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2. Rang 3 / 3

Nichtoffener Wettbewerb | 09/2021

Neue Wohnhausanlage Eipeldauer Straße in Wien (AT)

3. Rang

Aldric Beckmann Architectes

Architektur

Erläuterungstext

153927
Wohnhausanlage Eipeldauer Straße , Wien

Das Geschenk der Architekten an die Gesellschaft besteht darin, den Menschen durch das, was sie umgibt, große Freude zu bereiten. Jorn Utzon (1918-2008)

Architektur ist die Kunst, Sachzwänge zu bändigen, Widersprüche zu poetisieren. Einen anderen Blick auf Banalitäten und Trivialitäten zu werfen, und sie einzigartig zu machen. Architektur ist die Gelegenheit, in einer von Geschichte geprägten Stadt die Dinge fortzusetzen, die andere vor einigen Jahrhunderten oder Jahren begonnen haben... Architektur ist das gekonnte Wechselspiel von Zufall und Absicht... Architektur ist die Möglichkeit, die Bedeutung eines Kontextes zu verändern, zu vertiefen oder zu verwandeln... Architektur ist die Gestaltung des Erscheinungsbildes.
Auch im Norden Wiens trifft all dies auf die Architektur zu... Die Vorstadt ist ein Szenenwechsel:
Stadtspaziergänge können hier ungewöhnliche Begegnungen ermöglichen, die der Stadt eine neue Lebendigkeit, einen neuen Atem, eine Jugendlichkeit verleihen. Wenn Sie sich in den Norden der Stadt begeben, nur wenige Schritte vom Kagraner Platz, dem Theresia-Tauscher-Park und dem historischen Zentrum von Leopoldau entfernt, werden Sie Entdeckungen machen, die Sie nur erstaunen und genießen können.
In der von Trends, Bewegung und Veränderung geprägten Skyline Wiens möchte die vorgeschlagene Architektur eine Atmosphäre der Ruhe, Sensibilität und Offenheit schaffen. Ein Ort, in dem angefasst werden darf, in dem das Visuelle auf das Spiel von Materialien, Schatten und Licht reduziert ist, in dem das urban Chaos nur als entfernter Geräuschpegel wahrgenommen wird.
So entwickeln und erträumen wir ein in die Stadtstruktur eingefügtes Öko-Viertel, dessen klare und vielfältige Konstruktion die Heiterkeit und die Kunst des Wohnens ausdrückt. Losgelöst von ihrer Nachbarschaft und doch eingebettet in ihre Umgebung, vielfältig ausgerichtet und mit Ordnung und Abstand angeordnet, bieten diese neuen Gebäude sanfte Kontraste von Materialien und Perspektiven, ruhige Ecken der Harmonie zwischen Architektur und den Freuden des Lebens in einer grenzenlosen Vielfalt. Die Auswahl und Anordnung der Gebäude zeugen nicht minder vom Geschmack und Einfallsreichtum der Bewohner, die hier unterschiedliche Wohnformen praktizieren können.

1 / Die Herausforderungen einer erfolgreichen städtebaulichen Integration

Der Wunsch nach Stadterneuerung:
Unser Projekt fügt sich in den Bestand der zwischen 1976 und 1983 errichteten Josef-Bohmann-Wohnanlage ein und beteiligt sich an der Aufwertung dieses Stadtteils, der das heterogene Gefüge aus Pavillons und Kollektivwohnungen mit dem alten Stadtkern von Leopoldau verbindet.
Anstelle eines seit langem bestehenden linearen Parkhauses soll mit der Baumaßnahme die Attraktivität dieses wichtigen Stadtzentrums gestärkt, das Wohnungsangebot vervielfältigt, das Stadtgefüge erneuert, die Eipeldauer Straße und ihre städtische Fassade aufgewertet und gleichzeitig der Verkehrsfluss verbessert werden - insbesondere durch die Förderung von Nahverkehr, Rad- und Fußgängerwegen.
Ziel dieses Ansatzes ist es, eine bessere soziale und generationenübergreifende Durchmischung, eine neue kommerzielle Dynamik und das Entstehen strukturierender Aktivitäten zu gewährleisten - ein wichtiger Punkt, um diesem städtischen Boulevard, der heute hauptsächlich durch seinen Straßenverkehr gekennzeichnet ist, ein neues Gesicht zu verleihen.
Mit einem gelungenen Projekt legt die Gemeinde hier den Grundstein für eine Wiederbelebung des Quartiers unter Wahrung und Respektierung ihres jüngsten architektonischen Erbes.
Die übermittelten städtebaulichen Leitlinien drücken den Wunsch aus, auf diesem langen und schmalen Grundstück einen abwechslungsreichen, aber einheitlichen Maßstab zu erreichen. Die Anordnung der Baukörper entlang der Querstraßen und die Versätze zwischen den verschiedenen Gebäudeblöcken bestimmen das Verhältnis der Wohnhausanlage zur Straße.
Die Durchwegungen sind wichtige Querverbindungen, die die räumliche Qualität von Spazierwegen in Grünräumen haben und den Grünraum des Bohmann Hofs erschließbar machen. Unterschiedlich hohe Baukörper lockern die Straßenperspektive auf.

