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2. Rang 3 / 3

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Planung Wohn-Bauprojekt "Würzenbachmatte" in Luzern

3. Rang / 2. Ankauf

Preisgeld: 13.000 CHF

kollektive architekt

Architektur

Stauffer Rösch Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Schmidt + Partner Bauingenieure AG

Bauingenieurwesen

schaerraum ag

Bauingenieurwesen

Beurteilung durch das Preisgericht

Basierend auf einer sorgfältigen historischen Betrachtung des Ortes, der Nachbarschaft und der ehemaligen Nutzung des Bestandes als Poststelle und Gemeindezentrum der reformierten Kirche, entwickeln die Verfasser des Projektes „vert sur gris“ eine überraschende Idee. Der 1968 errichtete Pavillon, im von Fritz Stucky entwickelten Variel-System des Zuger Herstellers Elcon erbaut, wird von den Verfassern als variables, bis zu acht Geschossen stapelbares Beton-Raumzellensystem beschrieben und als interessante Grundlage für die Entwicklung zeitgemässer Aufgaben entdeckt. Der Projektvorschlag baut das bestehende Raumraster an der Würzenbachmatte weiter und aus Stuckys Raumzellenidee wird ein Raumraster aus Holzstützen und Baubuchenträgern mit leichten Holzdecken entwickelt. Mit diesem System soll der zweigeschossige Bestand um fünf Vollgeschosse und ein Dachgeschoss ergänzt werden. Die ortsbauliche Eingriffstiefe des Entwurfs ist der Grundidee des Weiterbauens entsprechend eingeschränkt. Die gestaffelte Grundform des Bestandes wird durch zwei markante Vertikalerschliessungen an den Schmalseiten und Lauben im Westen und Osten ergänzt. Das an der Südfassade inklusive Attikageschoss siebengeschossig in Erscheinung tretende, filigrane Volumen entwickelt eine angemessene städtische Präsenz und reagiert auf die zentrale Lage im Quartier.

Die Freiräume werden als logische Konsequenz aus der Idee des „Weiterbauens“ und der vorgeschlagenen Adressierungen entwickelt. Der Platz zur Kreuzung dient primär der Adressierung für die Wohnungen und leitet in die üppige Platzsituation in Bezug zu den gemeinschaftlichen Nutzungen über. Auf dem oberen Gartenniveau können selbstverständlich die Aussenbereiche für die Wohnungen sowie die Kita angeboten werden. An der Würzenbachmatte wird aus der heutigen Situation mit einem mittigen Zugang und einem Vorgarten, eine über die gesamte Länge des Gebäudes gänzliche befestigte Vorzone und Zugänglichkeit entwickelt, die dem Wunsch des Weiterbauens gut zu entsprechen vermag. Gleichzeitig zeigen sich insbesondere an der Würzenbachmatte funktionale Mängel aufgrund des anspruchsvollen Terrains. Die gänzliche Zugänglichkeit von Westen erzeugt Situationen im Souterrain, welche als nicht selbstverständlich gegenüber dem Strassenraum wirken. Die Parkierung ist in dieser topographischen Situation so nicht möglich. Die Frage ob das Gebäude im oder am Garten oder im Platz steht, kann letztlich nicht beantwortet werden und zeigt die Schwächen des Vorschlages auf.

