Rohbaustruktur möglich, die Nutzungen auch in anderer Konstellation anzuordnen oder im Nachhinein umzuplanen. Einzig das Wohnen ist aufgrund seiner spezifischen Struktur von dieser Flexibilität ausgenommen.
Logistik und Parken
Der Entwurf sieht eine zweigeschossige Tiefgarage mit 224 Stellplätzen vor, die über die Dimitroffstraße erschlossen wird. Die überdachte Anlieferung des Hotels liegt direkt neben der Tiefgarageneinfahrt ebenfalls auf der Seite der Dimitroffstraße. Die Anlieferung des Betreuten Wohnens erfolgt entweder über die Tiefgarage oder über den Straßenraum der Nonnenmühlgasse.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf zeichnet sich durch seine klar gegliederte, strenge Fassadengestaltung zum Wilhelm-LeuschnerPlatz aus. Durch kleine, asymmetrische Rücksprünge an der Hauptfassade reagiert der Baukörper überzeugend auf die unterschiedlichen Höhenbezüge zur Polizei und der Kirche. Die Formensprache wird in der Nonnenmühlgasse und an der Dimitroffstraße fortgeführt, so dass ein homogener Baukörper nach Norden, Osten und Süden entsteht. Der als „Klammer" wirkende Hauptbaukörper wird an der Westfassade durch eine Wohnbebauung mit eigenem architektonischen Ausdruck abgeschlossen, der sich trotz abweichender Geschosshöhen sehr gefällig in den ruhigen Straßenraum einfügt. Nahezu alle städtebaulichen Vorgaben werden bei diesem Entwurf eingehalten. Die Gebäudeerweiterung an der Nord-West-Ecke des Plangebietes wurde entsprechend der Aufgabenstellung umgesetzt. An dieser Stelle wurde vom Entwurfsverfasser der Aufenthaltsbereich des betreuten Wohnens platziert. Hier könnte man sich eine eigenständigere Gestaltung vorstellen.
Der zweigeschossige Sockel des Hauptgebäudekörpers erhält eine wertige Natursteinverkleidung, die in gleichem Material auch in den darüber liegenden Geschossen als horizontale Gliederung dient. Die vertikale Gliederung erfolgt in den Obergeschossen durch sich verjüngende Klinkerstützen, die das Gebäude nach oben leichter wirken lassen. Die Verjüngung wird maßstäblich durch eine Verbreiterung der Fensterrahmen bei gleichbleibender Fenstergröße erreicht. Der Einsatz des Klinkers wurde für diesen Standort am WilhelmLeuschner-Platz kontrovers diskutiert. Die Herleitung des Materials über die Fassaden der Polizei in der mittleren Dimitroffstraße scheint für die Platzkante nicht schlüssig, andererseits vermag sich der Klinker eigenständig neben der Porphyr-Kirche zu behaupten, ohne diese zu dominieren. Die Fassaden zum Innenhof sind ohne Details dargestellt und sollten in der weiteren Bearbeitung in Teilen die Materialität der Hauptfassade aufnehmen.
Die Realisierung eines halb-öffentlichen Innenhofes wird begrüßt, wobei die Durchwegung in Lage und Ausformulierung diskutiert wurde und noch weiterzuentwickeln ist. Es wird angeregt den nördlichen Hof Zugang etwas großzügiger auf den Durchgang der Kirche reagieren zu lassen. Die Positionierung der Tiefgaragenzufahrt und der Hotelandienung an der Dimitroffstraße werden im Hinblick auf anreisende Hotelgäste und zu erwartende Reisebusse positiv bewertet.
Die großzügige Schaffung von Bruttogeschossfläche und Bauvolumen ist im Sinne der Wirtschaftlichkeit auf Optimierungspotenziale zu untersuchen, um eine angemessene Relation zwischen Investitionskosten und Nutzfläche zu erreichen. Problematiken des Brandschutzes müssen im Entwurf konkretisiert werden, insbesondere was die Rettungswegsituation des betreuten Wohnens betrifft. Im Ganzen stellt der Entwurf eine überzeugende Lösung für den konkreten Stadtraum und eine stimmige Antwort auf die komplexe Aufgabenstellung insgesamt dar.
Wettbewerbsmodell: Aufnahme von Nordost

Wettbewerbsmodell: Aufnahme von Nordost

Wettbewerbsmodell: Aufnahme von Südost

Wettbewerbsmodell: Aufnahme von Südost