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3. Rang 4 / 4

Einladungswettbewerb | 05/2023

Quartiersentwicklung Ostermundingen (CH)

4. Rang

Preisgeld: 19.500 CHF

AEBI & VINCENT ARCHITEKTEN SIA AG

Stadtplanung / Städtebau

extrā Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

WAM Planer und Ingenieure AG

Tragwerksplanung

Adrian Scheidegger

Kunst

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt basiert auf einer konsequent umgesetzten «Strategie des Weiterbauens». Mit präzisen Transformationen, Aufstockungen und Ergänzungen bestehender Strukturen soll der Charakter des Ortes erhalten und gestärkt werden. Der Bestand besitzt nach Auffassung der Projektverfassenden das Potential zur Schaffung eines lebendigen Quartiers mit hohen sozialräumlichen Qualitäten; der Bestand als ideale und substanzielle Ausgangslage für eine Transformation zum gewünschten «Werkquartier».

Der städtebauliche Ansatz mit unterschiedlichen Volumen, Öffnungen und Freiräumen reagiert auf den unmittelbaren Kontext mit seiner äusserst heterogenen Körnung und Dichte. Das heutige Intersportgebäude wird zum Zentrum des neuen Quartiers. Vorgelagert dient ein Hochpunkt mit einer Höhe von 30.0 Metern als Auftakt und Erkennungsmerkmal. Suboptimal erscheint bei diesem Auftakt die Situierung der Einfahrt in die Einstellhalle. Entlang der Bahn stehen zwei Riegelbauten, welche mittig eine Öffnung ins Innere des Quartiers aufweisen. Diese Riegelbauten widersprechen jedoch dem gewählten kontextuellen städtebaulichen Ansatz und vermögen wenig zu überzeugen. Die Wirkung einer allzu starken, hermetischen Abgrenzung widerspricht dem pragmatischen Ansatz des Erhalts sowie der Weiterführung vorgefundener Identitäten.

Die Volumen des Wohnbaus gegenüber dem Gewerbebau sowie der Solitärbauten gegenüber dem angrenzenden Wohnquartier sind plausibel und schaffen adäquate Übergänge. Die bestehende, überdeckte Anlieferung wird zu einem zentralen Raum des Projektes transformiert. Arbeits-, Wohn-und Quartierwelten sollen verschmelzen und eine hohe atmosphärische Dichte des neuen Werkquartiers erzeugen. Dieser Raum wird zum relevanten Herzstück, jedoch gleichzeitig zu einem Schwachpunkt des Projektes. Die vorgeschlagene Umsetzung führt zu einengenden Korridorsituationen und demzufolge leider auch zu unattraktiven Adressierungen der Wohngeschosse. Das Potential dieses Raumes wird leider nicht ausgeschöpft.

Der architektonische Ausdruck der Gebäude ist eine stringente Umsetzung der gewählten Strategie. Unterschiedliche Fassadenmaterialien wie Holz, Polycarbonat- oder Weichfaserzementplatten sowie adäquate Öffnungsverhalten verweisen geschickt auf die Geschichte, die Nutzungen und die Situierung der einzelnen Gebäude. Die Vielfalt eines zukünftigen Werkquartiers wird erlebbar.

Zur Bahn hin wird ein zweiteiliger, schützender Gebäuderücken vorgeschlagen. Der revitalisierte Lötschenbach fliesst aus dem Areal durch die Schlucht der beiden Gebäudeköpfe und dann - stark eingezwängt - direkt am Gebäude vorbei nach Norden. Das von den Verfasser:innen gewählte Paradigma des Weiterbauens belässt die weitgehende Unterbauung des Areals und führt in der vorgeschlagenen Schnittlösung zu einer kaum verständlichen Geschossigkeit: Das «obere Untergeschoss» wird in eine Werkhalle transformiert. Von ihr aus führt eine spiralförmige Erschliessungslaterne auf das Niveau des «gefühlten Erdgeschossniveaus». Hier entsteht ein Hofraum, der funktional überfordert scheint (gleichzeitiger Adressier-, Aufenthalts-, Durchgangsraum). Die grüne Mitte des Areals liegt im Süden. Wegen der baurechtlich geforderten Dimension als Spielwiese kann sich der gefasste Grünraum nicht wie vorgeschlagen zu einem Freiraum entwickeln, welcher durch alle Nutzenden angeeignet werden kann.