Die öffentichen Nutzungen, der Mittagstisch des Vicino sowie die Räumlichkeiten der Quartierarbeit Würzenbach sind im Erdgeschoss platziert und werden über eine partiell tiefer als die Würzenbachmatte liegende, eher beengende Laubeschicht erschlossen. Die Räumlichkeiten profitieren von angemessenen Raumhöhen und einer qualitativen Ausrichtung hin zum Würzenbach, vermögen aber durch die rückwärtige Lage hinter dem Treppenturm keine entsprechende öffentliche Wirkung zu erzielen. Die übrigen quartierdienlichen Nutzungen werden im ersten Obergeschoss über eine eingezogene Vorzone zwischen den beiden Treppenhäusern entlang der Würzenbachmatte erschlossen. Geschickt nutzt die KITA den heutigen Eingangsbereich und schafft attraktive Räumlichkeiten mit einer guten Adressierung. Die nur über den Laubengang erschlossenen, dezentralen Räume im Süden werden negativ beurteilt. Die in den Obergeschossen platzierte Wohnungen, Mansard-Studios, Schaltzimmer und auch die gemeinschaftliche Dachnutzung werden über von den beiden flankierenden Treppentürmen erreichbaren Lauben erschlossen. Ergänzt werden diese im Nordosten und Südwesten disponierten gemeinschaftlichen, horizontalen Erschliessungszonen mit jeweils gegenüberliegenden Lauben, die dem privaten Aufenthalt der Bewohnerinnen und Bewohnern vorbehalten sind. Zwischen diesen relativ aufwändigen, aber durchaus qualitativen Lauben werden interessante Durchwohnergrundrisse entwickelt, welche vom Variel-Raster mit einem Achsmass von 2.8 m und einer Tiefe von 9.6 m geprägt werden. Mit grosser Entwurfsfreude werden innovative Grundrisse entwickelt. Kleinstmöglich gestaltete Raumeinheiten (12 m2 und 5 m2) werden innerhalb des hölzernen Raumrasters zu überraschenden, komplexen Wohneinheiten verwebt. Durchdachte Raumabfolgen minimieren die Verkehrsfläche, grosszügige interne Verbindungen brechen die Kleingliedrigkeit und spezifische Nutzungszuordnungen erhöhen die Effizienz. Insbesondere die eingeschränkte individuelle Möblierbarkeit der Wohnungen und die teilweise fehlende Privatheit der Raumeinheiten an den Erschliessungslauben scheinen aber problematisch. Die Vermutung liegt nahe, dass die nach Angaben der Verfasser bewusste Unterschreitung der programmierten Wohnungsgrössen (2.5 Zimmer 48 m2 statt 55 m2, 3.5 Zimmer 61 m2 statt 70 m2) nicht nur aus ökologischer Sicht erfolgt ist, sondern wesentlich mit der vorgefundenen Gebäudestruktur erklärt werden kann. Ob der gewählte Ansatz den Wohnbedürfnissen der zu erwartenden Mieterschaft gerecht werden kann, wird bezweifelt.

Mit einem mutigen, offenen Ausdruck strahlt der Entwurf eine hohe ideelle Kraft aus und begegnet dem Quartier selbstbewusst. Konsequent aus der Idee entwickelt, prägt der differenzierte Gestaltungsansatz den Ort und kommuniziert eine klare Haltung. Eine Strategie, die auch einzelne Unsicherheiten, wie die eingeschränkte öffentliche Sichtbarkeit der Haupträume im Sockelgeschoss hin zur Würzenbachstrasse, als akzeptabel erscheinen lässt.

Nicht nur die Grundidee des Erhalts verfolgt eine materialschonende, effiziente Strategie. Auch der auf dem bestehenden Betonraster aufbauende, modulare Holzbau begegnet der Aufgabenstellung innovativ: Eine konsequent einfache Grundstruktur der Wohnungen, eine stark reduziertes Stützen Platten-System, ein auf geschickter Massenverteilung basierender akustischer Konstruktionsansatz und Nasszellen in Modulbauweise um nur einige zu nennen. Trotz der differenzierten, vielschichtigen Konzeption vermag das Projekt auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu überzeugen; der Erhalt des Bestandes trägt dazu bei. Die sehr offene Art und Weise der Hülle, insbesondere die der Witterung ausgesetzten Erschliessungsbereiche, werfen allerdings betriebliche, bautechnische und brandschutzspezifische Fragen auf.

Die relevante anrechenbare Gebäudefläche neurechtlicher Messweise wird wesentlich übertroffen. Die Realisierbarkeit scheint also zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben und die Möglichkeiten einer allfälligen Anpassung sind sehr eingeschränkt.

Mit einem symbolhaften, den Zeichen der Zeit verpflichteten Entwurf entwickelt „vert sur gris“ ein Leuchtturmprojekt. Konsequent und über verschiedene Entwurfsthemen hinweg wird ein überdurchschnittlich hoher Innovationsgrad verfolgt und gekonnt in ein stimmiges Ganzes übersetzt. Trotz Schwächen die den Wohnwert, die Benutzerfreundlichkeit und den Betrieb betreffen, baurechtlichen Problemen und Unsicherheiten hinsichtlich der Qualität der Bausubstanz, gefällt der Vorschlag in vielen Teilen und wird entsprechend gewürdigt.
2. Rang 3 / 3