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Offener Wettbewerb | 09/2019

Ideenwettbewerb zur Nachnutzung Alte Feuerwehr/Synagoge Bruchsal

Anerkennung

Preisgeld: 4.950 EUR

architekturbüro ruser + partner mbb

Architektur

Landratsamt Karlsruhe

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Kontext - Städteräumliche Lage und Rahmen des neuen Areals

Mit dem 2020 geplanten Umzug der Freiwilligen Feuerwehr in die Bahnstadt wird das alte Feuerwehrhaus in der Friedrichstraße frei und das gesamte Gebäudeensemble und dessen Außenräume können neu gedacht werden. Das Areal befindet sich in zentraler Innenstadtlage auf dem Weg vom Bahnhof in die Fußgängerzone. Der Standort ist auch von historischer Bedeutung, da sich auf dem Grundstück bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938 die Bruchsaler Synagoge befand. Nach deren Zerstörung wurde das Grundstück durch die Stadt erworben und nach Abbruch der Ruine im Jahre 1951 mit dem heutigen Feuerwehrhaus bebaut.

Direkt anschließend an den ehemaligen Standort der Synagoge befindet sich die Handelslehranstalt Bruchsal. Für die Schule ist eine räumliche Erweiterung durch eine dringend erforderliche Sporthalle, die Integration der bisher im Haus C separat befindlichen Klassenräume in das Schulareal und eine Aufwertung des Schulhofs wünschenswert.

Konzept - Blockränder definieren Platzkanten

Die bestehende Bebauung, vor allem im Innenbereich des Wettbewerbsgeländes, hat eine sehr kleinteilige, heterogene Struktur aus diversen untergeordneten Bauteilen. Diese werden dem Potential der innerstädtischen Lage und der Historie des Geländes nicht gerecht und sind auch städtebaulich fragwürdig. Die Neuplanung sieht die Anordnung einer zweiteiligen Blockrandtypologie vor:

Der innere Blockrand umrahmt den ehemaligen Standort der Synagoge und schafft entlang der Friedrichstraße die Erweiterung des Schulbereichs mit einer Einfeldsporthalle im Unter- und Erdgeschoss und 21 Klassenräumen in den Obergeschossen. Die Schulerweiterung kann im EG an die bestehenden Schulbauten direkt angeschlossen werden. Es entsteht somit ein zusammenhängender Schulcampus. Das bestehende marode Wohnhaus, welches direkt außerhalb des Bearbeitungsgebietes an das Plangebiet anschließt, sollte dringend in die Neuplanung mit einbezogen werden. Hier könnte der Schulbau noch erweitert werden, um so wertvolle Räumlichkeiten dazu zu gewinnen. Für den nördlichen Flügel des inneren Blockrands wird ein Neubau für multifunktionale Räume Kultur, Begegnung und Bildung im Erdgeschoss und Verwaltungs- und Büronutzung in den Obergeschossen vorgeschlagen. Er bietet Platz für ca. 120 Arbeitsplätze und ein Stadtarchiv.

Der äußere Blockrand stärkt städtebaulich die Situation zur Fußgängerzone und bildet hier ein „Gesicht“ zum Friedrichsplatz hin. Die neue Bebauung bindet das Bestandswohngebäude an der Friedrichsstraße in den Blockrand ein. Die Bebauung gliedert sich ortstypisch vertikal in Gewerbe im EG und Wohnen im OG. Die bestehende
Gastronomie an der Martin-Luther-Straße kann hier weiterhin angesiedelt werden und auch den Blockinnenraum nutzen.

Erschließung - Wege durch begrünte Außenräume

Innenhof des äußeren Blockrands ist von den umgebenden Straßen über bewusst gesetzte Zäsuren zugänglich. Der innere Blockrand bricht zur Friedrichstraße hin auf und öffnet hier den Zugang zum Innenhof. Dieser wird durch die bestehenden Bäume des Schulhofs und die neue Sitzstufenanlage zoniert und in zwei Bereiche geteilt, den Schulhof und den Synagogenhof. Es wird eine diagonale Durchwegung geschaffen, die eine Verbindung von Ost nach West von der Friedrichstraße zur Martin-Luther-Straße ermöglicht und gleichzeitig die Besucher einlädt, den Innenhof und den besonderen Ort der ehemaligen Synagoge zu erleben. Über den Schulhof kann die Handelslehranstalt auch von der Stadt her erschlossen werden, der Aufenthaltsraum für die Schüler und Lehrer wird aufgewertet, das Schulareal angemessen arrondiert. Die Bestandsbäume können erhalten werden. Das städtische Mikroklima wird durch Neupflanzungen schattenspendender, großkroniger Bäume und durch Dachbegrünungen der Neubauten stark aufgewertet, die Luftqualität wird hierdurch verbessert.

