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Einstufiges Studienverfahren | 11/2023

Wohnüberbauung Dahlienweg im Stadtteil Dürrenast in Thun (CH)

Teilnahme

1899 Architekten AG

Architektur

Weber + Brönnimann AG - Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt präsentiert sich als Ensemble aus drei zwar unterschiedlich grossen, in Struktur und Erscheinung aber verwandten Baukörpern. Ausgehend von der Substanz der beiden südlichen Gebäuden entwickelt sich ein architektonisches Narrativ, das auch auf den Neubau übertragen wird. Die stadträumlich und baustrukturell pragmatische Haltung wird gewürdigt, zeigt sich in der Umsetzung aber leider nicht genügend stringent und zielführend für eine überzeugende Lösung.

Basis für alle weiteren Entwurfsüberlegungen bilden Erhalt und Überformung der Bestandsbauten. Mit geschickten Eingriffen werden die Wohnungen hindernisfrei erschlossen und zumindest in der Hälfte der Wohnungen auch auf der Ebene der Nasszellen entsprechend ertüchtigt. Mit nur minimalsten Anpassungen der Grundrisse und einer Aufstockung um ein gleichartiges Geschoss gelingt den Projektverfassenden eine Überführung der Bauten in einen neuen Lebenszyklus und ein Angebot an knapp, aber gut geschnittener Wohnungen, die einen hohen Wohnwert versprechen.

In Ergänzung dazu wird ein analog ausgerichteter, in der Konzeption verwandter, aber in jeder Dimension mächtigerer Neubau vorgeschlagen. Leider zeigt dieser jedoch bezüglich der Wohnungen nicht die erwünschte Qualität. Die Erschliessungszonen wirken ausserhalb und innerhalb der Einheiten überdimensioniert und bieten räumlich nicht den durch die Verfassenden beschriebene Mehrwert. Trotz grossem Zuschnitt der zentralen Zirkulationszone werden die Schlafzimmer ausschliesslich über die Wohnzimmer erschlossen, was die Nutzbarkeit der Flächen weiter einschränkt. Zudem wird es verpasst, über das klassische, individuelle Wohnen hinaus ein Zusatzangebot zu schaffen, das im Alltag integrierte Formen des Austauschs bieten würde.

Die Erschliessung für den MIV erfolgt direkt am Arealzugang, im Anschluss an den Platzraum von Parzelle 925. Die zur Entlastung der Freiräume in den Neubau integrierte Einfahrt zur Tiefgarage wirkt jedoch beengt und führt zu einer eher unwirtlichen Adressbildung. Das Zurechtfinden in der Siedlung wird darüber hinaus auch durch die vom Dahlienweg abgewandten Gebäudeerschliessungen erschwert. Die Veloanordnung wird entlang der jeweiligen Gebäude grosszügig geregelt, was funktional erscheint, die Qualität der Gebäudezugänge aber beeinträchtigt, da Konflikte zwischen Fuss- und Veloverkehr, wie auch die Beeinträchtigung des Durchganges im Alltag vorprogrammiert scheinen.

Auf der Ebene des Freiraums wird die versetzte Lage der Bauten genutzt, grössere zusammenhängende Flächen anzubieten. Das stärkste Moment entsteht dabei an zentraler Lage, wo der Erhalt des bestehenden Baumes, welcher prägend und charakteristisch ist für die Siedlung, den mittigen Platz zu einem gelungenen gebäudeverbindenden Aussenbereich macht. Unterstützt wird die Wirkung durch den hier angeordneten Gemeinschaftsraum. Nicht nachvollziehbar bleibt hingegen die Saunaterrasse: Obschon im Bild vermeintlich ebenfalls Teil dieses zentral gelegen Brennpunkt des genossenschaftlichen Zusammenlebens, entpuppt sich der Ort bei näherer Betrachtung auf Grund seiner Erschliessung als wenig eingebunden in das Siedlungsleben und doch exponiert. Die Zugänglichkeit über ein reguläres Treppenhaus dürfte sich darüber hinaus auch als Belastung für die angrenzenden Wohnungen zeigen.

Südlich angrenzend bleibt ein grosser Rasenbereich erhalten und dient als ebener Spielbereich dem Ballspiel. Obschon die Nutzbarkeit für alle Altersgruppen hervorgehoben wird, führt die Lage direkt vor den Balkonen des mittleren Gebäudes zu einer Degradierung zum Abstandsgrün und lässt im Gebrauch auch Konflikte durch übermässige soziale Kontrolle befürchten. Das entlang des Dahlienweges geplante Mäuerchen soll eine gewisse Abgrenzung zwischen öffentlichem und halböffentlichem Bereich schaffen und als multifunktionales Element, z.B. als Sitzbereich, dienen. Die gewünschte Funktionalität dieses Elementes scheint fraglich. Als neues Element auffällig sind die Platzräume rings um den Neubau. Sie dienen der Verbindung im Baugebiet, als Vor- und Begegnungszonen. Die Vorteile dieser Schattenplätze im Bereich der ostseitigen Hauszugänge werden im Text hervorgehoben. Trotzdem erscheint die weitgehende Verschattung wesentlicher Bereiche für die meisten Jahreszeiten wenig vorteilhaft.

Die Ausgestaltung der Freiräume ist solid, bleibt im Ausdruck jedoch generisch. Trennungen zwischen öffentlichem und halböffentlichem Aussenraum sind nicht oder nur schwer erkennbar. Auf privaten Aussenraum wird im Projekt generell verzichtet. Die Beläge sind sinnvoll und funktional gewählt. Die Regenwasserentsorgung wird in eine Mulde westlich des Neubaus gelöst. Diese Lösung scheint funktional und bietet zusätzlich den Vorteil, dass eine gelungene Abgrenzung zwischen Neubau und Dahlienweg möglich ist.

Trotz der Bemühungen, aus den Einzelmassnahmen eine neue Einheit zu schaffen, ist das Zusammenspiel der architektonischen Familie in seiner Umsetzung in vielerlei Hinsicht zu lapidar geraten. Der Anspruch einer Angleichung an den Bestand in grösserem Format führt zu einer eingeschränkten Sichtweise und nicht nachvollziehbaren Sachzwängen. So bleibt zumindest fragwürdig, warum sich der Neubau in der inneren Organisation nicht mehr Freiheiten erlaubt oder weshalb an der Verdoppelung der Arealerschliessung mit Dahlienweg im Westen und Adressseite im Osten festgehalten wird.

Obschon sauber durchgearbeitet und solid, kann das Projekt die Jury nicht überzeugen. Während im Umgang mit dem baulichen Bestand subtile Eingriffe eine gewinnbringende, maximale Wirksamkeit erreichen, werden ähnlich geschickte Innovationen im restlichen Projekt vermisst. Das Projekt scheitert schliesslich nicht wegen, sondern trotz der Integration der Bestandsbauten vorallem an sich selbst. Insbesondere der Neubau vermag für sich allein nicht zu überzeugen und weist das Potenzial der WBG für Zusammenleben und Gemeinschaft nicht genügend nach. Darüber hinaus bleibt das Konzept sehr additiv und schafft es nicht, neue Bezüge herzustellen. Die Chance einer tiefgreifenderen Bereinigung oder Überschreibung der bestehenden Situation zu Gunsten einer zeitgemässen und zukunftsfähigen Wandlung der Siedlung wird leider verpasst.