2 / Das Erdgeschoss: ein lebhafter und anregender Ort:

Für dieses Projekt möchten wir ein Programm der Geselligkeit und der Belebung vorschlagen, das notwendig ist, um das Viertel der Eipeldauer Straße auf nachhaltige Weise, die sowohl ökologische als auch soziale Ambitionen verfolgt, einladend und attraktiv zu machen.
Diese neuen Nutzungen wurden auf Straßenseite und an den zahlreichen Querverbindungen organisiert, um die mit den Wohnungen verbundenen, ruhigeren Funktionen auf der Gartenseite zu belassen: Fahrradräume, Kinderwagenräume, Einlagerungsräume.
Wir wollen neue Lebensweisen fördern. Diese brauchen zentrale, kleinmaßstäbliche Orte der Produktion, der Herstellung und der gemeinsamen Nutzung in Zentrumsnähe;
Orte der Kreativität, der Begegnung, und des Austauschs - wie zum Beispiel:
- Ein Raum für Ressourcen: Bildung für die Welt von morgen, Unterstützung für die Schule, Hausaufgabenhilfe, Debatten, Konferenzen, Workshops, frei zugängliche Bibliotheken
- Ein Raum für Kultur: Radio, Verlagswesen, Videoproduktion, Zeitungen, Erstellung von Lehrmitteln, Ausstellungen
- Ein Filmclub, ein Kleiderhandel für Gebrauchtes, ein Coworking, ein solidarischer Lebensmittelladen
- Ein Null-Abfall-Raum: Werkstätten, verfügbare Materialien, Weitervertrieb von unverkauften Waren, Abfallrecycling, Werkzeugverleih
- Ein Raum für gemeinsame Gärten auf den verschiedenen Terrassen des Projekts, Aufklärung über die biologische Vielfalt, Kurzlehrgänge
- Ein Raum für den Austausch von Dienstleistungen, Ideen, Fähigkeiten und Waren
- Räume für SOHO (Small Office Home Office), die auf E+1 über eine Mezzanine mit kleinen Wohnungen verbunden sind, so dass Wohnen und Arbeiten neu verbunden werden kann
- Sportangebot für Jugendliche, im EG und auf den Dachterrassen E+6 und E+7
Wie die Rädchen eins Uhrwerks wird erst die Vielfalt der Nutzungen es ermöglichen, dass jeder jedem hilft und die Erwartungen der Bewohner erfüllt werden.

3/ Die Blöcke: Qualität und Nutzung der Wohnungen:

Mitten in einer neu erfundenen künstlichen Landschaft und Natur, zelebrieren die holzverkleideten Wohnhäuser qualitätsvolles Wohnen in einfacher Weise. Vom Straßen Niveau durch ein intensiv bepflanztes Vordach getrennt, sind die Wohnblöcke entsprechend ihrer Ausrichtung und ihrer unmittelbaren Umgebung angeordnet, hierbei teilen sich maximal drei Blöcke ein Treppenhaus und ein von allen nutzbaren, erweiterten Treppenabsatz. Diese Treppenhäuser schaffen visuelle Öffnungen und Blickachsen zwischen der Straße und dem dahinterliegenden Viertel. Die Höhenvariation der Blöcke bilden einen Übergang zu dem Bestand.
Der Rhythmus der Fassaden zeigt großzügige und lineare Öffnungen, die eine große Menge an natürlichem Licht für doppelt oder sogar dreifach orientierte Wohnungen hereinlassen. In den Obergeschossen werden großzügige Balkone oder Loggien als horizontale Kontinuität der Wohnungen erlebt, ebenso wie die Nutzung der Laubengänge und Dachterrassen. Sie bieten Außenbereiche, die von allen Wohnungen genutzt werden können.

4 / Die Erschließung: Zyklus der Zeit und der Ort der Begegnung:

Die Laubengänge und Erschließung-Atrien dienen ausschließlich den Bewohnern. Sie ermöglichen Begegnungen und den Austausch mit Nachbarn, während die Privatsphäre der einzelnen Wohnungen durch Abstand und verstärkte Vegetation gewahrt bleibt: informelle Treffen mit Freunden und Nachbarn, Spiele für Kinder, Blumenkübel, …
Sie sind so konzipiert, dass sie dank eines Systems von bepflanzten Kabeln und Pflanzgefäßen nach und nach von der Natur erobert werden, was eine lebendige Atmosphäre für die Bewohner garantiert.
Die variable Breite der Laubengänge wird die Pflege und den Zugang zu den stark begrünten Fassaden erleichtern.
Der Sockel sowie die Dachterrassen bieten großmaßstäblichere Aktivitäten an: Gartenarbeit, Sport, Erholung, große Spielplätze.
Diese starke Identitätsbildung des Projekts geht einher mit der Vervielfachung gemeinsamer Nutzungen durch die Implementierung von Funktionen, die in einem ambitionierten Zusammenleben geteilt werden.