Der offene Lötschenbach hält aus wasserbaulicher Sicht die Anschlusspunkte ein. Der Gewässerraum ist erkenntlich, wird jedoch nur teilweise eingehalten (mind. Breite 11.0 m), teilweise dafür erweitert. Der Gewässerraum wird extensiv genutzt und gestaltet, die Böschungen sind meist flach und entlang dem Bestand einseitig senkrecht verbaut geplant. Einige Materialisierungen wären hinsichtlich der Bewilligungsfähigkeit noch zu prüfen. Für die Brücke müsste die Standortgebundenheit und das öffentliche Interesse noch dargelegt sowie der Abflussquerschnitt genügend gross geplant werden. Der Zugang für Unterhaltsarbeiten ist einseitig (gebäudeabgewandt) gewährleistet.

Die Situierung der grossflächigen Gewerbenutzung mit einer internen Logistikachse ab der Anlieferungsrampe ist plausibel. Die Erdgeschossflächen im Riegelbau entlang der Bahn sind lediglich für stilles Gewerbe geeignet. Die Strategie des Weiterbauens ergibt unterschiedliche Gebäudestrukturen und demzufolge unterschiedliche Wohnungstypologien.

Diese Vielfalt wird grundsätzlich begrüsst und verspricht eine wünschenswerte soziale Durchmischung. Die einzelnen Grundrisse sind jedoch von unterschiedlicher Qualität. Die Grundrisstypologien der Riegelbauten bilden eine äusserst einfache Antwort auf die Lärmthematik. Die gewählte Erschliessung für die Umnutzung des bestehenden Intersportgebäudes wird grundsätzlich begrüsst. Es wird jedoch bedauert, dass die gewählte Ausgangslage nicht genutzt wird, um ein für das Werkquartier grösseres Spektrum differenzierter Wohnformen aufzuzeigen.

DerVorschlag präsentiert ein grösstenteils gut ausgereiftes Erschliessungskonzept. Die Erschliessung für den Fussverkehr ist solide und stellt eine gute Entflechtung, wie auch Durchwegung sicher. Die Einstellhallen erfüllen die Vorgaben und die PP sind in Zahl und Ausführung überzeugend. Im Bereich der Veloabstellplätze ist aber in punkto Quantität wie auch Qualität noch Verbesserungspotential vorhanden. Einerseits bleibt das Projekt doch sehr deutlich unter der Mindestanforderung an Veloabstellplätzen und andererseits sind teilweise weite Distanzen zu den Eingängen vorgesehen. Zudem ist der Komfort der unterirdischen Veloabstellplätze mittels vorgesehener Rampenerschliessung nicht sehr hoch. Die Anordnung der Anlieferung für LKW führt zu Konflikten und ist äusserst knapp bemessen, ein direktes Anfahren wird in Frage gestellt.

Das Projekt verfügt im Quervergleich leicht unterdurchschnittliche Erstellungskosten bei einer überdurchschnittlichen Geschossfläche. Dies liegt vor allem an der guten Kompaktheit der Gebäude und dem daraus resultierenden geringen Fassadenfläche sowie dem höchsten Anteil an weiterverwendetem Bestand. Dieser ist aus Kostensicht jedoch nur ein geringer Vorteil und stark abhängig von der Qualität der bestehenden Struktur und den daraus resultierenden Massnahmen. Das Projekt verfügt über eine unterdurchschnittliche Anzahl Wohnungen und verfügt über die meisten Einstellhallenplätze aller Projekteingaben. Zudem verbraucht die Einstellhalle im Quervergleich überdurchschnittlich viel Fläche pro Parkplatz. Die Flächeneffizienz in den oberirdischen Geschossen, vor allem beim Verhältnis von oberirdischer Hauptnutzfläche zu oberirdischer Geschossfläche, liegt unter den Zielvorgaben. Die Konstruktionsart und der Materialeinsatz werden als angemessen und effizient beurteilt.