Umgang mit der ehemaligen Synagoge

Der Synagogenhof als Ort des Gedenkens und der Begegnung.
Im Rahmen der Neuplanung des Wettbewerbsareals bietet sich die einmalige Chance auf einen angemessenen Umgang mit dem Ort, an dem die Bruchsaler Synagoge bis 1938 gestanden hat, und damit auch die Chance auf einen Ort, an dem die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bruchsal erfahrbar gemacht werden kann. Ziel der Planung ist es daher, einen Ort des Gedenkens und gleichzeitig der lebendigen Begegnung und des öffentlichen Austauschs zu schaffen.

Ausgangspunkt der Planung ist, die Grundrissstruktur der ehemaligen Synagoge in der neuen Platzgestaltung angemessen ablesbar zu machen. Hierbei werden noch vorhandene Fundamentfragmente gesichert und in die Freiraumgestaltung integriert. Die Platzfläche wird eingerahmt im Norden und Osten von Neubauten mit einer Arkadenzone im EG und im Süden und Westen von einer Sitzstufenanlage. Die bestehenden Bäume im Schulhof der Handelslehranstalt schaffen entlang der Sitzstufen eine Filterzone zur Schule hin, die durch sinnvolle Begrünung ergänzt und gestärkt werden soll. Die Sitzstufen senken das Niveau etwa 40cm nach unten ab, so dass ein tieferliegender, intimer Außenbereich geschaffen wird. Die "Leere" des Platzes in Kombination mit der wiederhergestellten Ablesbarkeit der Grundrissstruktur macht den Verlust der authentischen Synagoge erfahrbar. Gleichzeitig entsteht ein besonderer Ort, der durch Austausch und Begegnung im öffentlichen Außenraum gefüllt wird. Für Informationen zum geschichtlichen Hintergrund wird eine entsprechende Gedenktafel vorgeschlagen. Angrenzend an den Synagogenhof werden innerhalb der Arkaden multifunktionale Räume für kulturelle Veranstaltungen, Begegnung und Bildung angeboten, in denen die Historie mit der Gegenwart verknüpft werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen eine 5-geschossige Riegelbebauung vor, die mit z-förmiger Grundrissfigur beginnend vom Friedrichsplatz bis zur Friedrichstraße geführt wird.
Das ehemalige Feuerwehrgebäude wird durch einen Neubau ersetzt.

In Fortführung der Riegelbebauung erhält die Schule entlang der Blockkante eine ebenfalls 5- geschossige Erweiterung, in die im Sockel eine Sporthalle integriert ist. Der Bebauungsvorschlag stellt eine nachvollziehbare städtebauliche Lösung dar, ausgehend von der bestehenden Blockrandtypologie. Gleichzeitig wird eine hohe Bebauungsdichte umgesetzt. Der Bauplatz der Synagoge wird freigestellt und nicht überbaut, was positiv gewertet wird.

Bestehende Bäume an den beiden westlichen Platzkanten werden ergänzt. Die neue Bebauung an den beiden Ostseiten erhält zum Synagogenplatz einen durchgehenden Arkadengang hinter dem erdgeschossig ein Café und eine Ausstellungs- und Kulturnutzung angeordnet wird. Ein großer Vorteil des insgesamt schlüssigen Vorschlags wird in den großen Nutzflächen gesehen, die neu geschaffen werden und für die Schule sowie Verwaltung und Wohnen genutzt werden können.

Kritisiert wird die wenig ausgearbeitete Fläche des ehemaligen Synagogenstandorts. Offen bleiben auch die öffentliche Zugänglichkeit und die Verwendung als Schulhof. Ein Ost-West- Durchgang ist vorgesehen. Begegnung und Kultur werden ebenerdig angeboten, können aber nur eine begrenzte Außenwirkung entfalten und sind im Gegensatz zu anderen Vorschlägen in ihrer Fläche eingeschränkt. Insofern ist der Vorschlag eher pragmatisch zu verstehen mit guter wirtschaftlicher Realisierbarkeit und als Möglichkeit für den Fall, dass nur eine begrenzte Ausstellungsnutzung realisiert wird. Entsprechen der Lage und der Bedeutung des Ortes müsste eine für die Riegelbebauung hochwertige Umsetzung sichergestellt werden. Eine signifikante Außenwahrnehmung wird die neue Bebauung für Bruchsal aber nicht entfalten.