5 / Eine effiziente und wirtschaftliche Struktur:

Jede programmatische Ebene reagiert auf spezifische Anforderungen und sucht gleichzeitig die Synergie innerhalb eines "pluralen Gebäudes".
Das gesamte Gebäude, das auf einem Gerüst aus Stahlbeton aufgebaut ist, das vorfertigbar ist, wurde mit einer strukturellen Strenge entworfen, die es ermöglicht, den CO2-Fußabdruck des Gebäudes zu optimieren, indem die strukturelle Masse des Gebäudes so weit wie möglich reduziert und somit auch den technischen und wirtschaftlichen Zwängen gerecht wird.
Wie haben uns also für einfachen, effizienten und rationalen Einfallsreichtum entschieden.
Das führt zur Schaffung eines bis ins kleinste Detail durchdachten Betonskeletts, das auf einem Parkhaus-raster von 5,40m beruht,
das von der Architektur nicht beschwert wird, in dem sich Architektur nicht aufdrängt, sondern das dank des Lichts, des Klimas und der Akustik eine sanfte und beruhigende Atmosphäre bietet. Räume werden durch ihre Materialien und Texturen charakterisiert: Beton, Holz, Glas, Metall
- Das Erdgeschoss mit seinen Aktivitäten und Geschäften ist zur Straße hin völlig offen und wird von Stützen durchquert, deren Positionen durch die Tiefgarage festgelegt sind.
- Die Wohnungen sind in Betonbauweise mit einer nicht tragenden Fassade ausgeführt, was eine große Flexibilität in der Organisation der Wohnungstypen ermöglicht, die leicht an die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer angepasst werden können
- Die leichte, reversible und vorfertigbare Holzfassade ist sehr effizient und ermöglicht es, die Fassade des Gebäudes im Laufe der Zeit zu verändern, falls dies erforderlich ist. Die Fassade weist große, raumhohe Öffnungen auf, die den Zugang zu Balkonen oder Loggien ermöglichen.
- Die Dächer sind auf sichtbaren und zugänglichen Ebenen bewohnt und begrünt. Sie können alle Funktionen beherbergen, die das Leben und die Attraktivität des Gebäudes begleiten.
-Laubengänge und Betonelemente schaffen Sonnen- und Witterungsschutz und helfen so im Sommer wie im Winter das Befinden zu optimieren

Abschliessend:
Die Ausnahme dieses neuen imposanten Vorhabens muss als eine Bereicherung der Stadt, als eine Vertiefung ihrer Merkmale erlebt, gelesen und empfunden werden.
In der Architektur wird die Zukunft immer mit Bezug auf eine Vergangenheit gebaut, die gegenwärtig ist und selbst auch eine Zukunft hat, besonders wenn diese Vergangenheit, die mit der Wohnbebauung von Josef Bohmann verbunden ist, das Prestige und den Glanz der Wiener Sozialarchitektur hat.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag sieht sehr klar strukturierte rechteckige Baukörper vor, die aufgrund der Vorlagerungen von Loggien und Laubengänge an den Fassaden, in ihrer Massivität aufgelöst werden und ein sehr abwechslungsreiches Erscheinungsbild generieren, unterstützt durch das reichhaltige Angebot an Fassadenbegrünung. Die Gesamtkonzeption besticht in ihrer Leichtigkeit, nicht zuletzt durch die gewählten Erschließungssysteme.
Es werden unkonventionelle Grundrisse mit hoher Wohnqualität als Mittelgang-
Typologien und Laubengang-Typologien angeboten, die in ihrer abwechselnden Anordnung zusätzlich zur guten Proportionierung des Gesamtensembles beitragen. Durch das Abrücken der Laubengänge von den Fassaden gelingt selbst für die Wohnräume, die
zum Laubengang hin orientiert sind, Privatheit. Der hohe Durchlässigkeitsgrad des Sockels, in dem sehr praktikable Grundrisslösungen vorgesehen sind, wird sehr positiv gesehen. Obwohl die angebotene Erschließung in seiner Ausbildung eine sehr attraktive
Lösung darstellt, bestehen Zweifel, dass diese in Bezug auf Brandschutzvorschriften in
dieser Form so umgesetzt werden können. Sofern technische Lösungen dafür gefunden
werden können, so scheint der dafür erforderliche wirtschaftliche Aufwand im Widerspruch
zu leistbarem Wohnraum zu stehen.
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