Für den Beitrag wird ein eher unterdurchschnittliches wirtschaftliches Erfolgspotenzial eingeschätzt. Die unterdurchschnittliche Nutzflächenausbeute mit einem hohen Wohnanteil und eine gesamthaft mittlere bis höhere Markttauglichkeit tragen zu einer nur durchschnittlichen Ertragseinschätzung bei. Das resultiert in einem mittleren Marktwert mit einer durchschnittlichen Renditeerwartung. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Erstellungskosten wird das Projekt unter ökonomischen Gesichtspunkten als nur sehr schwer umsetzbar beurteilt. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit müsste im Besonderen eine wesentlich bessere Flächeneffizienz erreicht werden können.

Die Umsetzung von SIA 2040 ist möglich. Das Projekt überzeugt auf Ebene Ökobilanzierung. Das Potential von der Wiederverwendung des Bestands wurde erkannt und über die Verankerung im Titel auch in dem Entwurf umgesetzt. Ein substanzieller Teil des Bestands soll weitergenutzt werden. Dabei wurde darauf geachtet, dass behutsam in den Bestand eingegriffen wird. Somit wird ein entscheidender Impact auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen erwartet. Auf betrieblicher Ebene führt das Zusammenspiel von relativ kompakten Gebäuden mit hinnehmbarem Fensterflächenanteil zu einem guten Ergebnis. Das Mikroklima wird als gut bewertet. Der freigelegte Bach sowie die angrenzende Spielwiese schaffen eine grössere zusammenhängende Grünfläche. Aussparungen im Untergeschoss ermöglichen das Wachstum grösserer Bäume sowie die Versickerungsfähigkeit. Auffallend ist der Umgang mit den Veloabstellplätzen. Sowohl die Abstellplätze im Erdgeschoss als auch diejenigen in der Einstellhalle sind aufgrund ihrer dezentralen Lage wenig nutzer:innenfreundlich.

Die Kopfwohnung des mittleren „L“ kann die Grenzwerte allseitig nicht erfüllen. Das einseitig Richtung Anlieferung ausgerichtete Wohnen ist als kritisch einzustufen. Die Lösung, hier nur über einen Wintergarten zu belüften ist bauphysikalisch und wohnhygienisch fraglich und für den Lärm nicht ohne weiteres bewilligungsfähig.

Sensible Freiraumbereiche sind gegenüber der störfallrelevanten Bahnlinie gut abgeschirmt und die Zugänge zu den Gebäuden erfüllen die Auflagen der Störfallvorsorge. In den Gebäuden liegen Fluchttreppen an Fassaden zur Bahn, es fehlen hier noch Angaben zur Umsetzung der Fluchtwegsicherung.

Grundsätzlich erfüllt das Projekt die Anforderungen bezüglich der NISV, da im Falle einer bestehenden Bauzone und bei deren Umzonung – wie vorliegend - vor dem Inkrafttreten der NISV im Jahre 2000 der Anlagegrenzwert nicht eingehalten werden muss.

Das Projekt basiert auf einer stringenten Strategie des Weiterbauens. Mittels präziser Interventionen, Aufstockungen und Ergänzungen wird das vorhandene Potential geschickt genutzt und transformiert. Das Projekt besitzt die Voraussetzung, die im RES und in der ZPP formulierte Vision eines Werkquartiers auf einfache und plausible Art umzusetzen. Leider wird das vorhandene Potential nicht konsequent genutzt. Die zwei vorgeschlagenen Riegelbauten schwächen die gewählte Strategie und sind städtebaulich kaum nachvollziehbar. Die Freilegung des Lötschenbach vermag in der vorgeschlagenen Form die möglichen Mehrwerte für die Freiräume kaum zu generieren. Der zentrale Innenraum als Raum der Verschmelzung der unterschiedlichen Welten wird grundsätzlich als interessant beurteilt, wirft jedoch bezüglich der Umsetzung, der Funktionalität und der räumlichen Atmosphäre zu viele Fragen auf.
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